Dieses überwiegend ländliche Gebiet mit ehemals 400’000 Bewohnern, direkt an die Stadt Damaskus angrenzend, hatte sich seit dem Beginn des bewaffneten Aufstandes, 2012, in Händen des Widerstands befunden. Von den beiden wichtigsten Widerstandsgruppen, die es bisher gehalten hatten, hat die eine, „Failaq al-Islam“ (Komet des Islams), mit Russland und mit Damaskus verhandelt und schliesslich einen Abzugsvertrag abgeschlossen, der anderen früheren Abkommen entspricht, welche Damaskus mit Widerstandsgruppen getroffen hat.
7000 Kämpfer nach Idlib transportiert
Die Evakuation der Kämpfer und ihrer Familien hat begonnen. Gegen 7000 von ihnen sind bereits nach Norden transportiert und über die Kampfesfront, die knapp südlich der Provinz Idlib verläuft, in die Provinz Idlib eingeschleust worden. Die Russen wirkten als Garanten der Operation. Eine Gesamtzahl von 30’000 Menschen soll nach den Aussagen des Sprechers von „Failaq al-Rahman“ evakuiert werden.
„Jaish ul-Islam“ kämpft noch weiter
Die andere Hauptgruppe des Widerstands in der Ghouta, „Jaish ul-Islam“, hat ebenfalls Verhandlungen aufgenommen. Sie wandte sich an die Russen in der Hoffnung, zu bewirken, dass ihre Kämpfer unter Abtretung ihrer schweren Waffen in der Ghouta verbleiben könnten, soweit sie sich dafür entschieden. Diese Variation von Kapitulation war in der Vergangenheit in gewissen Fällen von Damaskus angenommen worden, in denen den Regierungsunterhändlern besonders daran lag, die Kämpfe baldmöglichst zu Ende zu bringen. Doch die Russen weigerten sich, die Forderungen von Jaish ul-Islam in diesem Sinne zu unterstützen, und die Verhandlungen wurden abgebrochen.
„Jaish ul-Islam“ hat daraufhin seine Kämpfer aus den verbliebenen Restgebieten in der Ruinenstadt Douma zusammengezogen und erklärt, dort würden sie weiterkämpfen. Die Zeitungen von Damaskus schrieben am vergangenen Dienstag, die syrische Armee bereite eine „Grossoffensive“ vor, um den Kampf um die Ghouta zu Ende zu bringen.
Die Beobachter lasen dies als eine Drohung, die erwarten liess, dass zunächst die Luftoffensive gegen Douma wieder aufgenommen und verschärft werde, um einen darauf folgenden Landangriff vorzubereiten. Douma ist umzingelt und weiterhin von der Zufuhr von Lebensmitteln und Medikamenten sowie Wasser, Elektrizität und Gas abgeschnitten.
Wie weiter in der Ghouta?
Der Umstand, dass die Russen, ohne Zweifel im Einklang mit der Asad-Regierung, darauf bestehen, dass die Kämpfer die Ghouta räumen, wirft zwei Fragen auf: Was hat Damaskus in Bezug auf die Zukunft der Ghouta geplant ? Und: Was ist vorgesehen für die Idlib- Provinz, in der die weitaus grösste Zahl der über Jahre hinweg evakuierten Widerstandsgruppen und ihrer Familien konzentriert worden sind? Der Zwang sich evakuieren zu lassen, weist darauf hin, dass Damaskus gedenkt, seine ländliche Nachbarprovinz von Gruppen und Personen zu entvölkern, die als Gegner des Regimes eingestuft werden müssen. Was erwarten lässt, dass eine Art von ethnischer Säuberung stattfinden wird.
Der Endkampf wird in Idlib stattfinden
Die „Behandlung“ des letzten Schwerpunkts des Widerstandes in Idlib steht noch bevor. Zurzeit wird sie durch beständige Luftangriffe durch die syrische und die russische Luftwaffe vorbereitet. In Idlib kann die Regierung damit rechnen, dass die seit langem bestehenden Spannungen und gelegentlichen Zusammenstösse zwischen der HTS, der ehemaligen Nusra Front, und anderen Widerstandsgruppen weiter zunehmen, weil in Idlib die HTS dominiert, jedoch die anderen Gruppen durch die neu Evakuierten verstärkt werden, die alle nicht zu HTS gehören.
HTS wie auch IS sind von allen Verhandlungen mit den Russen oder mit Damasksus, und damit auch von den Evakuationsverträgen, ausgeschlossen.
Der IS im Verzweiflungskampf
Im äussersten Süden der Ostghouta gibt es ein kleines Gebiet, das der IS beherrscht. Es liegt östlich der Palästinenser-„Stadt“, meist ein „Lager“ genannt, von Yarmuk, die 2016 und 2017 umkämpft und zerstört wurde. Auf Grund der Verträge mit „Failaq ul-Rahman“ wollte die syrische Armee in die dem IS-Gebiet benachbarte Region, die von „Failaq“ gehalten wurde, einmarschieren. Doch der IS ging zur Offensive über und soll 36 syrische Soldaten getötet haben.
Dies wird natürlich die Gesamtlage in Syrien nicht verändern. Doch es zeigt, dass der IS weiterhin versucht, das Leben seiner Kämpfer so teuer wie möglich zu verkaufen. Was nicht erstaunlich ist, denn eine andere Wahl steht ihm gar nicht offen.