Die Friedensverhandlungen hatten am 21. April in Kuwait begonnen. Sie wurden unter Aufsicht eines Uno-Sonderbeauftragten, des mauretanischen Diplomaten Ismail Ould Cheikh Ahmed, geführt. Verhandlungspartner waren Abgeordnete der Regierung al-Hadi, die von den Saudis gestützt wird.
Ihnen gegenüber sassen Vertreter einer Koalition der Huthi-Kämpfer, die mit dem früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh liiert sind. Die Huthis beherrschen die Hauptstadt Sanaa und mit ihr die grössten Teile der bewohnten Provinzen des Landes.
Uno-Resolution 2216
Grundlage für die Friedenverhandlungen war die Resolution 2216 des Sicherheitsrates aus dem Jahr 2015. Sie fordert die Huthis auf, ihre schweren Waffen abliefern und sich aus den von ihnen besetzten Städten und Provinzen zurückziehen. Die Resolution verlangt von beiden Seiten zudem, sie sollten den politischen Übergangsprozess weiterführen.
Seit dem Rücktritt von Ali Abdullah Salehs im November 2011 wird unter Uno-Aufsicht versucht, ein demokratisches Regime zu errichten. Abdrabbo Mansur al-Hadi, zuvor Vizepräsident Jemens unter Ali Saleh Abdullah, wurde als einziger Nachfolgekandidat des Ex-Präsidenten im Jahr 2012 "gewählt", um diesen Übergang zu bewerkstelligen.
Dialog-Konferenz
Um dies zu erreichen, wurde eine sogenannte Dialog-Konferenz organisiert. Sie dauerte zehn Monate. Dabei sollten alle Beteiligten ihre Wünsche und Pläne für die Zukunft Jemens präsentieren.
Die Schwierigkeiten begannen in der nächsten Phase. Aus den vorgelegten Wünschen und Plänen sollte ein Vorschlag für eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Diesem Vorschlag sollten möglichst alle zustimmen. Doch die Wünsche und Vorstellungen der verschiedenen Konferenzteilnehmer lagen weit auseinander und widersprachen sich. Da die Dialog-Konferenz nicht weiter kam, versuchte al-Hadi und die Berater der Uno auf eigene Faust eine Kompromisslösungen zu formulierten. Sie hofften, dass alle Beteiligten, oder zumindest eine grosse Mehrheit, ihnen zustimmen könnten.
Bündnis der Huthus mit dem Ex-Präsidenten
Doch die Huthi-Gemeinschaft, kriegsgewöhnte Zaiditen aus Nordjemen, waren der Ansicht, dass ihre Anliegen nicht berücksichtigt wurden. Der gleiche Ansicht waren viele Gruppierungen des jemenitischen Südens, die Autonomie oder Unabhängigkeit für ihre Landesteile anstreben.
Ali Abdullah Salehs, der ehemalige Präsident, der in Sanaa geblieben war und weiter seine eigene Partei leitete, sah sich aus dem Übergangsprozess ausgeschlossen und sann auf Rache an seinem früheren Vizepräsidenten al-Hadi. Deshalb schloss er ein Aktionsbündnis mit den Huthis, obwohl er diese, als er Präsident war, während sechs Jahren (2004-2010) bekämpft hatte. Ex-Präsident Ali Abdullah Salehs verfügt über die Loyalität grosser Teile der jemenitischen Armee. Viele ihrer Offiziere gehorchen ihm mehr als dem neuen Präsidenten al-Hadi. Dank dem Bündnis mit Ali Abdullah Salehs konnten die Huthis ihre Macht weiter ausbreiten. So gelang es ihnen, mit Hilfe wichtiger Armee-Einheiten bis in die Hauptstadt Sanaa vorzudringen – und später sogar weit nach Süden bis in die südliche Hafenstadt Aden. Al-Hadi musste fliehen, zuerst nach Aden, dann ins Exil nach Saudi-Arabien.
Der saudische Eingriff
Dann griff Saudi-Arabien in den Bürgerkrieg ein. Seit März 2015 bombardieren saudische Kampfflugzeuge Stellungen in Jemen – mit dem Ziel, al-Hadi wieder an die Macht zu bringen. Unterstützt wird Saudi-Arabien von einer Koalition gleichgesinnter arabischer Staaten. Es gelang ihr, Aden und die südlichen Provinzen von der Herrschaft der Huthis zu befreien. Dabei war wichtig, dass die Bewohner des Südens sich nicht von den Huthis regieren lassen wollten. Sie sind sunnitische Schafiiten, nicht Zaiditen, die ihrerseits zur weit verzweigten Familie der unterschiedlichen schiitischen Religionsgruppierungen gehören.
Doch wichtiger als die Religionsunterschiede ist für die Südjemeniten der Umstand, dass der Süden sich vom jemenitischen Norden diskriminiert sieht und deshalb zu seiner früheren Unabhängigkeit zurückkehren möchte. Die Bevölkerung des Südens bildete Milizen, die auf die Seite al-Hadis traten. Dies führte dazu, dass al-Hadi und die von ihm ernannte Regierung im September 2015 nach Aden zurückkehren konnten und dass sie die südlichen Landesteile unter ihre Herrschaft brachten.
Präsenz von al-Kaida und dem IS
Die Position der al-Hadi-Regierung in Aden wurde aber wegen der Präsenz von al-Kaida und IS-Kämpfern geschwächt. Von Schläferzellen aus verüben sie Anschläge und Überraschungsangriffe in Aden und den südlichen Provinzen. Ziele sind Regierungsstellungen und Soldaten der Regierung al-Hadi. Zwar sind die radikalen Jihadisten auch weiter im Norden, in den Huthi-Gebieten, aktiv. Doch scheinen sie im Süden stärker verankert zu sein.
