Der Vorwurf: Die Credit Suisse verrechnete der Zürcher Pensionskasse BVG im Aktienhandel falsche Kurse. Aufgedeckt wurde dieser Skandal durch die Untersuchung von BVG-Geschäften, da die BVG selbst in kriminelle Handlungen verwickelt ist. Wie der «Tages-Anzeiger» enthüllt, wurden bei Verkäufen zu niedrige und bei Käufen zu hohe Kurse verrechnet. Im Einzelfall Kleckerbeträge, laut Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Zürich entstand aber alleine in drei Jahren eine Deliktsumme von 11,5 Millionen Franken.
Die Welt der Bereicherung
Einzelfälle, kriminelle Energie von Mitarbeitern, gegen die leider ein grosses Unternehmen niemals gefeit ist? Schon wieder, immer wieder? Wie bei der Manipulation des Urmeters aller Finanzgeschäfte, des Libor-Zinses? Wie bei Beihilfe zu Steuerhinterziehung, wie bei der immer länger werdenden Latte von Verstössen gegen Gesetze, für die regelmässig Multimillionenbussen gezahlt werden müssen? Wie beim Verkauf von Lehman-Schrottpapieren an Kleinanleger, die mit Milliardenverlusten endeten? Da soll man nicht einen ganzen Berufszweig in Sippenhaft nehmen, Tausende von CS-Angestellten, wie in anderen Banken auch, bemühen sich verantwortungsvoll und nach bestem Wissen und Gewissen um die Vertretung der Interessen ihrer Kunden. Ach, wirklich? Werfen wir einen Blick in die Welt der Bereicherung.
Abzwicken, absahnen, abräumen
Unter dem Oberbegriff Retrozession versammelt sich ein ganzer Zoo von Bereicherungsmöglichkeiten bei Bankgeschäften. Dazu gehören Kick-backs, Kommissionen, Courtagen, Finder’s Fee und Ausgabeaufschläge. Oder Churning, das Generieren von Zusatzeinkommen durch häufiges und zweckloses Umschichten einer Kapitalanlage. Sehr unverfroren und eindeutig kriminell ist aber das Verrechnen eines falschen Aktienkurses. Das ist so, wie wenn der Metzger den Daumen auf die Waage hält, während er den Wurstzipfel wiegt. Sind die anderen Methoden wenigstens legal? Eigentlich nicht. Denn es gibt einen Entscheid des Schweizer Bundesgerichts in Lausanne aus dem Jahre 2006. Danach müssen alle Finanzintermediäre, also auch Banken, ihren Kunden gegenüber alle Formen von Provisionen ausweisen und auf Verlangen auch weitergeben. Im gleichen Urteil wird festgehalten, dass 81 Prozent aller Vermögensverwaltungen das nicht tun.
Na und?
Bewaffnet mit Heerscharen von Juristen haben Schweizer Banken natürlich eine ihre Geldgier schützende Antwort auf dieses klare Urteil gefunden, wir zitieren die Stellungnahme der Schweizer Bankiervereinigung (SBVg): «Im Produktevertrieb erbringt eine Bank verschiedene Dienstleistungen für den Produkteanbieter, die sie sich abgelten lassen. Das sind keine Retrozessionen. Verkauft sie dem Kunden eigene Produkte oder Produkte aus dem Eigenbestand, kann ebenfalls nicht von Retrozessionen gesprochen werden.» Auf eine Anfrage des damaligen Preisüberwachers, wie sie es denn mit der Umsetzung dieses Urteils des obersten Schweizer Gerichts halte, teilte die Credit Suisse zudem mit: «Die Bank ist weder ablieferungs- noch rechenschaftspflichtig.» Den Rest regelt das Kleingedruckte in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die meisten Kunden nicht lesen und in denen steht, dass sie freiwillig auf ihr Recht verzichten.
Arroganz der Macht
Das heisst im Klartext: Lieber Kunde, pfeif dir eins und klage uns doch nochmals ein, wenn dir das nicht passt. Ein paar zehntausend Franken später sehen wir uns dann allenfalls vor Bundesgericht wieder. Sollte ein cleverer Bankkunde von diesem Urteil gehört haben, gibt es noch einen weiteren Standardsatz: «Das Bundesgerichtsurteil trifft auf Ihren Fall nicht zu.» Da lacht der Banker, und der Kunde macht die Faust im Sack. Diese klammheimliche Bereicherung auf Kosten des Kunden bringt den Banken in der Schweiz jährlich geschätzte 2 Milliarden Franken ein. Eigentlich Peanuts. Aber man wäre ja nicht Banker geworden, wenn es einem nicht um Geld ginge, vornehmlich ums eigene.
Verfault bis in den Kern
Wir reden hier nicht von im roten Bereich zockenden Investmentbankern. Wir reden auch nicht von Beihilfe zu Steuerhinterziehung oder anderen krummen Geschäften. Wir reden hier vom Kern der Dienstleistung einer Bank: dem Handel mit Wertpapieren im Auftrag eines Kunden. Einer einfachen Dienstleistung, bei der der Kunde davon ausgehen sollte, dass er korrekt bedient und nicht über den Tisch gezogen wird. Genauso, wie er keine eigene Eichwaage dabei haben muss, wenn er im Laden ein Kilo Kartoffeln kauft. Oder die Rolle Toilettenpapier nachmessen sollte, wenn ihm 25 Meter versprochen werden. Vergessen wir die Einzelfälle, auch an diesem Beispiel zeigt sich: Der Kern des Banking ist verfault. Es geht um abzwicken, absahnen, abräumen. Es geht um Handlungen von Triebtätern, die in ihrer Geldgier jedes Mass, jeden Anstand verloren haben. Und alles Vertrauen.