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Ukraine Tag 4

Trotzige Ukraine

27. Februar 2022
Molotow-Cocktails
(Foto: Keystone/AP/Efrem Lukatsky)

Die Hauptstadt Kiew befindet sich noch immer in den Händen der Regierungstruppen. Die Bevölkerung bereitet sich auf die Entscheidungsschlacht vor. Die Behörden haben 25’000 automatische Waffen und 10 Millionen Patronen an Bürgerinnen und Bürger verteilt. In einem Hinterhof in Kiew werden Molotow-Cocktails vorbereitet. Mit ihnen sollen anrückende Russen empfangen werden. Der Westen schliesst russische Banken aus dem internationalem Zahlungssystem Swift aus. Deutschland liefert der Ukraine Stinger-Raketen.

Den russischen Angreifern ist es möglicherweise nicht gelungen, die zweitgrösste ukrainische Stadt zu erobern. Meldungen, wonach die Russen in Charkiw einmarschiert seien, wurden von Oleh Sinegubov dementiert. «Wir haben die totale Kontrolle über Charkiw», sagte er am Mittag. «Die Armee, die Polizei und die Verteidigungskräfte waren im Einsatz, und die Stadt ist vom Feind total gesäubert worden.» Charkiw liegt im Osten des Landes und zählt 1,5 Millionen Einwohner. Oleh Sinegubov ist der lokale Gouverneur von Charkiw. Überprüfen lässt sich diese Meldung nicht.

Ukrainisch-russische Verhandlungen

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj hatte sich bisher gegen Verhandlungen mit Russland in Belarus gewehrt, da Belarus kein neutrales Land, sondern ein Satellit Moskaus sei. Jetzt erklärt sich die ukrainische Seite doch zu Verhandlungen an der ukrainisch-belarussischen Seite bereit. Dies bestätigt der Präsident Selenskyj. Die Verhandlungen sollen in der Region Gomel stattfinden. Selenskyj hatte bisher immer mitgeteilt, Verhandlungen in einem neutralen Land führen zu wollen. Gomel ist die zweitgrösste Stadt in Belarus und liegt nördlich von Kiew.

Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft

Wegen des «aggressiven Verhaltens der Nato» hat Putin die Atomstreitkräfte seines Landes in Alarmbereitschaft versetzt. Das sagte der Kreml-Chef in einer Fernseh-Ansprache. Grund seien auch die Wirtschaftssanktionen des Westens. «Deshalb befehle ich dem Verteidigungsminister und dem Chef des Generalstabs die Abschreckungsstreitkräfte der russischen Armee in Alarmbereitschaft zu versetzen.»

Internationale Volksbrigaden

Über Twitter erklärte Selenskyj, die Ukraine werde «internationale Truppen mit Freiwilligen aus dem Ausland» aufstellen. Sie sollen der ukrainischen Armee helfen, den Russen Paroli zu bieten.

Bewaffnung der Bevölkerung

In Kiew bereitet sich auch die Bevölkerung auf die Entscheidungsschlacht vor. Die Behörden hab en 25'000 automatische Waffen und 10 Millionen Patronen an Bürgerinnen und Bürger verteilt. Selenskyj hatte die Bevölkerung aufgefordert alles zu tun, um die Russen zu vertreiben.

Die Russen setzen ihre Angriffe an den meisten Fronten fort.Das Treibstofflager in Wasylkiw bei Kiew wurde von einer russischen Rakete getroffen und ging in Flammen auf.

Treibstofflager bei Kiew
(Foto: Keystone/EPA/Alisa Yakubovych)

Die Russen würden jedoch an vielen Ort auf heftigen Widerstand treffen, erklärt der russische Generalstab. Das Tempo des Angriffs sei gebremst worden. Viele der russischen Soldaten seien sehr jung; ihr moralischer Zustand sei schlecht. Viele seien bereits erschöpft. Verifizieren lassen sich diese Angaben nicht.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs seien bisher 3’000 russische Soldaten gefallen. 200 seien gefangen genommen worden. Auch diese Angaben lassen sich nicht überprüfen.

Frustrierte Russen?

Laut amerikanischen Angaben verläuft das russische Vorrücken nicht so wie geplant. Ein Sprecher des amerikanischen Verteidigungsministeriums sagte: «Wir haben Hinweise, dass die Russen angesichts des mangelnden Fortschritts in den vergangenen 24 Stunden, vor allem im Norden der Ukraine, zunehmend frustriert sind.» Inzwischen seien die russischen Streitkräfte mit «Zehntausenden» Soldaten in die Ukraine einmarschiert.

