„Madonnas Fashion“ heisst ein neues Buch und es beschäftigt sich mit glitzernden, bunten und reichverzierten Kleidern, die ebenfalls von einer Madonna getragen werden… Allerdings nicht von der exzentrischen US-Hitparadenstürmerin, sondern von der „Schwarzen Madonna“ in Einsiedeln. Genial, dieser Titel, denkt man gleich, weil er so gar nicht fromm, sondern fast etwas frivol wirkt, und Interessierte gleich mal ein bisschen in die Irre führt.
Autor ist Bruder Gerold Zenoni aus dem Kloster Einsiedeln. Hat er sich etwa diesen Titel einfallen lassen…? Bruder Gerold trägt eine schwarze Mönchskutte und sagt verschmitzt: „Ich dachte, wir brauchen einen attraktiven Titel, etwas Besonderes halt, aber dann musste ich doch über meinen eigenen Schatten springen, dass ich es zugelassen habe, als mir meine künstlerische Beraterin Michaela von Prondzynski ‚Madonnas Fashion‘ als Titel vorschlug…“
Allzu schwer ist ihm dieser Sprung über den eigenen Schatten aber letztlich wohl doch nicht gefallen. Inzwischen ist Bruder Gerold fast ein bisschen stolz darauf. Als literarisch versierter und kulturell interessierter Mensch weiss er, dass ein süffiger Titel auf den Inhalt neugierig macht. Vielleicht stecken sogar ein paar Junge ihre Nase in das Buch, wenn sie den Schriftzug „Madonnas Fashion“ lesen. Und vielleicht blättert die eine oder der andere dann sogar ein bisschen in dem Buch, für das zuvor in einem Kleiderschrank der besonderen Art gestöbert wurde.
Die Farben der Madonna
Wie kommt aber ein Mönch dazu, sich mit den bunten Kleidern der Schwarzen Madonna zu befassen. Ist das vielleicht eine Art Ausgleich gegenüber seiner ewig gleichen schwarzen Kutte? „Nein, so sehe ich das nicht“, wehrt Bruder Gerold ab und erklärt, wie das mit der Kutte ist. „In der Regel des heiligen Benedikt heisst es, man soll den Stoff nehmen, der in der Gegend am billigsten zu haben ist und das hat man bei uns gemacht mit dem schwarzen Stoff, den man gewählt hat und ich fühle mich wohl in dieser Kutte. Das andere, also die Kleider der Madonna, das ist eine Arbeit, die mir im Laufe meines Ordenslebens übertragen worden ist, nachdem mein Vorgänger altershalber nicht mehr dazu in der Lage war. Erst hatte ich mich dagegen gewehrt. Ich habe mir doch nie Gedanken über Mode gemacht…! Mittlerweile weiss ich natürlich ganz genau, was die liturgischen Farben der katholischen Kirche sind. Jetzt in der Adventszeit Violett, an Weihnachten Weiss wie an Ostern, Rot für Märtyrerfeste und Pfingsten, dann gibt es noch Grün. Wir haben in Einsiedeln auch blaue Kleider für die Muttergottes, das ist eigentlich keine liturgische Farbe, aber üblicherweise assoziiert man die Muttergottes mit der Farbe Blau.“
Seit rund zwanzig Jahren ist Bruder Gerold für die Kleider der Madonna zuständig. Der Kleiderwechsel ist relativ aufwändig, ein Mitbruder hilft ihm dabei. „Man muss sich das so vorstellen, dass die Muttergottes in der Gnadenkapelle vor einem goldenen Strahlenkranz steht. Dann errichte ich ein kleines Podest aus Stahlrohr mit einem Stahlbrett, auf dem stehe ich dann vis-à-vis von der Muttergottes. Der Mitbruder steht unten, nimmt die Sachen in Empfang und reicht mir das neue Kleid hoch. Ich wechsle die Kleider etwa 15 bis18 mal pro Jahr, das heisst, so alle zwei bis drei Wochen.“ Der Rhythmus richtet sich nach den Festen des Kirchenjahres, das nicht am 1. Januar, sondern am, 1. Advent beginnt. Und natürlich tritt die Madonna zu diesem Zeitpunkt in einem speziellen Kleid auf. Das nächste ist am 8. Dezember fällig, dann ist „Mariä Empfängnis“ und an Weihnachten wird der Madonna das „Urnerkleid“ angezogen, ein barockes, sehr kostbares Brokat-Kleid, das ein Landamann der Madonna vor fast 300 Jahren gespendet hat.
