Der unterlegene FPÖ-Kandidat und Rechtspopulist Norbert Hofer erklärte noch vor Veröffentlichung des Schlussergebnisses in einer Stellungnahme auf Facebook:
Liebe Freunde! Ich bedanke mich für Eure großartige Unterstützung. Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst. Ich werde Euch treu bleiben und meinen Beitrag für eine positive Zukunft Österreichs leisten. Bitte seid nicht verzagt. Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren sondern eine Investition in die Zukunft.
Euer Norbert Hofer
Am Montag um 16.43 Uhr verkündete der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) das Endergebnis. Für Van der Bellen, der von den Grünen unterstützt wird, stimmten 50,3 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen. Sein Vorsprung auf Norbert Hofer beträgt 31'026 Stimmen.
Das Endergebnis zeigt eine klare Kluft zwischen Stadt und Land. In fast allen städtischen Gebieten gewann Van der Bellen, während sich Hofer auf dem Land durchsetzte.
Auf Messers Schneide
Dass alles auf Messers Schneide lag, zeigen auch die Ergebnisse mehrerer Gemeinden. In der kleinsten österreichischen Gemeinde, in Gramais im Tirol, stimmten neun Österreicher für Hofer und neun für Van der Bellen. Auch in zwei andern Tiroler Gemeinden herrscht ein 50-zu-50-Prozent-Patt: In Rieth bei Kitzbühel votierten je 330 Wahlberechtigte für Hofer und Van der Bellen, in Häring waren es je 568 für beide Kandidaten.
In Dünserberg, im Vorarlberg, erhielten beide Kandidaten je 27 stimmen. Auch in Pillichsdorf in Niederösterreich herrschte mit je 345 abgegebenen Stimmen Gleichstand. Im Wiener Wahlbezirk Hietzing gaben je 208 Wählende ihre Stimme den beiden Kandidaten, im Wiener Wahlbehzirk Penzing waren es je 191.
Hofer, als Favorit gestartet
Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei über 71. Prozent. Dies ist umso erstauntlicher, als nach dem verunglückten Fernsehduell, bei dem sich die beiden Kandidaten nicht von ihrer besten Seite zeigten, eine schlechte Beteiligung erwartet worden war.
Hofer war nach Ansicht der meisten Experten als Favorit in die Stichwahl am Sonntag gegangen. Dies vor allem deshalb, weil er im ersten Wahlgang am 24. April 35 Prozent der Stimmen erhalten hatte, also 14 Prozent mehr als Van der Bellen. Zudem haben sich die grossen Parteien SPÖ und ÖVP nicht zu einer soliden und kämpferischen Allianz gegen den Rechtspopulisten Hofer zusammengeschlossen. Ihr miserables Abschneiden bei der Wahl vor einem Monat hat sie in eine Schockstarre versetzt, dass sie am liebsten vorerst einmal nur ihre Wunden lecken.
Österreich ist nicht Frankreich. Dort, 2002, als Jean-Marie Le Pen überraschend in die Stichwahl kam, sprangen sogar die Sozialisten über die Klinge, stimmten für ihren bisherigen Hauptgegner Jacques Chirac und verhalfen im so zum Sieg.
Ausländerfeindlich, anti-europäisch
Dass Van der Bellen nun doch gewann, zeigt, dass sich zumindest jeder zweite Wähler nicht lethargisch dem Aufstieg eines strammen Populisten fügen wollte. Das Ergebnis zeigt aber auch, dass das Land tief gespalten ist.
Wäre Hofer gewählt worden, wäre Österreich das erste westeuropäische Land gewesen, dass einen Staatspräsidenten einer rechtspopulistischen Partei erhalten hätte. Während des Wahlkampfs schürte Hofer eine ausländerfeindliche Stimmung und steuerte einen klar anti-europäischen Kurs.
Im Schafspelz
Hofer, ein 45-jähriger Flugzeugingenieur, lehnte „bis auf weiteres“ jede Einwanderung von Flüchtlingen ab. Im Wahlkampf hatte er erklärt, er hätte die Regierung wegen der Grenzöffnung für Flüchtlinge entlassen - ein Recht, das ihm als Bundespräsident zustünde. Hofer, der auch die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnt, gilt als stets freundlich auftretender, strammer Hardliner.
Der FPÖ war ein Potential von rund 30 Prozent angerechnet worden. Dass Hofer jetzt knapp 50 Prozent erhält, liegt sicher auch daran, dass er stets im Schafspelz daherkommt.
Van der Bellen, ruhig, sachlich
Der neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ein 72-jähriger Ökonom, war von den Grünen ins Rennen geschickt worden. Er gilt als pragmatisch, ruhig und sachlich. Viele Stimmen, die er erhielt, waren nicht in erster Linie Stimmen für ihn, sondern Stimmen gegen den Populismus.
Der österreichische Bundespräsident ist nicht nur eine repräsentative Figur. Er kann einen neuen Kanzler bestimmen, die Regierung entlassen, das Parlament auflösen und ist Oberbefehlshaber der Armee.
Entscheidende Briefstimmen
Es ist das erste Mal, dass sich in Österreich in einer Stichwahl zwei Kandidaten gegenüberstehen, die nicht den grossen Volksparteien der SPÖ und der ÖVP angehören.
Laut dem am Sonntagabend verkündeten amtlichen Endergebnis hatte Hofer 144'006 Stimmen mehr als Van der Bellen erzielt. In Prozenten bedeutet das: 51,9 für Hofer und 48,1 für Van der Bellen. Nicht berücksichtigt in diesem Ergebnis waren die meisten der 885'437 per Post abgegebenen Stimmen. Diese Wahlkartenstimmen, wie sie in Österreich heissen, brachten nun die Wende.
(J21/hh/ORF/Agenturen)