Nach der Qualifikation für die Fussball-WM sind wir Schweizer Kosovaren, Kosovo-Albaner. Denn ohne sie würde unser Team wohl nicht an den Zuckerhut reisen. Als Krönung schoss Granit Xhaka am Dienstag gegen Slowenien das letzte Tor der Qualifikationsrunde. Als wollte er zeigen: ohne uns geht es nicht.
Kosovo verleitet Schweizerinnen und Schweizer ja nicht gerade zu Träumereien. Kosovo-Albaner haben nicht immer den allerbesten Ruf. Zwar sind die meisten ehrliche und rechtschaffene Bürger. Doch einige ballern ihre Frauen nieder, etliche sitzen im Knast, andere rasen durch unsere Strassen. Rassistische Sprüche sind üblich, Vorurteile auch. „Zehn Neger sind mir lieber als ein Kosovo-Albaner“, sagte ein Mann im Zug von Giswil nach Luzern.
Und jetzt dies: Xherdan Shaquiri, ein im Kosovo geborener Schweizer Secondo, „gehört auf die Rütli-Wiese“. Dies sagt nicht irgendeiner, sondern der Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbandes. Und er sagt es in der ehrenwerten NZZ. Also: ein Kosovo-Albaner neben Werner Stauffacher, Walter Fürst und Arnold von Melchtal – oder gar neben Willhelm Tell. Einigen Patrioten sträuben sich die Haare.
Wenn es um Fussball-Ehre geht, sind Vorurteile und schnelle Einbürgerungen schnell vergessen. Diese Feststellung ist uralt und banal. Die Frage ist, tragen die Shaquiris, Xhakas und Co. zu dem bei, was Sepp Blatter stets in die Welt hinausposaunt: dass der Fussball völkerverbindend sei. Schön wäre es. Doch die Fussball-Welt unterscheidet sich von der wirklichen Welt. Die Urteile und Vorurteile der Schweizer gegenüber dem jüngsten europäischen Staat sitzen tief; einige Tore begnadeter Kosovo-Albaner ändern da wohl wenig.
Und dennoch: Shaquiri und Xhaka sind Botschafter des Kosovo. Auf ihnen lastet eine grosse Verantwortung. Wenn sie es schaffen, zu achtbaren, sauberen Idolen zu werden, haben sie viel für die Heimat ihrer Eltern erreicht. Schon laufen Schweizer Buben mit Fussballleibchen herum auf denen steht: „Shaquiri“, „Xhaka“. Schon sieht man Transparente mit der Aufschrift: „Danke Xhaka“. Vielleicht ist das ein ganz kleiner Anfang. Mehr wohl nicht. Und wenn die Schweiz im nächsten Jahr in Brasilien in den WM-Final einzieht, werden Zehntausende roter Fähnchen geschwenkt – und vielleicht auch einige blaue. Solche, die kaum jemand kennt: kosovarische Fähnchen.