Ein Geschäftsmann, ein wirklich geschätzter Freund, fragte mich jetzt bei einem Treffen in Bezug auf das Journal21 wieder einmal: «Wie finanziert Ihr Euch?» Ich antwortete ihm: «Ich finde es schade, dass Dir keine bessere Frage einfällt.»
So könnte man stattdessen auch einmal fragen, worin die enormem Kräfte bestehen, die ein journalistisches Projekt wie das Journal 21 über viele Jahre am Laufen halten. Journalisten sind Individualisten und in der Regel höchst eigenwillig. Was hält sie zusammen? Und warum gibt jeder im Laufe vieler Jahre wieder und wieder sein Bestes?
Geschäft und Kultur
Aus der Sicht von Geschäftsleuten ist es aber völlig klar, dass nichts unternommen wird, was sich nicht irgendwie «rechnet». Der Literaturwissenschaftler Peter von Matt hat einmal darauf hingewiesen, dass Heinrich Heine von einem inneren «Ticken» von erfolgreichen Geschäftsleuten gesprochen hat: Sie wittern das Geschäft, wo normale Zeitgenossen noch ahnungslos vor sich hin träumen. In ihrer Brust tickt es entsprechend. Deswegen, so von Matt in einer Reminiszenz an Heinrich Heine, sei es völlig hoffnungslos, dass ein Nicht-Geschäftsmann sich in die Rolle von erfolgreichen Finanzmenschen hinein fantasiert. Er kann nur scheitern, weil ihm das Sensorium fehlt.
Aber umgekehrt fehlt das Sensorium auch. Ein Geschäftsmann kann sich einfach nicht vorstellen, was es heisst, von einer Idee oder einer Aufgabe besessen zu sein, ohne über kurz oder lang eine Rechnung stellen zu können. Es gab einmal das Wort von den «zwei Kulturen». Damit kennzeichnete der britische Wissenschaftler und Schriftsteller C. P. Snow 1959 die grosse Kluft zwischen der technisch-wissenschaftlichen Kultur und den Geisteswissenschaften. Diese Kluft spielt heute eine immer geringere Rolle, zumal die Geisteswissenschaften sich selbst zunehmend abgeschafft haben – was allerdings ein eigenes Thema ist. Aber es gibt auf einer anderen Ebene «zwei Kulturen»: Geschäft und Kultur.
Leidenschaft
Was man Geschäftsleuten schwer klarmachen kann, ist die Leidenschaft, die von Aufgaben und Ideen ausgehen kann. Als Erstes kommt die Idee, die Leidenschaft, erst dann stellt sich die Frage, wie sich damit Geld verdienen lässt. Dies klingt idealistisch, gewiss. Aber grundsätzlich gilt, dass alle Medien von Journalisten, Fotografen und Kameraleuten beliefert werden, die sich engagieren, ohne jedes Mal von vornherein zu wissen, dass ihr grosser Einsatz auch mit Geld und Karriere belohnt wird. Und im Journal 21 arbeiten zum Teil Journalisten, die ihre bezahlte Berufskarriere hinter sich haben, aber sich trotzdem so engagieren, wie sie es von Anfang an getan haben.
Und diese Bereitschaft, weitaus mehr zu tun, als ein Arbeitsvertrag unmittelbar erfordert, ist auch für andere kulturelle Bereiche von essentieller Bedeutung. So könnte keine Schule und keine Universität ohne diejenigen auskommen, die sich aus Leidenschaft für ihre Aufgaben engagieren, ohne jeweils zu fragen, wer ihnen die Leistungen über das geforderte Minimum hinaus vergütet. Und es gibt wohl keinen Patienten, der nicht hofft, dass Ärzte und Pfleger aus ihrem Ethos heraus für ihn etwas mehr tun, als der reine Dienstplan vorschreibt.
Wieder und wieder versuche ich, gut situierten Bekannten und Freunden klarzumachen, dass nicht nur die Schulen, in die sie ihre Kinder schicken, sondern auch die Konzerte, Opern und die Ausstellungen, die sie besuchen, auf einem Mehrwert beruhen, der nicht immer gleich eine Entsprechung in adäquater Bezahlung oder Gewinn findet und fand. Der Glanz der Konzertsäle und Museen von heute wirft ein falsches Licht auf die Vergangenheit. Natürlich gibt es Kunst, von denen die Urheber gut leben konnten. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel.
Zwei verschiedene Bäume
Geschäftsleute haben Schwierigkeiten, die Tragfähigkeit kultureller Ideen und des damit verbundenen Engagements einzuschätzen. Für sie ist allein das Geld tragfähig. Das muss in kultureller Hinsicht schief gehen. Wo kein Geld ist, ist in ihren Augen – nichts. Warum steht einer auf, wenn ihm dafür keine Bezahlung winkt? Unbegreiflich.
Früher hat man gerne über das Verhältnis von «Geld und Geist» philosophiert. Dieses Thema bot reichlich Stoff für beschauliche Tagungen und Broschüren. In der Geschäftswelt stellt sich dieses Thema allerdings umgekehrt und damit wesentlich härter: Wie kommt der Geist zum Geld? Natürlich wird das heutzutage anders formuliert, etwa mit dem Wort «Innovation» umschrieben. Und entsprechend wurden und werden «Start-ups» umgarnt, umworben und aufgekauft. Irgendwie muss es doch gelingen, so etwas wie Geist in die Verwertungsketten hineinzuprügeln.
Der Witz besteht darin, dass dies zum Teil sogar gelingt. Immer wieder gibt es Ideen und Erfindungen, die aus Leidenschaft und ohne kalt kalkulierte Absicht – die gibt es natürlich auch – entstanden und aus denen sich lukrative Geschäfte machen lassen. Aber diese Inspirationsquellen täuschen darüber hinweg, dass Kultur und finanzielle Verwertung auf zwei verschiedenen Bäumen wachsen. Deswegen suchen Unternehmen verzweifelt nach «Innovation» und «Ideen», und davon profitiert die Beratungsindustrie. Aber der entscheidende Punkt besteht darin, dass sich kulturelle Leidenschaft unabhängig davon entwickelt und erhält. Ganz genau so, wie auf der anderen Seite in der Brust der Geschäftsleute ein besonderes Ticken am Werke ist. Aber die Kultur tickt anders.