Es sind Superlative, die sich mit dem Namen Bob Dylans verbinden. Als Sänger und Songwriter erlangte er Weltruhm, seine Platten wurden millionenfach verkauft und mit „Blowin´ in the Wind“ schuf er die Hymne der amerikanischen Friedensbewegung. Allzu gern hätte sie ihn zu ihrer Galionsfigur gemacht, aber dagegen wehrte er sich.
Charisma
Schon in seinen Anfangsjahren verfügte er über eine ganz ungewöhnliche Ausstrahlung. Wenn er, manchmal unangekündigt, in einem der zahlreichen Clubs erschien, in denen damals überwiegend Beatnik- und Folk-Musik gespielt wurden, waren die Besucher ausser sich vor Begeisterung. Es trieb damit seine Scherze und trat hier und da als ein Typ auf, der angeblich nicht Bob Dylan hiess, sondern nur von ihm grüssen liess.
Dylan war übrigens der Künstlername von Robert Allan Zimmermann. Woher er „Dylan“ hatte, ist nicht ganz klar. Die wahrscheinlichste und zugleich schönste Erklärung ist die, dass er sich dabei auf Dylan Thomas bezog. Den hatte er ebenso gelesen wie die damalige avantgardistische oder besonders geschätzte Literatur von Charles Baudelaire, Paul Verlaine über Arthur Rimbaud bis Allen Ginsberg.
Ätzende Kritik
Konnte er singen? Joan Baez, die ihm auf einer ihrer grossen Tourneen 1963 zum ersten ganz grossen Ruhm verhalf, selbst mit ihrer machtvollen Stimme eine Ikone der Friedensbewegung war, machte sich, wie in dem Dokumentarfilm von Martin Scorsese zu sehen ist, über sein Krächzen lustig. Diese Persiflage ist ihr nicht einmal gut gelungen. Der Scherz zündet nicht richtig. Offenbar gehört zum Charisma von Bob Dylan, dass seine Art zu singen die Menschen unmittelbar berührt, auch wenn er es damit in keinen Chor geschafft hätte.
Es fällt auf, dass gerade diejenigen, die ihn ganz besonders verehren, mit bitterstem Hohn auf seine künstlerischen Abstürze reagieren. Ätzender geht es nicht. Was hat er da nur wieder gemacht!? Miserable Texte, fürchterliche Kompositionen – und von den Arrangements reden wir gar nicht erst. Wenn Bob Dylan nicht auf seiner eigenen Höhe ist, empfinden das seine Kenner und Liebhaber wie einen Verrat.
Früher Erfolg
Den Lebensweg von Bob Dylan stellt man sich am besten wie eine Achterbahnfahrt vor. Anfang der sechziger Jahre hatte er einen phänomenalen Aufstieg. Er schöpfte aus der Musik seiner Zeit, hatte die richtigen Vorbilder wie Pete Seeger, schloss Freundschaft mit Allen Ginsberg, und er hatte ganz sicher grosses Talent. Schon in seiner Schulzeit spielte er in Gruppen mit, aber als er seinen Eltern 1960 mitteilte, dass er Musiker werden wolle, wurden die fuchsteufelswild. Er war für das väterliche Unternehmen vorgesehen, also für „etwas Richtiges“. Nach langem Hin und Her gaben sie ihm ein Jahr Zeit, um zu beweisen, dass er als Musiker Karriere machen könne.
Das klappte sehr gut, aber darin lag schon das nächste Problem von Bob Dylan. Denn diese Karriere basierte auf der damaligen Folk-Musik, auf akustischen Instrumenten und auf Texten, die die damaligen Stimmungen der aufbrechenden Protest- und Bürgerbewegungen aufnahmen. 1963 spielte Dylan beim Civil Rights March, auf dem Martin Luther King seinen grossen Traum von der Versöhnung der Rassen zu einem Schlagwort machte, das Jahrzehnte überdauern sollte.
