„Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragt Herbert Grönemeyer im Refrain seines Songs ‚Männer’ und schildert die Wechselfälle eines modernen Männerlebens.
Das Rollenbild des Mannes ist schon seit einiger Zeit im Umbruch. Nicht erst seit den androgynen Tendenzen in der Mode und der Körperkultur. Nicht erst, seit die Emanzipation der Frau althergebrachte Vorstellungen ins Wanken gebracht hatte.
Wann ist ein Mann ein Mann? In den zwei Ausstellungen, die zurzeit in Basel dieser Frage nachgehen, werden keine Antworten geliefert. Die Ausstellungen zeigen, wie es war, als das Männerbild noch klar und eindeutig war, quasi in Stein gemeisselt. Als die Geschlechterrollen von der Geburt bis zum Tod eindeutig normiert waren und Abweichungen davon mit Verbannung und Ächtung bestraft wurden: so im antiken Griechenland, der sogenannten ‚Wiege unserer Kultur’.
Wie definiert sich der Wert des griechischen Mannes?
Das Antikenmuseum präsentiert anhand von Sammlungsstücken Männlichkeitsideale aus dem Athen des 6. bis 4. Jahrhunderts vor Christus. Die Skulpturenhalle setzt sich mit der Männerdomäne Sport aus dem gleichen Zeitraum auseinander.
Das Antikenmuseum zeigt den beispielhaften Lebensweg eines Bürgers aus dem antiken Athen von der Kindheit bis zum Tod. Dies zu einer Zeit als Männer die Politik, die Kultur und alle öffentliche Bereiche allein bestimmten.
Stationen sind die idealtypische Sozialisierung innerhalb und ausserhalb der Familie, die homoerotische, erzieherische Beziehung des Jungen zum älteren Mann, das Verhalten im Krieg und die religiösen Zeremonien. Ebenso die Trinkgelage nur unter Männern, wie auch die Betätigung in der reinen Männerdomäne Politik. Der Wert des griechischen Mannes definierte sich damals an seinem Nutzen für die Gemeinschaft.
Auch die heutigen Alphatiere sehen gut aus
Der Sport als Vorbereitung für den Krieg hatte eine zentrale Bedeutung im Leben wie in der Kunst. Ein griechischer Mann musste einen trainierten Körper haben und gut aussehen, um moralisch und geistig vollkommen zu sein. Der Körper diente als Projektionsfläche für die zentralen männlichen Werte in der griechischen Gesellschaft: Stärke, Tapferkeit, Selbstbeherrschung, Tugendhaftigkeit, Selbstbewusstsein und Zeugungskraft. Skulpturen, Vasen und Wandbilder zeigen diese Idealbilder von Männern.
Verbindend zur Gegenwart zeigt eine Pinnwand Helden und Ideale von heute, von Barack Obama über Roger Federer bis zu Bodybuidern und männlichen Werbeikonen. Auch die heutigen Alphatiere sehen gut aus, zeigen einen durchtrainierten Körper und signalisieren Gesundheit, Kraft und Leistungsbereitschaft.
Maîtresse, Konkubine, Ehefrau
Noch andere Parallelen drängen sich auf. So meinte Demosthenes in seiner Rede „Gegen Neaira „ im 4. Jahrhundert v. Chr. zur damaligen Beziehung des Mannes zur Frau: „Wir haben Hetären zum Vergnügen, Konkubinen für die Bedürfnisse des Alltags - und Ehefrauen, um legitime Kinder zu zeugen und eine zuverlässige Aufsicht über das ganze Hauswesen zu haben.“
Eine Dreiteilung, die sich vielleicht wohlhabende verheiratete Männer mit einer ‚Maîtresse-en-titre’ und zusätzlichen Kurzbekanntschaften bis heute leisten.
Den zwei Ausstellungen steht folgende These voran:
- Mann sein ist keine natürliche, keine biologische Tatsache. Genauso wenig sind die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die wir mit diesem Geschlecht verbinden, naturgegeben.
- Ein Geschlecht entsteht vor dem kulturellen Hintergrund einer Gemeinschaft.
Mehr Kreativität, mehr Unsicherheit
Ganz offensichtlich bedeutete dies bei stark normierten Gesellschaften wie den alten Griechen klare Verhaltensnormen bei wenig individuellem Spielraum. Heute sind einige dieser Normen nicht mehr gültig, andere aufgeweicht und neue noch nicht etabliert. Eine Zeit, die mehr individuellen Ausdruck und Kreativität zulässt bei grösserer Unsicherheit.
Diesen Themen wird in Workshops wie „Sind Männer noch das starke Geschlecht?“ im Rahmenprogramm der Ausstellungen nachgegangen.
Will Mannsein auch heute gelernt sein? Vielleicht hilft den Teilnehmern dabei ein Votum von Roger Willemsen: „Ein Mann ist ein Mann wenn er aufgehört hat, es zeigen zu müssen“.
Eine Zukunftsvision? Die Ausstellungen dauern bis zum 30. März 2014.