Zwischen 1891 und 1991 publizierte der Verein Schweizerisches Bundesfeierkomitee (später Pro Patria) während hundert Jahren
1.-August-Postkarten. Dabei handelt es sich um eine einmalige Sammlung voller historischer und künstlerischer Illustrationen, damit verbunden auch Aufrufe zur Solidarität.
Anlass zur Lancierung dieser historischen Dokumentation war die „Erinnerung an das 600-jährige Gründungsfest der Schweizerischen Eidgenossenschaft“ und damit die Schaffung eines künftigen helvetisch-patriotischen Werks.
Auf der Karten-Vorderseite wird der Rütlischwur „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern …“ von 1307 abgedruckt, auf der Rückseite dokumentieren eine 5-Rappen-Helvetiamarke und drei Poststempel aus Niederuzwil bzw. „Zürich 3, FIL. Bahnhof“ den historischen und philatelistischen Ursprung. Produzent war offenbar das „Artistische Atelier H. Guggenheim“, auch noch mit dem Patent-Vermerk „Dépose No. 293 – Carte Postale + Union poste universelle + Weltpostverein“. Und um mit Sonderkarten noch eher unerfahrene Benützer zu instruieren, wird auf Französisch und Italienisch zudem noch vermerkt: „Côté reservé à l’adresse / riservato all’indirizzo“ …
Künstlerische Sujets, bekannte Werke von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern, aber auch unbekannte Grafiker und Maler schmücken nun die über 100 Postkarten, die bis ins Jahr 1991 von Pro Patria jeweils zur Bundesfeier publiziert werden, dies zusätzlich zum speziellen Abzeichen- und Briefmarkenverkauf.
Meistens werden die Dekorationen mit Texten und historischen Bezügen zur Geschichte unseres Landes verbunden. Die stehende oder sitzende Helvetia findet sich auf zahlreichen Karten; aber auch Wilhelm Tell mit Gemahlin, mit oder ohne Sohn, aber meist mit Armbrust, sind regelmässige Protagonisten, und auch die drei Eidgenossen sind immer wieder Postkarten-Gäste. Das Rütli und die imposante Landschaft rund um den Urnersee garnieren viele der Sujets.
Ab dem Jahr 1912 wird die 1.-August-Postkarte jedes Jahr für einen Spendenaufruf zu einem wohltätigen Zweck benutzt – anfänglich meistens zugunsten des Schweizerischen Roten Kreuzes. Später folgen Sammlungen „gegen die Tuberkulose“.
1915 tobt rund um die Schweiz der Erste Weltkrieg. Pro Patria sammelt jetzt „zu Gunsten durch den Krieg in Not geratener Miteidgenossen“, im Jahr 1916 sind es dann „die notleidenden Wehrmänner“, 1918 „unsere Soldaten“, die unterstützt werden. Auch die Frankatur wird teurer: Die Bundesfeierkarten tragen jetzt das 7 1/5-Rappen-Porto und gar fünf ähnliche Sujets stehen zur Auswahl.
Tell löst auf der Briefmarke übrigens seinen Sohn Walterli ab – diesen sah man stehend unter der riesigen aufgestellten Armbrust seines Vaters…
1920 wird die grafische Aufmachung im Schriftbild etwas moderner, der Erlös gilt der „Förderung der körperlichen und wirtschaftlichen Erziehung“ – was das auch immer heissen mag … In der französischen und italienischen Version sind hier auch noch die „Menagerie“ bzw. die „Domestica“ erwähnt, was in der deutschen Fassung offenbar zu viel Platz beansprucht hätte und Genderempfindlichkeiten lagen noch in weiter Ferne …
1921 erscheint eine neue Briefmarke: Wilhelm Tell, der mittlerweile 10 Rappen kostet. Der Verkaufserlös geht erstmals an die Caritas. Im folgenden Jahr wird mit der Kartenaktion die Schweizerische Volksbibliothek unterstützt – auf der Bildseite liest ein Vater (oder Lehrer) einem Jungen aus einem Buch vor. Später unterstützt die Kartenaktion u.a. „unsere notleidenden Landsleute in der Ferne“, Taubstumme und Schwerhörige, notleidende Mütter, invalide Krankenschwestern, die Nationalspende, Schweizerschulen im Ausland oder Bergbevölkerung in der Schweiz.
Nach Ausbruch des 2. Weltkriegs, werden die Sujets auf den 1.-August-Karten, aus verständlichen Gründen, wiederum besonders patriotisch:. Der bewaffnete Tell, die Grösse der Schweizerflagge und im Zentrum unsere Soldaten.
Die Sujets vom Jahrgang 1944 sind Abbildungen der historischen Schlacht von St. Jakob an der Birs und dem heldenhaften Kampf der Eidgenossen gegen die überlegenen Armagnaken. Gegen Ende des Kriegs verändern sich auch die Kartensujets vermehrt zu Darstellungen bekannter und patriotischer Maler: Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti, Albert Anker („Kappeler Milchsuppe“), 1948 Charles Girons „Wiege der Eidgenossenschaft“ (noch immer im Nationalratssaal), Rudolf Kollers berühmte „Gotthardpost“ (1949) oder Stückelbergers „Tellensprung“ (1960). Die letzte der 100-Jahre-Postkarten wurde zugunsten des „Wegs der Schweiz“ zur Bundesfeier vom 1.8.1991 kreiert und zeigt den erschlossenen Weg am Vierwaldstättersees aus der Vogelschauperspektive.
Diese umfassende Postkartensammlung über all die Jahre verdanken wir dem bekannten Arzt Dr. Guido A. Zäch.
100 Bundesfeierkarten / ISBN 978-3-03818-12-8
Schweizer 1. August Postkarten 1891–1991
Werd & Weber Verlag AG, 3645 Thun/Gwatt