In Myanmars Wirtschafts- und Hafen-Metropole Yangon sind Drogen jeden Kalibers ohne grosse Schwierigkeiten zu haben. In den nördlichen Grenzorten zu China wie Muse werden Heroin und Methamphetamine beinahe so offen verkauft wie Zigaretten. Kein Wunder, denn Myanmar liegt am berühmt-berüchtigten Goldenen Dreieck, angrenzend an Thailand, China und Laos. In diesem Gebiet werden Drogen produziert und vor allem geschmuggelt.
Lukrative Märkte
China ist ein grosser Drogenmarkt, insbesondere die ans Goldene Dreieck angrenzende Provinz Yunnan. Im Reich der Mitte soll es je nach Schätzungen und Statistik zwischen fünf und fünfzehn Millionen Drogensüchtige geben. Thailand und Vietnam sind für die Drogenbanden ebenfalls lohnende Märkte. Doch auch in Myanmar selbst steigt die Nachfrage rasant. Besonders betroffen sind die Bundesstaaten am westlichen, nördlichen und östlichen Rand hin gegen Bangladesh, Indien, China und Thailand. Dort ist die Jugendarbeitslosigkeit mit zum Teil weit über fünfzig Prozent enorm hoch, die Flucht in die Droge verführerisch. Die in illegalen Labors in den Grenzgebieten verfertigten Metamphetamine sind zudem mit umgerechnet ein bis zwei Dollar pro Pille im Vergleich zu Heroin relativ billig. Die Folgen unter den Jugendlichen sind verheerend. Metamphetamine machen schnell abhängig, fördern Lethargie aber auch Aggressionen und führen nicht selten zu schweren Depressionen.
Krieg
Metamphetamine – auf Englisch auch „Ice“ oder „Chrystal Meth“ und auf Thailändisch „Yaba“ (verrückte Droge) – sind seit einigen Jahren ein immer besseres Geschäft. In den Bundesstaaten Shan, Kachin und Kayin produzieren Labors jährlich bis zu zwei Milliarden Tabletten. Betrieben werden die Labors meist von Milizen, welche seit Jahrzehnten im Krieg mit der Tatmadaw – der burmesischen Armee – stehen. Kommt dazu, dass die Grenzlinien zwischen den Konfliktparteien nicht eindeutig gezogen sind. Oft sind auch Militärs und Beamte involviert, die unter der Hand etwas dazuverdienen. Es steht viel Geld auf dem Spiel.
Korrupte Beamte und Soldaten sind in den nördlichen Bundesstaaten von Myanmar auch im Spiel, wenn es um die Produktion von Rohopium geht. Sie schützen gegen Geld sowohl Schmuggler als auch Produzenten. Rund 200‘000 Bauernfamilien bauen nach Uno-Angaben auf über 500 Quadratkilometern Schlafmohn an. In Labors, ebenfalls in den entlegenen Grenzgebieten, wird daraus hochwertiges Heroin produziert. Heute ist Myanmar nach Afghanistan der weltweit zweitgrösste Opium- und Heroin-Produzent. Der Anbau von Mohn und die Produktion von Heroin hat sich in Myanmar laut Angaben der Vereinten Nationen in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Bekämpfung der Armut
Die noch junge, demokratisch gewählte Regierung der Nationalen Liga für Demokratie unter der Führung der Staatsrätin, Aussenministerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hat dem Drogenübel vorerst wenig entgegenzustellen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der wirtschaftlichen Entwicklung und der Bekämpfung der Armut. Rund fünf Jahrzehnte harter Militärherrschaft hat auch dazu geführt, dass vorerst zur gleichzeitigen Lösung aller Probleme ganz einfach zu wenig finanzielle Ressourcen und vor allem zu wenig ausgebildete Fachleute vorhanden sind. Die Regierung arbeitet so beim Drogenproblem mit der amerikanischen Drug Enforcement Administration (DEA) zusammen. Die Vereinten Nationen haben zudem seit 2014 Programme lanciert, um die Bauern vom Mohn-Anbau abzubringen. Die Alternativen, Gummi, Mais oder Kaffee, sind freilich im Vergleich zum Mohnanbau wenig lukrativ und deshalb bislang nur selten erfolgreich.