Literarische Höhen
Was aber kommt danach? Viel zu früh war Dylan zu einer Ikone geworden. Das war für ihn ein vergoldeter Käfig. Nun fing er an, Tabus zu brechen. Aus Folk wurde Rock, aus der akustischen wurde eine E-Gitarre. Als er damit beim Newport Folk Festival 1965 das erste Mal vor seine Fans trat, wurde er ausgebuht. Er brach ab. Nach einer Weile trat er noch einmal auf die Bühne und begleitete sich mit der gewohnten akustischen Gitarre und der Mundharmonika, wie man es von ihm kannte und liebte.
Auch sein privates Leben verlief kurvenreich. Es gab Scheidungen, die ihn sehr mitnahmen, und dann war da noch ein Motorradunfall, der ihn für zwei Jahre aus der Bahn warf. Aber das Erstaunliche an Bob Dylan ist, dass er das Comeback schaffte. So wurde die Platte „Desire“ von 1976 ein grosser kommerzieller Erfolg.
Und er setzte erneut Massstäbe. Denn seine Texte, zum Teil aus grösster innerer Not geboren, hatten literarische Qualität. 1996 setzten sich John Bauldie, Allen Ginsberg und der Literaturprofessor Gordon Ball mit Erfolg für eine offizielle Nominierung Dylans für den Literaturnobelpreis ein. Dylans Lyrik konnte Höhen erklimmen, die man bis dahin von Songwritern weder kannte, noch erwartete.
Vernichtende Urteile
Aber auch hier gab es tiefste Stürze. Einer seiner besten Kenner und scharfsinnigsten Beobachter, Greil Marcus, hat einige seiner Texte in der Luft zerpflückt. Das machte er nicht nur mit dem einen oder anderen beliebten Song wie zum Beispiel "Is your love in vain". Ganz besonders heftig reagierte er auf die zwei Platten, die Dylan in seiner Zeit als evangelikaler wiedererweckter Christ zwischen 1978 und 1981 herausbrachte. Abgeschmackte Texte, erbärmliche Musik, so lautete sein Urteil. Und nicht nur er, sondern die meisten seiner Fans atmeten auf, als Dylan diese Phase endlich hinter sich gebracht hatte.
Wo ist der Bob Dylan, der uns mal mit seiner Vitalität und seinem Genie ausser Rand und Band gebracht hat? Das ist die Frage, die die Kritiker immer wieder stellen und dabei zumeist die 60er Jahre sowie einige Highlights danach im Auge haben. Dylan hat die Messlatten so hoch gelegt, dass er sie selbst regelmässig gerissen hat. Aber selbst dann, wenn er deutlich unter seinem Niveau blieb, ahnte man die Liga, zu der er gehört. Um so wütender reagierten die Kritiker.
Ehrungen
Besonders gut lässt sich an den beiden letzten Cds beobachten. 2012 erschien „Tempest“ und erntete höchstes Lob. Da schöpft Dylan aus dem gesamten Reichtum seiner musikalischen Traditionen. Das überzeugt, auch wenn seine Stimme inzwischen noch krächzender geworden ist. Im letzten Jahr nun hat er eine Art Hommage an Frank Sinatra versucht. Das ging absolut schief und erregte noch einmal den gesamten Abscheu seiner ihm sonst so zugetanen Kritiker. Grosses Lob erntete zu Recht eine Kompilation von 2015, die auf die Einflüsse der Country Music auf sein Werk zurückgeht: „Bob Dylan und die Nashville Kids“. Da staunt man. Hat Dylan doch tatsächlich mit Johnny Cash zusammengearbeitet.
1988 trat Dylan seine „Never ending Tour“ an. Seitdem gibt er weltweit 100 Konzerte pro Jahr. Und da sind sich die Kritiker einig: Wenn Dylan auftritt, geht von ihm eine Faszination aus, die nicht allein mit seinem Können zusammenhängt. Er ist wirklich ein ganz Grosser. Daran gemessen wirken die bedeutenden Preise, die ihm in den vergangenen Jahren verliehen wurden, wie blosse Accessoires: zwei Ehrendoktortitel, Pulitzer Sonderpeis, Mitglied mehrerer Akademien, Mitglied der Ehrenlegion und natürlich aufgenommen in die „Rock and Roll Hall of Fame“.