Der frühere Ministerpräsident wird demnächst seine neunmonatige Strafe antreten: Sozialdienst oder Hausarrest. Der 77-Jährige ist ausser sich. Er kann nicht verstehen, was ihm geschieht. „La legge è uguale per tutti“ – das Gesetz ist für alle gleich. Er kann nicht begreifen, dass das auch für ihn gilt. Anders ist nicht zu erklären, dass er letzte Woche davon ausging, der Staatspräsident würde ihn begnadigen. Gnade forderte er auch, fast ultimativ, von Premierminister Renzi. Aber – nix Gnade.
Das Tragische ist: Berlusconi glaubt wirklich, er stehe über dem Gesetz, über dem Staat, über den Richtern und ihren Urteilen. Wer den Schuldspruch des höchsten italienischen Gerichts als „Staatsstreich“ bezeichnet, hält wenig von den Institutionen. Er glaubt, für Italien so viel getan zu haben, dass man ihm nur dankbar sein müsse: dass ihm eine Sonderbehandlung zustehe.
Er hatte Erfolg wie kaum jemand in Italien: Kein Populist der letzten Jahrzehnte war so gerissen wie er. Er spielte mit Politikern und den Medien, mit schönen Frauen und der Mafia. Er, der Multi-Milliardär, charmant und schlau - immer schwang er oben auf und immer trickste er sie alle aus. Und er bekam, was er wollte. Vielleicht verliert jemand, dem der Erfolg nur so zufliegt, den Boden unter den Füssen, wird weltfremd, entrückt. In seinem tiefsten Innern ist er überzeugt, dass ihm keine Strafe gebühre, sondern ein Lorbeerkranz. Wer sich jahrzehntelang einredet, der Grösste zu sein, hat Mühe, in die Niederungen der Wirklichkeit hinabzusteigen. Vor Jahren sagte er einmal: „Ich bin wie Napoleon, nur grösser“. Was damals als Witz galt, kriegt heute eine tragische Note: Er glaubt es wirklich.