Harter Entzug
Den drogenabhängigen Jugendlichen hat die Regierung ebenfalls wenig anzubieten. Kaum Arbeitsplätze und wenig Hilfe beim Entzug. Nur am Weltdrogentag – dem 26. Juni – werden jeweils öffentlich und live am Fernsehen Drogen verbrannt. Das ist wenig mehr als eine Alibiübung. In einige Gliedstaaten, unter anderem im christlich geprägten Kachin an der Grenze zu Indien und China, wo rund 70 Prozent der Jugendlichen von Drogen abhängig sein sollen, wird von Bürgern reagiert. In der grössten Kachin-Stadt Myitkyina zum Beispiel betreiben Christen Rehabilitationszentren. Mit aller Härte allerdings, d. h. ohne Medikamente und nur mit dem Wort Gottes. Die burmesische Regierung befürwortet die harte Gangart.
Drogen-Mönch
Vor kurzem drang das Drogenproblem überdeutlich ins Bewusstsein der Bewohner von Myanmar. Eine direkt der Regierung unterstellte Polizeieinheit nahm im westlichen Bundesstaat Rakhine an der Grenze zu Bangladesh einen buddistischen Mönch fest. Dieser fuhr, wie die „Myanmar Times“ berichtet, in einem japanischen Luxus-SUV, am Steuer ein Novize, durch die Stadt Maungdaw. Im Wagen des friedlichen Mönchs – noch dazu ein Abt wie sich herausstellen sollte – wurden 400‘000 Tabletten Metamphetamin sichergestellt. Bei der Durchsuchung des Klosters kamen über vier Millionen Yaba-Tabletten, eine Handgranate sowie Waffen und Munition zum Vorschein. Im buddhistisch geprägten Burma kam diese Nachricht einer Sensation gleich. Nicht zuletzt auch deshalb, weil seit der demokratischen Oeffnung buddhistische Mönche sich zunehmend lautstark in politische Angelegenheiten mischen. So wird von buddhistischen Mönchen gegen die kleine Minderheit der Moslems im Land – je nach Statistik zwischen vier und acht Prozent der Bevölkerung – im Internet und auf Flyern aufs übelste gehetzt.
Drogen als Wirtschaftsfaktor
Das Beispiel des buddhistischen Drogen-Mönchs zeigt, dass Drogen derzeit in Myanmar allgegenwärtig sind. Dies umso mehr, weil die Wirtschaft seit der demokratischen Oeffnung vor sechs Jahren blüht. Das Brutto-Inlandprodukt (BIP) wächst seit 2010 mit annähernd acht Prozent pro Jahr. Das BIP pro Kopf ist in den letzten zehn Jahren von 345 Dollar auf 1300 Dollar gestiegen. Dabei spielten und spielen Profite aus dem illegalen Drogenhandel eine nicht zu unterschätzende Rolle. Vor allem im Immobilien-Sektor und beim Ausbau der desolaten Infrastruktur – Strassen, Brücken, Dämme, Airports, Häfen, Eisenbahn oder Telecom – sind Firmen tätig, deren Gründer mit Drogenhandel oder Drogenproduktion in Verbindung gebracht werden. Enge Beziehungen zum Militär waren und sind dabei auch nicht hinderlich.
Null-Toleranz
Solange die unruhigen Grenzregionen der ethnischen Minderheiten nicht befriedet sind, bleiben synthetische Drogen und Opium-Derivate ein lebensbedrohendes Problem für Myanmar. Dies umso mehr, als riesige Absatzmärkte wie China, Thailand, Vietnam und das eigene Land lukrative Profite garantieren. Doch auch die Märkte in Amerika und Europa versprechen maximalen Gewinn. Für Mohnbauern, Labor-Produzenten, Drogenschmuggler, Transporteure und Meth-Verkäufer ist das Risiko gross. Die Gesetze in Myanmar und anderswo in Asien sind eindeutig und hart nach der Devise Null-Toleranz. In Burma etwa wird man auf unübersehbaren Plakaten – zum Beispiel am Flughafen in Yangon bei der Einreise – darauf aufmerksam gemacht, dass Drogen verboten sind und die Todesstrafe droht. Der Profit freilich muss wohl grösser sein als das Risiko.