«Super-Mario» Draghi, der Präsident der EZB, gibt alles. Genauer: Er senkte den Leitzins, von dem das gesamte Zinsniveau abhängt, auf 0,05 Prozent. Zudem stellte er Hilfsprogramme in einem Volumen von bis zu einer Billion (1000 Milliarden) Euro in Aussicht. Nun wird aber endlich alles gut. Oder nicht?
Wo steckt das Gratis-Geld?
Wenn eine Notenbank Geld wie Heu herstellt und es gratis abgibt, dann sollten nach der Finanzlehre zwei Dinge passieren. Die Investitionen gehen steil nach oben, ebenso die Inflation. Nun ist aber beides nicht geschehen, als der Leitzins noch auf turmhohen 0,15 Prozent lag. Oder ohne Ironie formuliert das Geld bereits gratis war und grenzenlos zur Verfügung stand.
Offensichtlich kommt das Gratis-Geld nicht in der wertschöpfenden Realwirtschaft an, sondern bleibt in den aufgeblasenen Bilanzen von europäischen Zombiebanken stecken. Es gibt keine andere logische Erklärung für das Ausbleiben von Konjunktur und Inflation. Da nützt dann eine kosmetische weitere Senkung genau nichts.
EZB als Bad Bank
Vor inzwischen mehr als zwei Jahren, im Juli 2012, setzte die EZB die fundamentale Funktion des Zinssatzes als Risikoprämie bei Staatsschuldpapieren ausser Kraft. Draghi hatte angekündigt, dass die Notenbank im Notfall «unbegrenzt» solche Schuldpapiere aufkaufen würde. Daraus folgte, dass kleine Pleitestaate wie Griechenland oder Portugal, aber auch grosse wie Spanien, Italien und Frankreich, sich weiterhin zu absurd niedrigen Zinsen verschulden konnten.
Selbst wenn man unterstellt, dass diese Politik «alternativlos» sei, weil sonst Staatsbankrotte und Weltuntergang drohten, beinhaltet sie einen systemischen Fehler. Diese Staaten haben sich, aus teilweise verschiedenen Gründen, in eine Strukturkrise hineinmanövriert. Und dabei Staatsschulden angehäuft, die schlichtweg unbezahlbar und daher nur mit einem Schuldenschnitt, allenfalls Staatsbankrott und Neustart, zu bewältigen sind.
Diese Schulden entstanden durch Fehlallokationen von Krediten, die schon seit Anfang der Jahrtausendwende, angestossen durch die kriminelle Politik von Alan Greenspan, des damaligen Chefs der US-Notenbank FED, zum Usus wurden. Was Fehlallokation bedeutet, illustriert die neuste Titelgeschichte des «Spiegel», obwohl diese Zahlen längst bekannt sind. Alleine in Deutschland kann man von einer Investitionslücke von einer runden Billion Euro sprechen.
Der Staat versagt
Seine vornehmste Aufgabe besteht darin, grundlegende Strukturen zur Verfügung zu stellen. Also Transportwege, Ordnungssystem inklusive Rechtssicherheit, medizinische Versorgung, Bildung und Forschung, Standortförderung, sozialer Ausgleich. Also alles, was zu den Rahmenbedingungen einer prosperierenden Volkswirtschaft gehört. Das funktioniert nicht einmal mehr im europäischen Vorzeigestaat Deutschland, wie das seriöse Deutsche Institut für Wirtschaft (DIW) schon 2013 vorrechnete.
Da ein immer grösserer Teil des Staatshaushalts, nicht nur in Deutschland und trotz lachhaften Zinsen, von Schuldendiensten blockiert ist, hilft auch keine weitere Überschwemmung mit neuem Gratisgeld. Genauso wenig, wie ein Heroinabhängiger durch die Überschwemmung mit Gratisheroin von der Nadel wegkommt.
Schamlos
Dass die letztlich staatlich kontrollierte einzige Bank in einem Währungsraum, die über das Privileg verfügt, Neugeld herzustellen und zu bestimmen, was es kostet, nicht zum grössten Gläubiger des Staates werden darf, versteht sich von selbst. Denn ist sie es einmal geworden, ist damit ein Verbot gefallen, das eigentlich mit der Todesstrafe bewehrt sein sollte. Der Staat kann sich ungehemmt mit Gratisgeld bedienen und es vermeintlich zinsfrei ausgeben.
Vermeintlich deswegen, weil das Geld in Wirklichkeit nicht gratis ist, sondern früher oder später wertlos wird, weil ihm kein Gegenwert an entsprechender Wertschöpfung entgegensteht. Null Zinsen bedeutet nichts anderes, als Zeit schinden, eine Explosion von morgen auf übermorgen vertagen. Aber je mehr Sprengkraft dadurch akkumuliert wird, desto gewaltiger wird die Explosion. Eine solche Politik ist schamlos.
Und die ABS
Weil es selbst Draghi bewusst ist, dass eine Leitzinssenkung von 0,15 auf 0,05 Prozent höchstens kosmetische Bedeutung hat, kündigte er gleichzeitig ein neues Hilfsprogramm an. Dazu gehört der Aufkauf von Staatsschuldpapieren und Finanzspritzen für Banken. Inzwischen auch nichts Neues mehr. Aber obendrauf sollen auch Asset Backed Securities (ABS) aufgekauft werden, also verbriefte und somit handelbar gemachte Schuldpapiere, die durch einen Bestand an Forderungen gedeckt sein sollten.
Was ist davon zu halten? Es genügt wohl der Hinweis, dass dazu unter anderem Mortgage Backed Securities (MBS) und jede Spielart von Collateralised Dept Obligations (CDO) gehören. Also der ganze Derivatezoo, der in Form von finanziellen Massenvernichtungswaffen die Finanzkrise eins auslöste. Damit wird nun endgültig der Bock zum Gärtner gemacht. Statt die Hersteller dieser Giftpapiere die Zeche zahlen zu lassen, übernimmt nun die staatliche Notenbank ihre Garantie. Inklusive Folgen und Nebenwirkungen.
Nur wenn Staaten ihre Hausaufgaben machen würden und dringend nötige strukturelle Investitionen an die Hand nähmen, dazu längst überfällige Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt und bei wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, könnten neue Schulden Sinn machen. Aber Geld umsonst und ohne Bedingungen unter die Staaten (und in die Banken) zu bringen, das ist nicht mal grobfahrlässig. Das ist absoluter Unfug.