Der Giftasangriff auf die syrische Ortschaft Khan Schaykhoun in der von den Rebellen beherrschten Idlib Provinz vom vergangenen 4. April hat die politische Stossrichtung Trumps gegenüber Syrien umgekehrt.
Information an die Russen
Trump hatte mehrfach gesagt, es sei für ihn sekundär, ob Asad gehe oder nicht. Doch nach dem Gasangriff erklärte er, Asad sei ein Diktator, der entfernt werden müsse. Er sagte dies nicht nur. Er liess einen energischen Schlag gegen die syrische Luftbasis durchführen, von der aus die Amerikaner offenbar annehmen, dass von ihr aus der Giftgasangriff geführt worden ist. 59 Tomahawk-Raketen wurden von einem Kriegsschiff aus auf den bei Homs gelegenen Militärflughafen von Shayrat gefeuert. Es scheint, dass der Flughafen und die dort stationierten Jets völlig zerstört wurden.
Die Amerikaner behaupten, die Russen seien über den bevorstehenden Angriff informiert worden. Man kann annehmen, dass dies tatsächlich kurz vor dem eigentlichen Angriff geschehen ist.
Verhaltene Wut in Moskau
Bis jetzt war die russische Reaktion sehr kühl und eher milde. Sie lautete, die amerikanische Aktion habe die russischen Beziehungen zu Amerika stark verschlechtert. Doch die Beobachter warnen. Sie sagen, Russland habe eine lange Tradition "horizontaler" Reaktionen. Das heisst, die Reaktion könne irgendwo anders als in Syrien erfolgen: Ukraine, Baltikum, oder wo immer Putin der Ansicht ist, dass er über die besten Karten gegenüber den USA oder gegenüber der Nato verfüge.
Die Reaktion Asads bestand zunächst darin, dass die amerikanische Aktion in ihrer Bedeutung heruntergespielt wurde. Durch den amerikanischen Angriff habe es lediglich sieben Tote gegeben. Dies war natürlich für die innere Front gesagt. Asad geht es zunächst darum, den Schaden so klein wie möglich zuhalten, den der amerikanische Angriff für die Moral und die Loyalität seiner Streitkräfte und der zu ihm haltenden Bevölkerungsteile Syriens hat.
Begrenzte Optionen Asads
Im Gegensatz zu Russland hat Asad kaum Vergeltungsmöglichkeiten gegenüber Amerika. Das einzige Angriffsziel, das er möglicherweise hätte, wären die Kampfflugzeuge der amerikanischen Koalition, die gegen den IS kämpfen, oder die relativ wenigen amerikanischen Spezialeinheiten, die an der Offensive gegen den IS in Raqqa beteiligt sind. Angriffe auf solche Ziele würden ohne Zweifel zu sofortigen amerikanischen Gegenschlägen auf syrische Ziele führen. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Asad dazu greifen wird. Was die teilweise pro-amerikanischen syrischen Rebellen angeht, so sind sie für Asad ohnehin Kriegsziele, wie sie es vor dem amerikanischen Eingriff auch waren.
Taktik oder Strategie?
Soweit die taktische Lage in Syrien, wie sie sich nach dem amerikanischen Eingriff darstellt. Grosso modo kaum eine Veränderung. Anders verhält es sich jedoch mit der Strategie.
Bisher hatten die Amerikaner sich unter Obama und noch mehr nach den Absichtserklärungen Trumps aus dem “syrischen Sumpf” heraus gehalten. In Syrien hatten sie sich auf den Kampf gegen den IS beschränkt. Der amerikanische Angriff könnte zum Anfang eines neuen strategischen Verhaltens Amerikas werden. Das wäre dann der Fall, wenn Trump – unberechenbar wie immer - jetzt darauf bestehen sollte, dass Asad gehen müsse und dafür weitere militärische und politische Schritte unternehmen sollte.
Wer bestimmt das Endspiel?
Man kann sagen, bisher hatten die Russen die Aufgabe übernommen, den Syrienkrieg in die Endphase zu führen und abzuschliessen. Nach russischer Absicht natürlich so, dass sie ihre Gewinne auf dem syrischen Kriesgschauplatz endgültig einstreichen könnten.
Mit der direkten amerikanischen Intervention besteht jetzt ganz neu die Möglichkeit, dass auch Amerika die Endphase zu bestimmen sucht, natürlich unter optimaler Wahrung der amerikanischen Interessen, wie immer Trump diese einschätzen mag.
Zur Zeit ist völlig offen, wie sich dies fortentwickelt. Trump muss entscheiden, ob er es bei einem einmaligen Angriff bewenden lässt. Falls ja, ändert sich nichts Grundlegendes an der syrischen Gleichung: Asad und Russland bleiben im Vorteil.
Falls sich jedoch der amerikanische Angriff als der erste unter weiteren Schritten erweisen sollte, würde sich der syrische Krieg grundlegend ändern. Dies natürlich im Sinne einer schärferen Konfrontation zwischen den beiden Supermächten, mit noch nicht absehbaren – jedoch möglicherweise höchst gefährlichen - Folgen. Damit wäre auch ein weiterer Bedeutungsverlust der lokalen Faktoren wie Asad und der syrischen Rebellen sowie der nahöstlichen Lokalmächte, die in Syrien mitwirken, Saudi Arabien und Golfstaaten, Iran, Hizbullah und die Türkei, verbunden.