Im Zentrum steht nun der Kampf um Aleppo. Die Syrer und die Russen haben ihre Bombardierungen der von den Rebellen gehaltenen Teile der Grossstadt in noch nie gesehenem Masse verstärkt.
Syrische und russische Bomben auf Spitäler und Schulen
Sie schrecken nicht davor zurück, Spitäler und zivile Wohnquartiere mit Bomben allen Formats anzugreifen. Das letzte grössere Spital in den Ostgebieten der Stadt, das unter der Bezeichnung M 10 in Betrieb war, ist durch drei aufeinander folgende Luftangriffe völlig unbrauchbar gemacht worden.
Es gibt noch "Untergrundschulen" in Aleppo, meist in Kellergewölben, und etwa 6 Prozent der schulpflichtigen Kinder besuchen sie noch. Doch die Russen und Syrier setzen unter anderem auch Bomben ein, die tief unter der Erde explodieren, sogenannte "bunker busters", so dass auch die Untergrundschulen nicht mehr sicher sind.
Spaltung des rebellischen Territoriums
Die Truppen Asads stossen in kleinen Schritten in drei Angriffskolonnen in die östliche von den Rebellen gehaltene Stadthälfte vor: im Norden, im Süden und im Zentrum. Dabei scheint die Absicht zu sein, die Verteidiger im Norden und im Süden zu beschäftigen, aber im Zentrum die östliche Stadthälfte vom Osten nach Westen zu durchstossen, sodass das Terrain des Widerstands in zwei getrennte Stücke gespalten wird.
Berichte sprechen davon, dass gegen 10 000 Mann der pro-Asad Kräfte um die Oststadt herum massiert seien in Erwartung eines Befehls des massiven Einsatzes. Vorläufig gibt es Strassenkämpfe, wobei die angreifenden Regierungstruppen darauf aus sind, die verbleibenden hohen Gebäude in Besitz zu nehmen, um von ihnen aus die umliegenden Strassen unter Beobachtung und Feuer zu halten.
Belagerung statt Sturm
Man hat anzunehmen, dass das Asad Regime auch in Aleppo ähnliche Methoden verwenden wird, wie es sie in anderen urbanen Kämpfen praktizierte. Weil die verbliebenen regulären Truppen Asads knapp sind, hat das Regime bis jetzt Städte und Stadtteile, die von den Kämpfern des Widerstandes gehalten wurden, eher belagert als gestürmt. Sie wurden umzingelt, Wasser und Elektrizität abgeschnitten, sowie nach Möglichkeit alle Zufuhr an Nahrung und Munition, und sie wurden dann mit Artillerie und Bomben angegriffen. Die Belagerungen etwa in Homs und in den Vorstädten von Damaskus konnten monate- und jahrelang dauern. Schliesslich zwang der Hunger, mehr als die Verluste in den Kämpfen, die Quartiere und Städte zur Kapitulation.
Die helfende Hand Russlands und schiitischer Milizen
In Aleppo wird nun die gleiche Taktik befolgt, nur dass der Druck durch Bomben dank der russischen Beteiligung erhöht wurde und dass offenbar neben den regulären Truppen Asads schiitische Hilfstruppen unterschiedlicher Herkunft zur Beschleunigung des erwarteten Zusammenbruches in Ost-Aleppo eingesetzt werden. Dies sind in erster Linie die libanesischen Hizbullah-Milizen, die über grosse Erfahrung in Strassenkämpfen verfügen.
Doch gibt es auch Einheiten schiitischer Freiwilliger aus Iran, aus dem Irak und sogar afghanische Hazara-Schiiten, die in Iran unter den Massen afghanischer Flüchtlinge rekrutiert und zum Dienst in Syrien motiviert werden.
Amerikanische Durchhalteparolen
Amerikanische Militärsprecher behaupteten: "Wir werden es nicht zulassen, dass Aleppo fällt!" Anonyme Offiziere deuteten an, dass die USA nun das Verbot, die sogenannten "manpads" an den syrischen Widerstand zu liefern, fallen gelassen habe. Dies sind die von einer Person tragbaren Luftabwehrraketen, die in Afghanistan vor gut 35 Jahren die Entscheidung zu Gunsten der Jihad-Kämpfer und gegen die russische Armee gebracht hatten.
