Die Einstellung der Kämpfe soll eine dringend notwendige humanitäre Hilfe für die Bewohner des Gazastreifens ermöglichen. Die erste Reaktion Israels und der Hamas-Führung war eine neue Drehung der Gewaltspirale.
Der Beschluss des Weltsicherheitsrats sieht bei Nichtbefolgung keine Druckmittel vor. Er hat nicht die Qualität einer rechtsverbindlichen Resolution, sondern ist bloss eine von allen Mitgliedern getragene Erklärung des Ratsvorsitzenden. Diesen Posten füllt diesen Monat der Botschafter Ruandas aus. Der Text der Erklärung wurde vom Vertreter Jordaniens in Konsultation mit den anderen Ratsmitgliedern zu Papier gebracht.
An das Blutvergiessen gewöhnt
Papier ist bekanntlich geduldig. Der Uno-Sicherheitsrat hat im Laufe der Jahrzehnte viele Erklärungen verabschiedet, die tote Buchstaben blieben. Selbst Resolutionen, wie jene mit der Nummer 242, die Israel zum Rückzug aus den im Sechstagekrieg von 1967 eroberten Gebieten auffordert, wurden ignoriert.
Die Weltöffentlichkeit hat sich an das ständige Blutvergiessen im Nahen Osten gewöhnt wie an unvermeidliche Naturkatastrophen. Auch angesichts des jüngsten Waffengangs hält sich die internationale Empörung in Grenzen. Ein paar tausend pro-palästinensische Demonstranten in Paris, London und anderen Grossstätten werden wenig ausrichten. In Israel lehnen laut einer Umfrage der „Jerusalem Post“ 86,5 Prozent der jüdischen Israelis einen Waffenstillstand mit der Hamas-Bewegung ab. Die überwältigende Mehrheit hofft, diesmal den Gegner entscheidend zu schlagen.
Fanatiker auf beiden Seiten
So läuft es im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina seit der Gründung Israels 1948. Dieser Kampf um ein winziges Stück Land mit seinen Fanatikern auf beiden Seiten stört aber zunehmend die Kreise der Grossmächte und anderer Staaten, die zwischen die Mühlsteine zu geraten drohen. Der ursprünglich lokale Palästinakonflikt hat sich zur „Mutter aller Konflikte“ hochgeschaukelt. Er beherrscht die Aussenpolitik der USA, den Atomstreit mit Iran, die regionalen Auseinandersetzungen um Öl und Wasser und trug wesentlich zum Einmarsch der US-Truppen 2003 im Irak bei. Die damalige israelische Regierung und ihre Gefährten in Washington rührten eifrig die Trommeln für den Krieg gegen Saddam Hussein, der die Palästinenser unterstützte. Seither haben sich die Metastasen des Geschwürs weiter ausgebreitet.
Die vom Weltsicherheitsrat einstimmig angenommene Erklärung ist daher nicht bloss eine humanitäre Geste gegenüber den Opfern des neuen Gazakriegs, sondern vor allem ein Zeichen des Überdrusses. Viele Regierungen wollen die Agenda ihrer Aussenpolitik nicht mehr vom israelisch-palästinensischen Konflikt bestimmen lassen. Sie wollen nicht länger wählen müssen zwischen ihrer Treue zu Israel und dem Überlebensanspruch der Palästinenser. Dieser Wandel ist auch in Washington sichtbar. Nicht umsonst hasst der israelische Premier Benjamin Netanjahu den US-Präsidenten Barack Obama und versuchen die ultranationalistischen Kreise den rührigen US-Aussenminister John Kerry als einen gefährlichen Stümper hinzustellen.
Schützende Hand über Israel
Die Erklärung des Weltsicherheitsrats fordert Israel und Hamas auf, „einen humanitären Waffenstillstand anzunehmen und voll zu respektieren“. In der Folge sollen beide Seiten „Bemühungen einleiten, um eine dauerhafte Waffenruhe zu erreichen“. Nach aktueller Zählung haben die Kämpfe unter den Einwohnern des Gazastreifens bisher 1'110 Todesopfer gefordert, mehrheitlich Zivilisten. Gleichzeitig haben 53 israelische Soldaten und drei Zivilisten das Leben verloren. Die Sachschäden sind nicht abzuschätzen.
Die USA, Russland und die Westeuropäer demonstrieren in dieser Frage Einigkeit. Selbst den bislang unbeteiligten Chinesen wird nachgesagt, sich hinter den Kulissen um eine diplomatische Lösung der Dauerkrise im Nahen Osten zu bemühen, die ihren Handel beeinträchtigt. Zu einer Resolution mit Zwangsmassnahmen wird es aber nicht so bald kommen. Noch hält Washington seine schützende Hand über Israel.