Wer eine Zeitung aufschlägt, kommt an Keystone nicht vorbei. Die meisten Bilder, die unsere Blätter publizieren, stammen von der in Zürich beheimateten Agentur Keystone. Und die meisten Bilder, die Sie auf Journal21 sehen, kommen … natürlich von Keystone.
Ob es eine Bundesratssitzung ist, ein Alpabzug, ein Marathonlauf im Berner Oberland oder eine internationale Konferenz in Genf – wenige Minuten nach dem Ereignis erhalten die Redaktionen auf ihren Bildschirmen die ersten Bilder. Dutzende festangestellter und freier Fotografen sind rund um die Uhr im ganzen Land im Einsatz. Immer ist es ein Kampf gegen die Zeit, denn die Redaktionen wollen schnell beliefert werden.
Doch Keystone liefert nicht nur Bilder aus der Schweiz. Dank Partnerschaftsverträgen mit ganz grossen ausländischen Agenturen erhalten die Kunden von Keystone täglich Bilder aus allen Ecken der Welt. 5‘000 bis 10‘000 Bilder täglich bietet Keystone an. Verunglückt irgendwo ein Flugzeug, hält Obama irgendwo eine wichtige Rede - wenige Minuten später laufen auf den Schweizer Redaktionen die ersten Bilder ein.
… wie das Matterhorn für die Schweiz
Bildagenturen haben es in der heutigen Internetzeit nicht leicht. Da werden im Netz Fotos gestohlen und kopiert – unter Missachtung der Copyright-Rechte. Doch die Agenturen haben ein System entwickelt, um „gestohlene Bilder“ zu eruieren. Und dann kann es teuer werden.
Immer mehr, vor allem kleinere Zeitungen, verknurren die Journalisten dazu, selbst Fotos zu schiessen – mit dem Handy. Auf Qualität wird nicht immer geachtet. Und in Zeiten von Facebook schwirren ohnehin Fotos aller Art durchs Netz, die ganz einfach kopiert werden können. Nicht alles ist qualitativ erhaben.
Doch Keystone bietet Qualität. Die Agentur beschäftigt zahlreiche, zum Teil mit Preisen ausgezeichnete Fotografen. Man setzt bewusst auf professionelle Aufnahmen. Gäbe es Keystone nicht, müsste man eine neue Agentur erfinden. Für die Schweizer Medienlandschaft ist Keystone das, was das Matterhorn für die Schweiz ist.
1891: die Keystone View Company
Keystone gehört heute der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) und der österreichischen Austria Press Agentur (APA). Keystone beschäftigt 75 Mitarbeitende, unter ihnen 20 festangestellte Fotografen. Ihr Hauptsitz befindet sich am Fusse des Zürcher Üetlibergs.
Eigentlich ist Keystone viel älter als 60 Jahre. 1891 wurde in den USA die „Keystone View Company“ gegründet. Sie spezialisierte sich darauf, Schulen mit Stereoskopiebildern zu beliefern. Den Schülern wurden mit einem speziellen Vorführapparat Sehenswürdigkeiten aus aller Welt gezeigt.
Während des Ersten Weltkrieges fusionierte die „Keystone View Company“ mit der Agentur „Press Illustrated Service“. Die neue Firma hiess jetzt „Keystone Press“. Bert Garai, ein ungarischer Emigrant, baute bis zum Zweiten Weltkrieg „Keystone Press“ zu einer bekannten transatlantischen Bildagentur auf. Sie belieferte die grossen Zeitungskonzerne in vielen Ländern mit News-Bildern.
Man lechzt nach Bildern
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Hunger an Bildern. Illustrierte Zeitschriften kamen auf, die Drucktechnik wurde verbessert – der Bedarf an gutem und aktuellem Bildmaterial stieg schlagartig. Die aufkommende Yellow Press lechzte nach Bildmaterial. Auch wenn die publizierten Fotos mehrere Tage alt waren: endlich sah man die Protagonisten und VIPs dieser Welt.
Von diesem Bilder-Hunger profitierten zunächst in der Schweiz drei Bild-Agenturen: die 1932 gegründete Agentur „Photopress“, die 1936 entstandene ATP und die 1937 gegründete Reporteragentur „Presse Difffusion Lausanne“.
Per Post Bilder aus Paris und London
Das Jahr 1953 ist das Geburtsjahr der heutigen Agentur Keystone. Der Schweizer Journalist Max Schneider gründet am Seilergraben in Zürich eine unabhängige Keystone Filiale – unabhängig von den in europäischen Städten bestehenden Agenturen mit dem Namen Keystone. Im Mai 1956 tritt Hans-Ueli Blöchliger der Agentur bei. Die Zürcher Agentur erhält jeden Tag per Post von den Keystone-Filialen in Paris, London und München je drei Prints von einigen Bildern.