Die "man pads", seither natürlich in modernisierten Versionen, sind wirksam gegen Kampfhelikopter und andere tief fliegende Kriegsflugzeuge. Sie können jedoch den modernen Bombern und Kampfflugzeugen der Russen und der Syrer, solange sie hoch fliegen, wenig anhaben. In der Tat sprach der amerikanische anonyme Gewährsmann davon, dass "demnächst die Helikopter über Aleppo vom Himmel niederfallen" würden. Er fügte hinzu, es gebe immer noch Wege, auf denen die "man pads" nach Aleppo gelangen könnten, "aus Jordanien oder aus der Türkei".
Zu spät für die "man pads"
Dies muss als Propaganda aufgenommen werden. Die Wege aus der Türkei sind schwierig und gefährlich geworden. Ausserdem befinden sie sich, wo sie noch offen sind, weitgehend oder vollständig in der Hand, der Ex-Nusra-Front-Kämpfer. Diese könnten daher leicht in die Lage kommen, sich der "man pads", die diesen Weg einschlagen, zu bemächtigen.
Der Weg aus Jordanien würde durch ganz Syrien hindurch von Süden nach Norden führen durch die Herrschaftsgebiete einer Unzahl von Widerstandsgruppen, der syrischen Regierung, des IS und der Ex-Nusra- Front, bevor er Aleppo erreicht. Dass die von allen Seiten begehrten "man pads" diesen Weg ohne Hindernisse durchqueren könnten, ist höchst unwahrscheinlich.
Wahrscheinlich ist es in Wirklichkeit für die "man pads" zu spät, falls sie nun wirklich von den USA für den Gebrauch in Syrien freigegeben wurden. Ausserdem ist nicht erwiesen, dass sie heute noch gleichermassen kriegsentscheidend wirken können, wie dies zwischen 1978 und 1980 in Afghanistan gegen den damaligen sowjetischen Eingriff der Fall war.
Zusätzliches russisches Raketen-Abwehrsystem
Die russischen Militärs erklärten offen, ihre Seite habe nun ein zweites Radar-basiertes Raketen-Abwehrsystem nach Syrien gebracht. Es handelt sich um das System S 300. Das modernere, S 400, ist bereits in Syrien zum Schutz der russischen Luftbasis von Hneimen, nah bei Lattakiya, installiert. S 300 ist beweglicher. Es soll zunächst zur Absicherung der Stadt Lattakiya und ihrer Umgebung dienen. Das ganze System kann auf Lastwagen und Raupenfahrzeugen transportiert werden und wäre daher überall in Syrien einsetzbar, wo es notwendig würde.
Die einzigen Kriegsflugzeuge im syrischen Raum, die den Russen gefährlich werden könnten, sind jene der amerikanischen Koalition gegen den IS und gegen die Ex-Nusra-Front. Deshalb ist die Einführung dieses Abwehrsystems ein klares Zeichen an die USA. Es besagt: "Falls ihr je versuchen solltet, gegen die russische oder die syrische Luftwaffe in Syrien aktiv zu werden, habt ihr mit aktiver und wirksamer Gegenkriegsführung durch Russland zu rechnen. Die Waffen dafür stehen bereit!"
Diese Defensivdrohung kann auch als eine Antwort auf den Luftangriff der amerikanischen Koalition auf syrische Truppen bei Deir az-Zor vom 18. September gesehen werden. Die Amerikaner sagten damals, es habe sich um einen Irrtum ihrerseits gehandelt. Doch die Russen glaubten dies nicht.
Keine Rücksicht auf humanitäre Kritik
Die Einführung des S 300 Systems bewirkt eine Verhärtung der Abwehrschale der russischen Präsenz in Syrien. Sie besagt: "Wir sind da, und wir lassen uns nicht vertreiben. Im Gegenteil wir sind bereit, eure Flugzeuge abzuschiessen!" Diese verhärtete Schale dient auch dazu, die Aleppo-Operation, so wie sie zurzeit vorangetrieben wird, abzuschirmen und sie aller humanitären Kritik zum Trotz weiterzuführen. Diese gemeinsame Operation der Syrer und der Russen wird höchstwahrscheinlich andauern ohne effektive Gegenmassnamen von Seiten der europäischen und amerikanischen "Freunde Syriens", bis sie ihr bitteres Ende erreicht.