Die ersten, die ihm gratulierten, waren die Französin Marine Le Pen, der Niederländer Geert Wilders und der Pole Mateusz Morawiecki. Auch der Italiener Matteo Salvini und der Österreicher Heinz-Christian Strache werden sich in ihrer populistischen Politik bestätigt fühlen.
Ist der unerwartet hohe Wahlsieg des Rechtspopulisten Viktor Orbán ein Indiz dafür, dass der Rechtspopulismus in Europa an Einfluss gewinnt?
In keinem europäischen Land hat ein Rechtspopulist fast 50 Prozent der Stimmen erhalten. Im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren hat er noch um 3,5 Prozent zugelegt. Dass dieser erstaunliche Sieg den populistischen Parteien in Europa Auftrieb gibt, ist nicht auszuschliessen.
Man kann den Sieg nun herunterspielen und sagen, Ungarn ist nicht Europa. Zudem sei vor Pauschalaussagen gewarnt. In Frankreich, den Niederlanden und Polen schwächeln die Rechtspopulisten und zeigen Ermüdungserscheinungen.
Dennoch ist Orbáns Sieg ein schwerer Schlag für das freie Europa. Seine fast 50 Prozent werden ihn ermuntern, auf seinem Weg zur „illiberalen Demokratie“ einen Gang höher zu schalten. Er wird die Medien jetzt noch mehr kontrollieren, die Justiz weiter an die Kandare nehmen, vermehrt gegen Migranten und die Uno hetzen und die Verfassung weiter nach seinem Gusto umbauen. Auch antisemitische Töne wird man wohl weiterhin ab und zu hören.
Vor allem aber wird Orbán der EU vermehrt die Zähne zeigen. Seit jeher provoziert er Brüssel, bricht das EU-Recht en masse und führt sich auf wie ein Alleinherrscher. Und Brüssel reagiert hilflos. Will man Ungarn aus der EU hinauswerfen? Soll dem Land das Stimmrecht im Ministerrat entzogen werden? Sollen Sanktionen ergriffen werden? Orbán weiss, dass bei den andern Mitgliedsländern der politische Wille dazu kaum vorhanden ist. Die EU steht vor wichtigen Entscheidungen. Es geht um EU-Reformen und die langfristige Finanzplanung. Diese Entscheide müssen einstimmig gefällt werden. Die Union steht jetzt vor einer Zerreissprobe. Einige EU-Schwergewichte versuchen, Orbán zu besänftigen, ihn einzubinden, ihn zu umgarnen und zu umarmen. Sie rechnen ihm vor, dass der wirtschaftliche Aufschwung in Ungarn nur dank der EU möglich wurde. Orbán lacht nur.
Der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören unter anderem die CDU/CSU, die ÖVP, die schweizerische CVP und der ungarische Fidesz an. EVP-Mitglieder des Europäischen Rates sind, neben anderen, Angela Merkel und Viktor Orbán. Bereits wird verlangt, dass Merkel Druck auf Orbán ausüben soll, um ihn zu besänftigen. Das wird ihn wohl nach seinem grossen Sieg unbeeindruckt lassen.
Die Gefahr besteht, dass Orbán die EU vermehrt vor sich hintreibt. Er beschädigt die europäische Idee mehr und mehr und höhlt sie zunehmend aus. Wird er dafür in Europa immer mehr Anhänger und Nachahmer finden?