Stinger und Swift

Vor allem Deutschland hat sich lange Zeit gewehrt, der Ukraine Waffen zu liefern und Russland aus dem Zahlungssystem «Swift» auszuschliessen. Am Samstagabend vollzog nun Bundeskanzler Olaf Scholz eine Kehrtwendung. Deutschland liefert nun 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 «Stinger»-Boden-Luft-Raketen.

Stinger
Ein deutscher Soldat mit einer Stinger-Rakete bei einer Luftwaffenübung (Foto: Keystone(dpa/Patrick Seeger)

Scholz sagt nun: «Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende.» Nun sei es auch für Deutschland Pflicht, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen bei der Verteidigung «gegen die Invasionsarmee von Wladimir Putin».

Der Ausschluss Russlands aus dem Swift-System wird Russland empfindlich treffen. Der Entscheid war vom Westen lange Zeit hinausgezögert worden, weil ein Ausschluss auch westliche Staaten trifft.

Die Wutrede des Olaf Scholz

Mit ungewöhnlich harten Wort hat der deutsche Bundeskanzler den Kreml-Chef attackiert. «Putin hat kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen», sagte Scholz vor dem deutschen Bundestag. Auf Putins Aggression könne es keine andere Antwort geben, als Boden-Luft-Raketen und Panzerabwehrraketen in die Ukraine zu liefern. «Wir müssen die Ukraine in der verzweifelten Lage unterstützen», sagt Scholz unter dem Applaus der Abgeordneten. Dauerhaft sei Sicherheit in Europa nicht gegen Russland möglich, sagte der Bundeskanzler, aber «auf absehbare Zeit gefährdet Putin diese Sicherheit». Und: «Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen.»

«Wir stehen ohne Wenn und Aber zur unser Bündnisverpflichtung», sagte Scholz. «Wir müssen verhindern, dass Putins Krieg auf andere Länder ausgreift.» Deutschland und die Nato würden jeden Quadratmeter verteidigen. Dabei gehe es nicht nur um die Nachbarn. Es gehe um die Verteidigung «unserer Demokratie und Werte.»

Scholz kündigte an, der deutschen Bundeswehr ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Sie soll helfen, die Armee zu modernisieren. «Wir werden von nun an – Jahr für Jahr – mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.»

Beobachter erklären, Putin habe nun genau erreicht, was er zu verhindern versuchte: ein Zusammenrücken und eine Stärkung der Nato.

Deutschland sperrt Luftraum für russische Flugzeuge

Russische Maschinen dürfen am Sonntagnachmittag nicht mehr nach und über Deutschland fliegen. Das teilt das Bundesverkehrsministerium mit. Humanitäre Flüge seien von dem Verbot ausgenommen. Das Verbot soll laut Ministerium zunächst für drei Monate gelten. In mehreren EU-Staaten sind Flugverbote für russische Maschinen bereits in Kraft. Als Gegenmassnahme kündigte Russland Flugverbote für jene westlichen Gesellschaften an, derden Staaten kein Landen und Überfliegen russischer Maschinen angeordnet haben.

Cherson und Berdjansk eingekesselt

Die südukrainischen Städte Cherson und Berdjansk stehen laut einem russischen Agenturbericht vor dem Fall. Sie seien von russischen Streitkräften eingekesselt worden. Russische Truppen hätten die Stadt Henitschesk und einen Flughafen in der Nähe von Cherson eingenommen.

Bei den Kämpfen um Kiew sei ein Lager mit radioaktiven Abfällen des Unternehmens «Radon» von russischen Sprengsätzen getroffen worden. Dies melden verschiedene ukrainische Medien, unter anderem der Sender «Kanal 24». Nach ersten Messerungen bestehe keine Bedrohung für die Bevölkerung.

Der Mutmacher

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow erklärte, den Russen sei es nach dreitägigen Kämpfen noch immer nicht gelungen, Kiew einzunehmen. «Diese drei Tage haben die Welt verändert.» «Ich sehe eine heldenhafte ukrainische Armee, eine siegreiche Wache, furchtlose Grenzwächter, engagierte Retter, zuverlässige Polizeibeamte und unermüdliche medizinische Engel.» Immer mehr Menschen würden erkennen, dass es nirgendwo in Europa eine solche Armee gibt. «Die Dunkelheit wird weichen, die Morgendämmerung ist nahe.»

(Wird laufend aktualisiert)

Journal21

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