«War is over! If you want it»: So texteten Yoko Ono und John Lennon 1969. Jetzt stellt das Kunsthaus Zürich Yoko Ono als Ikone des Fluxus vor – und auch als Pionierin in verschiedenen Belangen.
Die Szene ging um die Welt: John Lennon und Yoko Ono, die am 20. März 1969 heirateten, präsentierten sich den Fernseh- und Filmkameras während Tagen im Bett. Die Welt-Stars nutzten ihre immense Popularität für ihre Friedens-Demo: «Wir bleiben im Bett, sieben Tage, von zehn Uhr bis zehn Uhr, und wir sprechen über den Frieden.» «Bed-in For Peace» nannten sie die Aktion.
Im Dezember des gleichen Jahres starteten sie eine Plakat-Kampagne mit «War is over! If you want it», wie es im Song «Happy Xmas (War Is Over)» John Lennons und Yoko Onos hiess.
Das Video der Bett-Aktion und das Plakat sind im Zürcher Kunsthaus in der Ausstellung «Yoko Ono. This room moves at the same speed as the clouds» zu sehen. Die ungeahnte und schmerzliche Aktualität der Szene zeigt zweierlei – einerseits, dass Künstlerinnen und Künstler politisch-gesellschaftliche Grundstimmungen immer wieder besonders sensibel aufnehmen und reflektieren, andererseits leider auch, dass sie, trotz Hartnäckigkeit, meist machtlos vor der Realität kapitulieren müssen, auch wenn sie die Hoffnung auf eine Wirkung ihres Tuns nicht aufgeben wollen.
Ikone des Fluxus
Die Yoko-Ono-Schau in Zürich präsentiert die japanisch-amerikanische Künstlerin aber nur am Rand als Partnerin John Lennons, den sie 1966 in London kennenlernte, sondern als eigentliche Ikone des Fluxus. Diese Kunstbewegung entstand in den frühen 1960er Jahren in den USA und fasste bald auch in deutsche und französische Städte und in anderen europäischen Regionen, aber auch in Japan Fuss. Zentrale Exponenten waren in den USA George Macunias, George Brecht, John Cage oder, in Europa, Wolf Vostell, Robert Filliou und die Schweizer Daniel Spoerri und Ben Vautier.
Fluxus war eine sich in Aktionen, Happenings und musikalischen Experimenten äussernde Protestbewegung gegen bürgerliche Kulturbegriffe, gegen alles Elitäre, gegen Abschottungen. Fluxus war das Bekenntnis für eine Kunst in ständiger Bewegung, die spielerisch alle Bereiche des Lebens erfasste und fügte sich auch ein in die allgemeine politische Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre mit den Antikriegs-Bewegungen. Yoko Ono, 1933 in Japan geboren, seit 1952 in den USA wohnhaft, engagierte sich als Sängerin, Experimentalkomponistin, Filmerin, Aktivistin und bildende Künstlerin in diesem Umfeld, unterhielt Beziehungen zu den Fluxus-Exponenten wie John Cage, mit dem sie bereits 1962 gemeinsam auftrat, und verfolgte nach John Lennons Ermordung 1980 eine weltweit erfolgreiche und bis heute andauernde Künstlerinnen-Karriere.
Die Friedens-Aktionen von John & Yoko der 1960er Jahre hatten Pioniercharakter, auch wenn wir sie aus heutiger Sicht in den Zusammenhang der emotionsreichen und letztlich leeren Utopien der Hippie-Bewegung rücken müssen. Hart am Puls der Zeit war Yoko Ono zweifellos auch mit ihren frühen feministischen Aktionen sowie mit ihren Versuchen, das Publikum mit Witz und Charme in ihre künstlerischen Aktivitäten einzubeziehen und auf diese Weise auch spielerisch neue kulturelle Strategien zu entwickeln, die oft erst Jahrzehnte später breit rezipiert wurden.