Himmlische Garderobe
Zurzeit hängen 33 Gewänder in Madonnas Kleiderschrank. Das Älteste stammt aus dem Jahre 1685 und ist violett, ein bisschen geflickt zwar, es kann aber noch gut verwendet werden. Das Neueste ist so neu, dass es den Weg ins Buch nicht mehr geschafft hat, weil es nach Redaktionsschluss eingetroffen ist. „Das Kleid haben wir von einer Brasilianerin bekommen, die in der Schweiz lebt, und es aus Verehrung für die Einsiedler Muttergottes selber genäht hat. Demnächst werden wir es der Madonna zum ersten Mal anziehen.“ Bruder Gerold hat die himmlische Garderobe gut unter Kontrolle. Er entscheidet, was die Madonna trägt. „Ich habe einen gewissen Spielraum bei der Auswahl der Kleider“, sagt Bruder Gerold. „Es sind mehr Kleider im Schrank, als ich im Laufe eines Jahres überhaupt verwenden kann. Aber ich bemühe mich, dass im Rhythmus von zwei Jahren alle Kleider einmal drankommen.“
Aber nicht nur eine reiche Kleiderauswahl steht der Madonna zur Verfügung, sondern auch eine Schmuck-Schatulle mit prächtigen Juwelen. Da gibt es goldene Ketten, ein smaragdbesetztes Kreuz, Perlenschmuck, Rosenkranz, Diamanten, Armreifen und und und… Bruder Gerold hat auch beim Schmuck alle Hände voll zu tun.
Das Buch, „Madonnas Fashion“ ist eine grosse Freude für Bruder Gerold. „Möglich wurde es nur dank Sponsoring“, erklärt er. Das ist im Kloster nicht anders als sonstwo. „Die Freunde des Klosters Einsiedeln sind zum Glück hier eingesprungen“, so Bruder Gerold.
Eine gewisse Affinität zum Verkleiden hatte er schon als Kind. „Damals durfte ich den Tellenbub in Altdorf spielen und bin da mit den Brettern, die die Welt bedeuten, in Berührung gekommen. Es ist zwar ein Laientheater, aber Erwin Kohlund war unser Regisseur“, erinnert sich Bruder Gerold. Und auch der Vater hat seinerzeit schon mitgespielt. Satt weiterhin Theater zu spielen, kleidete Bruder Gerold später die Schwarze Madonna ein und ein Ende dieser Tätigkeit ist vorläufig nicht abzusehen.
Einsiedeln in der Literatur
Neben dem prächtigen Bild-Teil war Bruder Gerold für sein Buch aber auch der literarische Teil wichtig. „Literatur ist meine grosse Passion und ich kenne mich aus bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die über Einsiedeln geschrieben haben. Ihre Texte habe ich sehr gern mit in das Buch verpackt. Es gibt einen grossen Textteil. Das fängt an bei James Fenimore Cooper, Autor der Lederstrumpf-Romane und eine Ikone der amerikanischen Literatur. Es reicht von Goethe bis zum Literaturnobelpreisträger von 1916, Verner von Heidenstam, der auch in Einsiedeln war und einen sehr schönen Text geschrieben hat. Dann Kurt Münzer, eigentlich ein unbekannter deutscher Schriftsteller, der aber jetzt wiederentdeckt wird und auch in Einsiedeln gewesen ist. Er hat aus seiner Sicht als Jude einen sehr schönen Text geschrieben. Das sind teilweise Entdeckungen und dann kommen natürlich auch Einsiedler Schriftseller wie Meinrad Lienert oder Thomas Hürlimann hinzu, und Eveline Hassler hat das Vorwort geschrieben.“ Bruder Gerold schwelgt richtig in der Aufzählung der Autoren. „Meine Absicht ist es, dem Publikum das Fluidum von Einsiedeln als Wallfahrtsort mit diesen Texten näher zu bringen.“
Die Literatur, das betont er immer wieder, ist seine Leidenschaft. Da steigt er gern aus der klösterlichen Ruhe in die hektischen Niederungen der Städte hinunter, um an Literatur-Anlässen teilzunehmen und Kontakte zu knüpfen. Denn er ist auch Mitarbeiter der Kloster-Zeitschrift „Salve“, für die er gern prominente Zeitgenossen interviewt, die irgendeinen Bezug zu Einsiedeln haben, und sei er noch so klein. „Im aktuellen Heft ist es Mike Müller, der aber noch nie in Einsiedeln war. Viktor Giacobbo hat ihm auch schon gesagt, es wäre nun höchste Zeit… Solche Sachen mache ich gern und das ist ja auch so eine Art Öffentlichkeitsarbeit“.
Nun kommt aber erst einmal „Madonnas Fashion“ heraus. Ein Exemplar ist für Papst Franziskus vorgesehen. Bruder Gerold darf es ihm persönlich überreichen. Nächstes Jahr, im Vatikan. Das hat ihm der Privatsekretär des Papstes zugesichert.
Bruder Gerold Zenoni
"Madonnas Fashion"
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