Ungeachtet gelegentlicher Waffenstillstände dauern die Bombardierungen der von Saudi-Arabien geführten Koalition an. Begleitet werden sie von einer maritimen Sperre. Jemen, seit jeher das ärmste Land der arabischen Welt, wird durch die Bombardierungen langsam aber gründlich zerstört. Grosse Teile der Bevölkerung leiden an Hunger.
Eine Resolution - zwei Auslegungen
Die Friedensgespräche basierten stets auf der erwähnten Uno-Resolution. Die al-Hadi-Regierung weigerte sich, Verhandlungen zu führen, ohne dass die Huthis der Resolution zustimmten. Dies taten die Huthis schliesslich unter dem Druck der Bomben und dank Zureden der Uno-Vermittler. Doch in den Verhandlungen stellte sich heraus, dass die Huthis die Resolution anders auslegten als al-Hadi und seine Regierung. Nach Auffassung der Huthis sollte der von der Resolution erwähnte Übergangsprozess zu einem demokratischen Regime zuerst diskutiert und in die Wege geleitet werden. Erst dann müssten die Huthis – nach ihrer Ansicht - ihre Waffen abgeben und die besetzten Gebiete räumen.
Die Resolution fordert in Abschnitt 1) Waffen-und Gebietsübergabe durch die Huthis. Erst weiter unten unter 5) und 6) spricht sie von einem Übereinkommen in Bezug auf den Übergang zu einem demokratischen Regime. Doch die Resolution legt nirgends ausdrücklich fest, dass 1) vor 5) und 6) erfüllt werden müsse.
"Staatsstreich"
Nachdem die beiden Delegationen während Monaten kein Übereinkommen darüber gefunden hatten, ob zuerst die Huthis die Waffen abgeben und eroberte Gebiete abtreten sollten, wie es al-Hadi und seine Regierung forderten - oder, ob zuerst eine politische Lösung für den Übergang zu einer endgültigen und erhofft demokratischen Regierungsform auszuhandeln sei, wie es die Huthis begehren, drohte die Regierungsdelegation damit, die Verhandlungen abzubrechen.
Die Huthis und Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh beschlossen darauf, in Sanaa einen provisorischen Regierungsrat aus 20 Personen zu bilden. Er solle, so erklärten sie, das Machtvakuum in Jemen ausfüllen. Diese provisorische Regierung solle das Land regieren bis eine endgültige Übergangsordnung ausgehandelt ist. Die al-Hadi-Delegation in Kuwait bezeichnete dieses Vorgehen als "Staatsstreich" und gab bekannt, aus Kuwait abzureisen.
Rettungsversuch der letzten Stunde
Dann gelang es dem Uno-Vermittler, die Konfliktparteien weitere acht Tage am Verhandlungstisch zu halten. In einem neuen Kompromissvorschlag ging er auf die Wünsche der al-Hadi-Regierung ein. Er schlug vor, dass die Huthis ihre Waffen abgeben und sich aus den eroberten Gebieten zurückziehen müssten. 45 Tage danach müssten politische Verhandlungen darüber beginnen, wie ein demokratisches Regime einzurichten sei. Offenbar auf Druck Saudi-Arabiens stimmte die al-Hadi-Delegation diesem Vorschlag zu.
Doch die Huthis lehnten ab. Sie erklärten nun unumwunden, al-Hadi müsse zurücktreten und Verhandlungen über eine neue provisorische Regierung müssten beginnen, bevor sie ihre Waffen abgeben und ihre Gebieten abtreten. Das war das Ende der Verhandlungen.
Es ist schon die Rede davon, dass weitere Gespräche in Oman folgen könnten. Sogar wenn sie zustande kommen, ist nicht zu erwarten, dass sie erfolgreicher verlaufen. Die Huthis befinden sich nach wie vor im Besitz der Hauptstadt und der wichtigsten Landesteile. Sie sind offenbar nicht gewillt, dieses Pfand aus der Hand zu geben, bevor sie nicht politische Konzessionen erhalten. Ex-Präsident Ali Saleh Abdullah und "seine" Soldaten stehen weiterhin hinter ihnen.
Druck auf Riad
Al-Hadi wird von vielen Jemeniten als ein Verräter gesehen, der den Einsatz der saudischen Kampfflugzeuge gegen sein Vaterland veranlasste. Davon profitieren die Huthis und Ex-Präsident Ali Saleh Abdullah. Saudi-Arabien steht unter einem gewissen Druck, den Krieg zu beenden, vor allem wegen der Kosten, aber auch wegen der wachsenden Kritik in Washington und London. Die USA und Grossbritannien gehören zu den wichtigsten Waffenlieferanten an Saudi-Arabien. Doch Riad muss einen Erfolg vorweisen, bevor sich die Saudis zu einem Kompromiss bereitfinden können. Dieser Erfolg ist bisher ausgeblieben. Der Luftkrieg ist zwar überaus zerstörerisch, doch es gelang den Saudis nicht, die Huthis zu zwingen, ihre Macht in Sanaa abzugeben.
Folge davon ist, dass Bevölkerung immer mehr leidet. Weder Schulen, Spitäler noch Kliniken funktionieren regulär. Die Lebensmittelpreise steigen ins Unerschwingliche. Wohnhäuser werden zerstört, weil die Saudis behaupten, die Huthis versteckten dort ihre Soldaten und Munition. Zweieinhalb Millionen Jemeniten sind obdachlos. Achtzig Prozent der 22 Millionen Jemeniten sind angewiesen auf Nahrung und medizinische Hilfe aus dem Ausland. Doch die Wenigsten erhalten sie.