Verkehrsminister Moritz Leuenberger wird tief im Loch dabei sein - und mit ihm Dutzende von Notabeln. Die Fernsehstationen der deutschen, der französischen und italienischen Schweiz werden live übertragen. Viele ausländische Stationen werden das Ereignis festhalten.
Von Faido aus wird eine Tunnelbohrmaschinen die letzten Gesteinmassen durchbrechen. Dann, um 14.01 Uhr, ist der 57 Kilometer lange Eisenbahntunnel von Erstfeld bis Bodio durchgehend offen.
Ausländische Zeitungen und Fernsehstationen überhäuften sich mit Reportagen über dieses Mega-Ereignis. In der Schweiz war man zunächst zurückhaltend und sprach vor allem vom Geld. Rund 13 Milliarden Franken kosten der Gotthard- und Ceneri-Basistunnel. Doch jetzt beginnt man auch bei uns zu realisieren, welch phantastische Pioniertat da geschaffen wird. Stolz und Festlaune wachsen.
Die Durchschlagstelle vom 15. Oktober befindet sich 27 Kilometer vom Nordportal Erstfeld und 30 Kilometer vom Südportal Bodio enternt. Der Piz Vatgira, der sich über dieser Stelle befindet, hat eine Höhe von 2983 Metern und ist die höchste Erhebung über der Tunnelröhre.
Mailand, ein Vorort von Zürich – oder umgekehrt
Der Gotthard-Basis-Tunnel besteht aus zwei einspurigen Röhren. Durchschlagen wird zunächst die Oströhre. Der Durchschlag der Weströhre ist für das kommende Frühjahr geplant. Der Tunnel, der aus Mailand ein Vorort von Zürich macht – oder umgekehrt – soll in sieben Jahren in Betrieb genommen werden.
Unter Leitung von Theaterregisseur Volker Hesse werden am 15. Oktober verschiedene Künstler diesen wichtigen Meilenstein in der Baugeschichte des Gotthard-Basistunnels optisch und akustisch inszenieren.
Gefeiert wird auch auf den Baustellen in Sedrun und Faido sowie in Erstfeld und Bodio. Dort wird vor allem jenen gehuldigt, die das Bauwerk in einer Arbeit rund um die Uhr ermöglicht haben: die Arbeiter, die Mineure. Persönlich zu den Feiern eingeladen wurden Einwohner der Portalgemeinden Erstfeld, Bodio sowie Faido und Sedrun. Im KKL in Luzern findet gleichzeitig eine Feier mit 3 500 geladenen Personen statt. Der Durchschlag wird dort auf riesigen Bildschirmen live übertragen.
Eine Feier, an der alle Schweizerinnen und Schweizer teilnehmen können, wird es erst 2017 geben: bei der Inbetriebnahme des Neat-Tunnels.
An die Neat-Röhren kommt keiner heran
Der Gotthard-Basis-Tunnel wird für viele Jahrzehnte lang der längste Tunnel der Welt bleiben. Zwar sind mehrere sehr lange Tunnels im Bau oder in Planung, doch an die Neat-Röhre kommt keiner heran. Der Brenner-Basis-Tunnel, dessen Baubeginn für 2013 geplant war, misst 55 Kilometer - zwei Kilometer weniger als der Neat-Tunnel.
Der bisher längste Tunnel der Welt war der Seikan-Tunnel in Japan, er ist 53,9 Kilometer lang. Auch er ist ein Eisenbahntunnel und besitzt zwei unterirdische Bahnhöfe.
An bisher zweiter und neu an dritter Stelle folgt der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal mit 49,9 Kilometern. Bisher dritter und bald viertlängster Tunnel ist der Lötschberg-Basis-Tunnel mit 34,6 Kilometern.
In 2 Stunden und 40 Minuten von Zürich nach Mailand
Die Personenzüge werden ab 2017 mit 250 Kilometern pro Stunde durch die beiden Neat-Röhren rasen. Ein gewöhnlicher EC-Zug fährt heute in 4 Stunden und 10 Minuten von Zürich nach Mailand. Der nicht ganz populäre Cisalpino, der jetzt kein Cisalpino mehr ist, schafft die Strecke von Zürich nach Mailand heute in 3 Stunden und 40 Minuten.
Mit dem Gotthard-Basis-Tunnel wird die Reisezeit auf 2 Stunden und 50 Minuten verkürzt.
Werden dann noch der Ceneri- und Zimmerberg-Tunnel in Betrieb genommen, wird die Reisezeit von Zürich nach Mailand nur noch 2 Stunden und 40 Minuten dauern. Das sind zwei Minuten weniger als man für die flache Strecke von Zürich nach Genf braucht. Eben: Mailand ein Vorort von Zürich – oder umgekehrt.
Von der Reisezeitverkürzung können mehr als 20 Millionen Menschen profitieren, die in den Einzugsgebieten wohnen – auch jene in Süddeutschland. Die Bahn wird eine echte Konkurrenz für die Strasse und für die Flugverbindung zwischen Zürich und Mailand, zwischen Süddeutschland und der Lombardei.
Neben dem Gotthard-Basis-Tunnel wird auch der Ceneri-Basis-Tunnel gebaut. Er ist gut 15 Kilometer lang. Zwar ist er weniger spektakulär, doch ohne ihn bestünde ein neues Höhenhindernis: Ohne Ceneri-Basis-Tunnel wäre es nicht möglich, die schweren Güterzüge schnell durch die Alpen zu bringen. Ohne Ceneri wäre der Neat-Gotthard-Tunnel wenig sinnvoll.
Zentimetergenaues Aufeinandertreffen
Bisher ist erst ein Viertel des Ceneri gebaut – doch bis 2017 soll auch er fertig sein. Mit dem Ceneri-Basis-Tunnel erhält das Tessin zudem eine S-Bahn-Verbindung zwischen Locarno, Bellinzone und Lugano.
Für Moritz Leuenberger, der sich unermüdlich für die Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene eingesetzt hat, ist der Durchschlag des Neat-Tunnels eine Art Krönung seiner Amtszeit. Wenige Tage später wird er als Bundesrat zurücktreten.
Früher waren Tunnel-Durchschläge oft Glücksache. Immer wieder fanden sich die Röhren nicht, und man lag um viele Meter daneben. Damit ist am 15. Oktober nicht zu rechnen. Die Röhren wurden mit Hilfe eines Satelliten-Navigationssystems vorangetrieben. Man wird unter stolzem Applaus der anwesenden Gäste und Hunderttausender von Fernsehzuschauern zentimetergenau aufeinandertreffen.
Tunnels und mehr:
Deutsche Kumpel bohren die Mega-Röhre unter den Alpen. Spiegel, 6. März 2009