Alle wichtigen Indikatoren von Chinas Wirtschaft stehen im Minus. Die Phase des stürmischen Wachstums und der Gewissheit, bald Nummer Eins der Welt zu sein, ist vorerst vorbei. Besonders belastend wirkt sich die Immobilienkrise aus.
Chinas schwächelnde Wirtschaft wird von maroden Wohnbau-Konzernen belastet. Um der Wirtschaft und insbesondere dem Bausektor zu helfen, hat die People’s Bank of China den Leitzins für einjährige Kredite von 3,55 Prozent auf 3,45 Prozent gesenkt.
Evergrande, einer der grössten chinesischen Baukonzerne, musste vor Kurzem in den USA Zahlungsunfähigkeit anmelden. Ein weiterer Immobilienriese, Country Garden, stürzte an der Börse ab. Die Bauwirtschaft hat in der chinesischen Ökonomie eine Schlüsselstellung. Ein Drittel der Wirtschaftstätigkeit entfällt auf sie. 80 Prozent der privaten Ersparnisse sind in teils hoch spekulative Bauvorhaben investiert. Hunderttausende von Familien warten darauf, dass ihre bereits bezahlten Wohnungen fertiggestellt werden oder dass mit deren Bau überhaupt erst begonnen wird. Zugleich stehen ganze Retortenstädte praktisch leer, und bei vielen der Spekulationsbauten setzt bereits der Zerfall ein. Die gigantische Immobilienkrise drückt auf die Konsumfreudigkeit und Konsumfähigkeit der Bevölkerung und zieht viele weitere Wirtschaftsbereiche in Mitleidenschaft. Ausserdem hat das Land sich nach der Covid-Pandemie noch nicht wieder erholt.
Steigende Arbeitslosenzahlen verdüstern die Aussichten. Insbesondere unter jungen Leuten, und zwar gerade den Hochqualifizierten von ihnen, sind in den Städten über zwanzig Prozent ohne Job. Viele haben die Suche nach adäquaten Beschäftigungen aufgegeben und erscheinen daher nicht mehr in der Statistik. Sie schlagen sich als Aushilfskräfte oder Kuriere durch oder erledigen für ihre Eltern den Haushalt. Das Nationale Statistikamt hat im August bekanntgegeben, es sistiere die Publikation der Arbeitslosenzahlen bis auf Weiteres – eine nicht eben vertrauensbildende Massnahme.
Viele Beobachter erkennen in den Krisensymptomen die Auswirkungen des streng ideologischen Kurses Xi Jinpings. Die Regierung fördert vor allem staatseigene und staatsnahe Betriebe. In zahlreichen, auch internationalen Unternehmen werden wirtschaftliche Kreativität und Effizienz oft durch Eingriffe von Parteigremien behindert. Ganz allgemein ist das von Xi geschaffene repressive Klima einer positiven Dynamik nicht förderlich.