«Keine Skulpturbrocken»
Die Zürcher Ausstellung wurde kuratiert von Mirjam Varadinis und Jon Hendricks, einem langjährigen Mitarbeiter und Freund von Yoko Ono, die sich von New York aus in die Planung einschaltete. Der Schwerpunkt liegt bei der Dokumentation der frühen Aktivitäten der Künstlerin. Die Kuratorinnen bedienten sich in den reich gefüllten Archiven und zeigen Zeichnungen, Fotos, Filme, Materialien, kleine Text-Notizen – «Instructions» – als Anleitungen fürs Publikum zu eigenem Mittun. Dass es, mit Ausnahme von Neufassungen älterer Objekte und Reinszenierungen von Performances der 1960er Jahre, Neues kaum gibt, gründet einerseits im Alter der bald 90-jährigen Künstlerin, andererseits in der Natur der Fluxus-Bewegung und speziell in der Arbeitsweise Yoko Onos, die als Künstlerin des Ephemeren gelten kann.
Kunst für die Ewigkeit und die grosse künstlerische «Materialschlacht» bekämpfte sie schon 1971 vehement: «Künstler dürfen nicht noch mehr Objekte schaffen; die Welt hat bereits alles, was sie benötigt. Mich langweilen Künstler, die grosse Skulpturbrocken anfertigen, damit viel Platz einnehmen und dann denken, sie hätten etwas Kreatives geleistet, den Leuten aber nichts weiter gestatten, als den Brocken zu beklatschen. Das ist reiner Narzissmus.»
Die Fliege auf der Haut
Für Yoko Ono war Feminismus stets selbstverständlich. Sie vermeidet allerdings das Plakative und setzt auf Schalk und Witz – und auf Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit. In der auch filmisch dokumentierten Performance «Cut piece» (1964) forderte sie das Publikum auf, mit einer Schere Stücke aus ihrer Bekleidung herauszuschneiden, was Themen wie Opferrolle, Aggression, Risiko und Verletzlichkeit ins Bewusstsein rückt. Im 24-minütigen Film «Fly» richtet sich die Kamera auf die nackte Haut der Künstlerin und fokussiert auf eine Fliege, die über Brust, Arme, Beine und sogar über die Lippen kribbelt, ohne dass Yoko Ono auf die zweifellos subtilen Reize reagieren würde. Der Film spielt mit hintergründigen und effektvoll ins Bild gesetzten Themensträngen wie Voyeurismus und Exhibitionismus, Intimität und Öffentlichkeit, aber auch mit einer selbstverständlichen erotischen Präsenz der selbstbewussten Frau.
Zerschlagenes zusammenflicken
Auf einem Tisch liegen mehrere weisse Porzellantassen, die in Stücke zerschlagen wurden. Landen sie in der Mülltonne? Das ist nicht Yoko Onos Ziel, denn sie legt für Besucherinnen und Besucher Uhu-Klebstoff, Klebstreifen und Schnüre bereit. «Mend Piece» nennt sie das 1966 entstandene und 2017 wieder hergestellte Werk.
Es geht um mehr als ein Spiel, denn im Hintergrund steht: Geschirr ist schnell zerschlagen. Die Bruchstücke zusammenzuflicken – das ist Kunst, und da soll jeder mithelfen. Die einfache und unmissverständliche Geste wird zum sozialen Appell. Solches Mittun des Publikums war für Yoko Ono schon immer zentral. «Mend Piece» ist nur ein Beispiel unter vielen, die in der Zürcher Ausstellung in dieser Weise auf Partizipation ausgerichtet sind. Vielleicht steht dahinter viel vergänglicher Zeitgeist der Sechziger- und Siebzigerjahre. Vielleicht auch sehen hier manche Besucherinnen und Besucher harmlose Kindergartenspiele – wie auch beim Automaten, der auf den Einwurf eines 50-Rappenstücks eine «Luftkapsel von Yoko Ono» ausspuckt. Doch Yoko Ono hat recht: Ihre Kunstwerke rezipiert nur wirklich, wer zu eigener Leistung bereit ist.
Die aktuelle Ausstellung Yoko Onos im Kunsthaus Zürich ist nicht die erste der Künstlerin in der Schweiz. Bereits 2005 lud die Kuratorin Heike Munder sie ins Migros-Museum für Gegenwartskunst in Zürich – mit vielen Werken, die auch jetzt im Kunsthaus zu sehen sind. Damals blitzte Yoko Ono mit kleinen Lämpchen ins Vernissage-Publikum – als Peace-Signal.
Kunsthaus Zürich, Erweiterungsbau. Bis 29. Mai. Mit Begleitprogramm. Publikation mit verschiedenen Essays, 18 Franken