Mit dem Umbau des Hauptsitzes der Zurich Insurance Group in Zürich hat der Wiener Architekt Adolf Krischanitz eine komplexe städtebauliche Aufgabe gelöst. Der Bau ist zusammen mit weiteren in der Schweiz realisierten Arbeiten in einer neuen Monografie dokumentiert.
Der Titel der vom Quart-Verlag Luzern betreuten Monografie – «Architekt Krischanitz. Die Schweizer Projekte» – ist etwas irreführend, denn im Kern handelt es sich um eine Dokumentation über den vollendeten Umbau des Hauptsitzes der Zurich Versicherung, nun kartografiert als Quai Zurich Campus. Die Schweizer Projekte, insgesamt 39, von denen 16 auf je einer Doppelseite genauer beschrieben werden, sind im Anhang als Werkliste untergebracht.
Der Grundstein für die Zusammenarbeit mit dem Quart-Verlag wurde sehr früh gelegt, nämlich 1990 anlässlich einer kleinen Ausstellung in der Luzerner Architekturgalerie, die einen sorgfältig gestalteten und inzwischen begehrten Katalog herausgab. Verantwortlich für die gesamte Publikationsreihe der Galerie war Heinz Wirz, der neun Jahre später den Architekturverlag Quart gründete. Somit schuf die nun herausgegebene Monografie die Gelegenheit für einen Rückblick.
Das Projekt von Krischanitz in Zürich wurde 2012 nach einem international ausgeschriebenen Wettbewerb zur Ausführung bestimmt. Die Aufgabe war herausfordernd. Der schwülstige neubarocke Urbau von 1899/1901 stand unter Denkmalschutz, die vier Erweiterungen zwischen 1922 und 1954 hatten keine direkte Verbindung zum Kopfbau. Gefragt war eine harmonische Integration der neuen Flügel, somit eine überzeugende Vernetzung von Alt und Neu.
In einer gebauten Stadt wie Zürich kann ein Architekturbüro nicht mit der grossen Kelle anrichten, sondern man ist gezwungen, das Vorhandene wie das Umfeld genau zu analysieren und darauf mit behutsamen Lösungen zu reagieren. In der Monografie wird der Umbau samt Renovation der Altbauten dank dem verständlichen Kommentar von Roland Züger, den zahlreichen Fotos von Lukas Roth und den Plänen umfassend dokumentiert, auch wenn selbstverständlich erst eine Begehung vor Ort eine abschliessende Beurteilung erlaubt. Schade, dass weder eine Axonometrie noch eine Luftaufnahme vom Komplex eingefügt wurden, sodass man auf Google Earth angewiesen ist, um die Struktur zu lesen.
Krischanitz schuf im rückwärtigen Bereich einen U-förmigen Neubau, der so in die alte Substanz geschoben ist, dass dadurch drei Innenhöfe geschaffen wurden. Während die ganze Fassade zur Mythenstrasse unauffällig mit einem nüchternen Raster überzogen ist, löste Krischanitz die Stirn- und Seitenfassaden der Hofflügel in Glasflächen aus aufgefalteten Rhomben auf. Sie stehen für das Neue, ohne jedoch das Alte zu ersticken. Bei der Renovation der Altbauten wurde ein besonderes Augenmerk auf die Farbgebung und auf die Beleuchtungskörper gelegt, die ebenfalls von Krischanitz entwickelt wurden. In seinem Gesamtoeuvre spielen Designobjekte eine nicht unwichtige Rolle.
Thematisch geordnet werden einige Details näher betrachtet, etwa Fassadengestaltung, Ecksituation, Verbindung von Alt und Neu, wobei diesen Kapiteln Texte von Krischanitz selbst aus unterschiedlichen Quellen unterlegt sind. Leider sind seine Gedanken grösstenteils unverständlich und können höchstens als enigmatische Architekturpoesie durchgehen, zum Beispiel: «Die Unität von Sinn resultiert aus einer Differenz von Realität und Möglichkeit. Sinngesteuertes Handeln muss danach streben, die Realität zu überwinden, um weitere mögliche Potenziale zu erschliessen.» Oder: «Die Wahrnehmung als Resultierende einer dynamischen Aufmerksamkeit ist das Produkt einer ins richtige Verhältnis gesetzten Paarung von Redundanz und Varietät.»
Da ist man als Leser, als Leserin dankbar für die klaren Erörterungen von Hubertus Adam zu den Hauptwerken von Krischanitz und insbesondere zum Dialog von ihm mit Schweizer Kollegen, worunter Herzog & de Meuron herausragen. Mit ihnen arbeitete er bei der um 1990 errichteten und international stark zur Kenntnis genommenen Siedlung an der Pilotengasse in Wien zusammen.
Nach dem erwähnten Auftritt in der Luzerner Galerie gewann Krischanitz 2002 den Wettbewerb für die Erweiterung des Museums Rietberg in Zürich, wo er weitgehend unterirdisch angelegte Ausstellungssäle vorschlug, die vom Park aus nur mit einer minimalen Glasfront angezeigt werden. Die beiden anderen umgesetzten Grossprojekte auf Schweizer Boden sind das Laborgebäude (2003/08) auf dem Campus Novartis in Basel, dessen aufgefaltete Glasfassaden die Lösung des Zürcher Versicherungsgebäudes vorwegnehmen, sowie der sogenannte Superblock in Winterthur (2005/15), bei dem an eine ehemalige Industriehalle neue Trakte angedockt wurden, die eine erstaunliche Freifläche für die verschiedensten Aktivitäten umrahmen.
Krischanitz sah sich in Österreich mit architektonischen Richtungen konfrontiert, die zwischen Postmoderne und Dekonstruktivismus lavierten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem die Werke von Hans Hollein und Coop Himmelb(l)au. Seine Position unterscheidet sich jedoch deutlich von den formal aufgeladenen Entwürfen dieser Ateliers, ohne aber dem Minimalismus zu frönen. Vermutlich ist diese Haltung für Baubehörden, deren Immobilien mit Geschichte beladen sind, attraktiv, können sie doch damit rechnen, dass die Eingriffe von der Gegenwart zeugen, dass aber das Alte gleichzeitig gewürdigt wird.
Die neue Monografie, die wie die anderen Publikationen des Quart-Verlages gepflegt und zurückhaltend gestaltet ist, bezeugt Krischanitz’ Meisterschaft im Umgang mit bestehender Bausubstanz.
Roger Huwyler/Anne-Marie Kristokat (Hrsg.): Architekt Krischanitz. Die Schweizer Projekte. Mit Fotografien von Lukas Roth, Quart Verlag Luzern 2024
Fotos © Fabrizio Brentini