„Mit diesen Bildern“, heisst es in einem historischen Abriss von Keystone, „werden am Nachmittag die Redaktionen besucht, immer in der Reihenfolge wie die besten Preise pro Bild erzielt werden: Schweizer Illustrierte, Sie+Er, Die Woche, Meyers Modeblatt. Die übriggebliebenen Bilder werden mit der Post an die Tribune de Genève und das St. Galler Tagblatt geschickt.“
Ein Bote bringt die Bilder zum Bahnhof
Hans-Ueli Blöchliger wird Redaktionsleiter. Er wird zur prägenden Figur der Agentur. Die Zusammenarbeit mit andern Bildagenturen wird ausgebaut. Weitere Fotografen werden angestellt – und auch Redaktoren, die die Bildlegenden schreiben. Jetzt bringt ein Bote die Bilder an den Bahnhof und sie werden innerhalb der Schweiz mit Zügen verschickt. So werden Redaktionen in allen Regionen des Landes beliefert.
Ab 1974 kooperiert Keystone mit Associated Press. Die amerikanische AP ist die grösste Text-Nachrichtenagentur der Welt und betreibt eine News-Bild-Agentur (und heute eine Fernsehbild-Agentur, Associated Press Television News). Zusammen bauen die beiden ein Bildübermittlungsnetz auf. So können pro Stunde vier Bilder an die Redaktionen übermittelt werden.
Beim Schweizer Fernsehen zum Beispiel standen die Redaktoren gespannt vor der Übermittlungsmaschine und warteten auf die langsam, langsam übermittelten Bilder. "Wunderbar", hiess es dann, "wir haben wieder ein Bild".
Das Ende von Phtopress
Ende 1980 stellt Photopress seinen Dienst ein und wird von Keystone aufgekauft. Keystone übernimmt auch das riesige Photopress-Archiv und mehrere Fotografen.
Die Achtzigerjahre sind turbulente Jahre für die Bildagenturen. Reuters übernimmt UPI-Photo. Mehrere europäische Bildagenturen, unter ihnen Keystone, gründen die EPA, die European Pressphoto Agency.
Die Bildagentur von AP löst den Vertrag mit Keystone auf und betreibt ab 1985 einen eigenen schweizerischen Bilderservice. Keystone bietet jetzt auch Reuters-Bilder an. Die meisten Keystone-Filialen im Ausland werden von grossen Bildagenturen geschluckt.
AP gibt auf
In der Schweiz schreiben Ende der Achtzigerjahre sowohl Keystone als auch AP rote Zahlen. AP stellt im Oktober 1990 überraschend ihren Bilderdienst ein und entlässt alle Fotografen und Redaktoren. In der Folge schliesst AP mit Keystone einen langfristigen Partnerschaftsvertrag.
Reuters erneuert den Vertrag mit Keystone nicht und bietet seither einen eigenen, sehr reduzierten Schweizer Bilderdienst an.
GC - Strassburg 1 : 0
Ende der Neunzigerjahre hat Keystone alle Fotografen mit digitalen Kameras ausgerüstet. Zur Jahrtausendwende ist die Newsfotografie vollständig auf digitale Produktion umgestellt. Die Zeitungen werden nur noch digital bedient.
Seit Anfang 2008 amtet Jann Jenatsch als Geschäftsführer. Er hat eine neue Datenbank aufgebaut, neue Features ins Angebot gebracht und auch eine Video- und Infografik-Abteilung ins Leben gerufen. Alles, um den multimedialen Anforderungen gerecht zu werden.
Auf der Datenbank von Keystone befinden sich sieben Millionen Bilder. Daneben verfügt die Agentur über ein historisches Archiv mit zehn Millionen Bildern. Sie bilden einen wichtigen Bestandteil des visuellen Gedächtnisses der Schweiz. Die Agentur hat auch Zugriff auf die Bildbestände grosser Schweizer Fotografen. Zahlreiche auf Glasplatten gebannte Bilder werden jetzt digitalisiert.
Da gibt es Dutzende Bilder von der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900. Oder aus dem Jahr 1893 Aufnahmen vom Fussballspiel Grasshoppers gegen das (damals deutsche) Strassburg. Die Grasshoppers gewannen 1: 0.
(hh mit Recherchen von axa, Keystone)