Alle Jahre wieder, wenn der Samichlaus erscheint und die Weihnachtsbeleuchtungen eingeschaltet werden, gibt es im laizistischen Frankreich ein bisschen Streit. Darf ein Krippenspiel auf öffentlichem Grund aufgestellt werden, ein Weihnachtsbaum in einem öffentlichen Gebäude strahlen, ein Samichlaus einen (staatlichen) Kindergarten besuchen? Nein, natürlich nicht, sagen die strengen Laizisten mit Verweis auf das Gesetz von 1905 und die Verfassung von 1946. Doch, sagen Parteigänger der Rechten, es handelt sich um kulturelle Tradition, nicht um religiöse Manifestationen. Und was ist mit dem Sonntag, dem Tag des Herrn, wo doch die Juden den Samstag feiern und die Muslime den Freitag?
Umgekehrt ist die Feier zum Ende des Fastenmonats Ramadan längst ein öffentliches Ereignis geworden: Das Fernsehen berichtet, der Premierminister gratuliert, das Pariser Stadthaus veranstaltet einen Empfang. Der Islam ist nach dem Katholizismus die zweite Religion in Frankreich, vor dem Protestantismus und Judaismus.
Es gibt mehrheitlich muslimische Klassen, in denen ein Samichlaus in der Tat eine komische Figur machen würde. Es gibt muslimische Eltern, die ihre Mädchen nicht am gemeinsamen Sport- oder Schwimmunterricht mit Knaben teilnehmen lassen. Es gibt immer mehr Forderungen nach Halal-Menus in den Schulkantinen, die meist ohnehin schon Alternativmenus anbieten. Eine Hamburger-Kette hat jetzt übrigens zum Schrecken der Tierschützerin Brigitte Bardot ganz auf Halal umgestellt: keine Glaubensfrage, sondern 30 Prozent mehr Umsatz. Es gibt dagegen eher wenige Verstösse gegen das Verbot des Vollschleiers, das 2010 erlassen wurde; es sind etwa 300 bis 400 im Jahr (oft mehrmals von den gleichen).
Der französische Islam ist an sich gemässigt, weil von längst französisierten Nordafrikanern praktiziert und zu einem guten Teil vom Königreich Marokko patronisiert. Aber ausländische Einflüsse nehmen zu, wie die Terrorakte von 2014 und 2015 schrecklich gezeigt haben. Die französische Laizität beinhaltet Wichtiges für den nationalen Zusammenhalt: verfassungsrechtlich die strikte -– fast strikte – Trennung von Staat und Kirche, historisch damals der katholischen. Das ist mentalitätsmässig in Frankreich – dank dem kurzen Papsttum in Avignon die "älteste Tochter der Kirche" – seit der Aufklärung eigentlich weitgehend, aber nicht vollständig akzeptiert.
Zur Laizität gehören aber auch die staatlichen Garantien für Religionsfreiheit. Der Innenminister ist auch Religionsminister, für alle Religionen, die aber seit Anfang des Jahrhunderts zur Privatangelegenheit geworden sind. Also ohne Einfluss und Druck auf Staat oder Regierung, aber das ist, da es sich um Religionen (praktisch alles monotheistische Söhne Abrahams) handelt, ein frommer Wunsch. Die Sozialisten waren als historisch radikale Laizisten nicht die konsequentesten Religionswächter, seltsamerweise.