In der amerikanischen Verfassung von 1787 wurden Frauen nicht erwähnt. Man ging davon aus, dass nur Männer wählen konnten.
Am 19./20. Juli 1848 versammeln sich erstmals amerikanische Frauen, um ausschliesslich über die Einführung des Frauenwahlrechts zu diskutieren. Sie treffen sich im kleinen Ort Seneca Falls im Bundesstaat New York zur „Seneca Falls Convention“. Initiantin des Treffens ist Elizabeth Cady Stanton. Frauen durften damals nicht öffentlich auftreten und Reden halten.
(alle Fotos: Library of Congress, Washington)
Die „wahre amerikanische Frau“ hatte fromm zu sein, eine häusliche Ehefrau, die ihren Mann als Gebieter und Beschützer betrachtete. Ihr Wirkungskreis war das traute Heim.
1850 findet in Worcester (Massachusetts) die erste „National Women’s Rights Convention“ statt. Neben dem Hauptthema Frauenwahlrecht befasst man sich mit Fragen der Lohngleichheit, der Bildung von Mädchen und Frauen, des Alkoholismus und der Sklaverei. Zwölf solche jährliche Veranstaltungen sollten stattfinden.
Während des Sezessionskrieges von 1861 bis 1865 wurden die Bemühungen um die Einführung des Frauenwahlrechts zurückgestellt.
1866, an der 11. „National Women’s Rights Convention“, wird die „American Equal Rights Association“ (AERA) gegründet. Angeführt wird sie von Lucretia Mott.
Doch innerhalb der Vereinigung entsteht Streit darüber, auf welchem Weg man das Frauenwahlrecht erreichen will. So spaltet sich die AERA, zwei Organisationen entstehen.
- Die „American Woman Suffrage Association“ (AWSA), die von Lucy Stone angeführt wird. Sie gibt zusammen mit ihrem Mann die erste Frauenrechtszeitschrift heraus.
- Die „National American Woman Suffrage Association“ (NAWSA), die lange Zeit von Carrie Chapman Catt dominiert wird.
Die Stellung der Frau hatte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts stark verändert. Immer häufiger brechen Frauen aus dem „trauten Heim“ aus und übernehmen öffentliche Funktionen – oft allerdings nur Freiwilligenarbeiten. Die Geburtenraten sinken, die Bildung der Frauen nimmt stark zu. Die „neue Frau“ hat auch Auswirkungen auf die Mode: weg mit den wallenden Gewändern, gefragt ist eine praktische Kleidung. Selbst Frauen in Sportbekleidung sieht man immer häufiger.
In einigen Gemeinden und Bundesstaaten, so in Colorado, Idaho und Washington, wird das Frauenwahlrecht gutgeheissen. 1911 können Frauen schon in sechs westlichen Bundesstaaten wählen.
1913 wird in der Hauptstadt Washington die „Suffrage Parade“ abgehalten, und zwar am Tag vor der Inauguration von Präsident Woodrow Wilson. Viele empfinden die Parade als Provokation. Mehrere Männer gehen gewaltsam gegen die defilierenden Frauen vor. Die Parade bringt den Frauenrechtlerinnen einen landesweiten Publizitätsschub.
Schon früh wurden demonstrierende Frauen angepöbelt.
1916 entsteht eine weitere, diesmal radikale Frauenorganisation: die „National Woman’s Party“ (NWP), die von Alice Paul angeführt wird.
Mitglieder der NWP stören sich vor allem an der zweideutigen Haltung von Präsident Wilson. Immer wieder belagern sie das Weisse Haus und stellen Transparente auf.
Auf einem heisst es. „Wir, die Frauen Amerikas, sagen Ihnen, dass Amerika keine Demokratie ist. Zwanzig Millionen amerikanischen Frauen wird das Wahlrecht verweigert. Präsident Wilson ist der Hauptgegner ihrer Beteiligung an nationalen Wahlen.“
Im 1. Weltkrieg spielen Frauen eine wichtige Rolle an der Heimatfront. Viele Männer sind im Krieg und werden in der Wirtschaft von Frauen ersetzt, was sie weiter aufwertet.
Doch das gefällt nicht allen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen und Pöbeleien gegen Frauenrechtlerinnen. Nicht nur Männer kämpfen gegen die Emanzipation. Auch viele Frauen stehen bei Demonstrationen gegen das Frauenwahlrecht an vorderster Front. Zu den Gegnern gehören auch viele Demokraten aus den Südstaaten.
1872 wird in Boston die „Anti-Suffrage-Group“ gebildet. 1911 entsteht die „National Association Opposed to Woman Suffrage“ (NOWS).
Am 12. Januar 1915 scheitert im Repräsentantenhaus ein Versuch, das Frauenwahlrecht einzuführen. Es wird mit 284 zu 174 Stimmen abgelehnt.
Im November 1917 wird im Bundesstaat New York ein Referendum zum Frauenwahlrecht mit grosser Mehrheit gewonnen.
Der zur Abstimmung stehende 19. Zusatzartikel zur Verfassung (Amendment) lautet: „Das Wahlrecht der Bürger der Vereinigten Staaten darf von den Vereinigten Staaten oder einem Einzelstaat nicht auf Grund des Geschlechts versagt oder beschränkt werden.
Der Kongress ist befugt, diesen Zusatzartikel durch entsprechende Gesetze zur Durchführung zu bringen.“
Im Januar 1918: ein neuer Versuch. Präsident Wilson setzt sich nun vehement für die Vorlage ein. Im Repräsentantenhaus wird der 19. Zusatzartikel mit zwei Dritteln der Stimmen angenommen, im Senat jedoch fehlen zwei Stimmen.
Am 10. Februar 1919 wird erneut abgestimmt. Diesmal scheitert die Vorlage an einer einzigen fehlenden Stimme.
Am 21. Mai beruft Wilson den Kongress zu einer Sondersitzung ein. Im Repräsentantenhaus stimmen 304 Abgeordnete für und 89 gegen die Vorlage. Im Senat votieren daraufhin 56 Senatoren für und 25 gegen den Zusatzartikel.
Doch jetzt müssen die einzelnen Staaten das Amendment noch ratifizieren. Das tun die meisten recht schnell, nicht so Tennessee.
Dann endlich, am 18. August 1920 – vor 100 Jahren – ratifiziert auch Tennessee mit äusserst knapper Mehrheit den Zusatzartikel. 50 von 99 Abgeordeten in Tennessee sprechen sich für das Amendment aus. Somit haben drei Viertel aller Bundesstaaten den Zusatz ratifiziert. Aussenminister Bainbridge Colby beglaubigt die Ratifizierung am 26. August 1920.
Damit wird auf dem gesamten Gebiet der USA das Frauenwahlrecht eingeführt.
Die Wahl vom 2. November 1920 war die erste Präsidentschaftswahl, an der Frauen teilnehmen konnten.
36 Prozent der wahlberechtigten Frauen gingen zur Urne; bei den Männern waren es 68 Prozent. Einige Frauen glaubten noch immer, Frauen sollten sich aus der Politik heraushalten. Zudem wurden Frauen von ihren Männern daran gehindert, zur Wahl zu gehen. Da und dort wurde der Zugang der Frauen zu den Wahllokalen erschwert: man verlangte von ihnen den Beweis, dass sie einen festen Wohnsitz hatten und ihre Steuern bezahlten. Und sie mussten beweisen, dass sie lesen konnten. Von Männern verlangte man diesen Beweis nicht.