Das DDR Museum in Berlin widmet eine Dauerausstellung dem Alltag in der DDR, wie er sich in den Gebrauchsgegenständen gezeigt hat. Die Faszination liegt darin, dass neben Mangel und Mängeln ein besonderer Stil zum Ausdruck kommt. Der kann erheitern, aber auch Nostalgie auslösen.
Der Begleitband ist ein vorzüglich gestaltetes eigenständiges Buch. Die Texte haben einen leicht ironischen Ton, ohne herablassend zu sein. Neben den Bildern vermitteln sie das damalige Lebensgefühl. So heisst es in dem Kapitel über den «Einkauf»:
Jäger und Sammler
Der «pfiffige DDR-Bürger» habe stets einen Einkaufsbeutel mit sich geführt. «Diese praktischen Tragetaschen aus der wasserdichten Kunstfaser Dederon liessen sich zusammenfalten und durch einen Druckknopf auf Taschenformat zusammenpressen.» Heute würde man sagen, dass diese Einkaufsbeutel zum Lifestyle gehörten, denn: «Die DDR-Bürger waren ein Volk der Jäger und Sammler, immer auf der Pirsch.» Und dann folgen Schilderungen, wie jedes einzelne Stück in den Läden von «Mutti» genau geprüft wurde, etwa das Bier für «Vati»: Sie hob Flasche für Flasche gegen das Licht, um zu prüfen, ob es darin unliebsame Gersten- oder Malzrückstände gab.
Manche Lebensmittel sind in gewisser Weise zu Markenzeichen der DDR geworden, etwa die «Tempo-Gerichte»: Linsen, Erbsen und Bohnen wurden so behandelt, dass sie sich sehr schnell zubereiten liessen. Der Erfinder dieses Verfahrens, der «Lebensmitteltechnologe» Peter Kretschmer, erklärte in Bezug auf die Erbsen: «Zugegeben, das geschlossene runde Aussehen der Erbse ist verloren gegangen. Sie ist aufgeplatzt. Doch sobald die Erbse in kochendes Wasser kommt, nimmt sie ihre alte Form wieder an.» Und der Nährwert soll sogar um 15 Prozent höher gewesen sein als bei unbehandelten Erbsen.
«Kunsthonig Elbdom»
Ein anderes Produkt, das es im Westen wohl nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit gegeben hat, ist der Kunsthonig. Im Begleittext zum «Kunsthonig Elbdom» heisst es: «Rein chemisch handelt es sich um eine konzentrierte Zuckerlösung, die auf 90 Grad erhitzt und dann mit Säure versetzt wird, wobei Glukose und Fruktose entstehen. Mit einem Wasseranteil von 20 Prozent und etwas Aroma, vielleicht sogar mit einem Anteil echtem Honig, entsteht eine dickflüssige Masse, die mit ein bisschen gutem Willen im Geschmack an Honig erinnert.» Ganz Pfiffige sollen den Kunsthonig sogar in Heimarbeit hergestellt haben.
Das Waschen
Das Thema Waschen lenkt den Blick nicht nur auf Waschmittel, sondern auch darauf, wie bei vielen Paaren der Haushalt organisiert war. Gut lässt sich das an der Werbung für das Waschmittel «Fewa» beobachten. Zunächst einmal ist die Figur auf der Schachtel zu beachten. Es handelt sich dabei um die Waschfrau «Johanna», die übrigens keine Erfindung der DDR-Werbung war. Werber sind schon in der Vorkriegszeit auf diese Figur gekommen und sie wurde auch in der Bundesrepublik verwendet. In der DDR wiederum stand sie als Püppchen in Drogerien.
Nun haben sich die Werber für «Fewa» folgende Geschichte ausgedacht: In der Sendung «Tausend Tele-Tips» steht ein Mann in weissem Hemd in einem Badezimmer und sortiert Wäsche. Er blickt auf die Werbefigur Johanna und sagt: «Heimarbeit ist Ehrensache. Doch so ganz ohne Frauen geht’s ja doch nicht.» Die Ehefrau kommt ins Badezimmer, küsst ihren Mann und sagt: «Mein Mann und Fewa-flüssig, die beiden sind Gold wert.»
Schrankwände
In beiden Teilen Deutschlands wurden Schrankwände zunehmend beliebter. In der DDR allerdings war der Weg zur eigenen Schrankwand lang und beschwerlich. Das Thema der Möbelherstellung war lange Zeit vernachlässigt worden. Erst 1971, als Erich Honecker zum neuen Mann an der Spitze der DDR wurde, beschloss der 8. Parteitag der SED, die Produktion von Konsumgütern auszuweiten. Dazu gehörten auch Möbel. Dafür wurde das Programm «Carat» im «Möbelkombinat Berlin-Karlshorst» aufgelegt. Es handelte sich um ein Baukastensystem mit verschiedenen Elementen. Die Masse der Elemente orientierten sich an den einheitlichen Grundrissen der Plattenbauten. So kam es, dass die Wohnungen «sehr uniform aussahen».
Die Tageszeitungen wiederum enthielten zahlreiche Kauf- und Verkaufsanzeigen von Elementen der Carat-Möbel. Denn es gab nur 18 zentrale Verkaufseinrichtungen, und die Lieferzeiten waren sehr lang. Und manche Teile waren über längere Zeit gar nicht zu haben.
Überhaupt wirkten insbesondere technische Produkte aus der DDR in westlichen Augen qualitativ unterlegen. Aber sie hatten einen unbestreitbaren Vorteil: Sie liessen sich reparieren. Der Westen hatte sich früh und im Laufe der Zeit mehr und mehr darauf eingestellt, technische Geräte eher auszutauschen, weil das Neue ja sowieso als besser galt. Erst jetzt erlässt die EU-Kommission Verordnungen, die die Reparierbarkeit zwingend vorschreiben.
Eine qualitative Besonderheit war die Kamera «Praktica». Sie wurde vom Kamerawerk «Pentacon» zwischen 1949 und 1990 in immer neuen Varianten produziert. 60 Prozent der Produktion ging in den Export. So war die Praktica auch in der Bundesrepublik sehr beliebt. Denn sie war vergleichsweise preisgünstig, jedenfalls wesentlich günstiger als die traditionellen Marken wie Leica, Rollei, Voigtländer oder Contax. Und die technische Qualität war ausgezeichnet. Erst die Japaner änderten die Situation. Deren Verwendung elektronischer Bauteile war technisch wesentlich fortschrittlicher und erlaubte ihnen, die Kameras preisgünstig auf den Markt zu bringen.
DDR Alltag in 200 Objekten. Aus der Sammlung des DDR Museum, hg. von Quirin Graf Adelmann, Gordon Freiherr von Godin und Dr. Stefan Wolle, 256 Seiten, etwa 200 Abbildungen von Objekten, 20 Euro. Beziehbar über den Verlag des DDR Museums