Chinas Revolutionäre waren, wie in dieser Kolumen schon verschiedentlich dargelegt, oft Kettenraucher. Kaum eine Photo vom „Grossen Steuermann“ Mao Dsedong (1893-1976) ohne Glimmstengel. Auch der grosse Revolutionär und Reformer Deng Xiaoping (1904 - 1997) war Tabak-abhängig, rauchte die Zigaretten der sündhaften teuren heimischen Marke „Panda“ und gab erst auf Anraten seiner Frau im hohen Alter von 84 Jahren das Rauchen auf. Der heutige Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping wurde von den Medien hingegen noch nie rauchend ertappt und ist – ganz Vorbild der Nation – wohl ein bekennender Nichtraucher. Nicht von ungefähr.
320 Millionen Raucher
China ist auch nach unzähligen Anti-Raucher-Kampagnen seit 1987 noch immer weltweit der grösste Tabakproduzent und Tabakkonsument. Alarmierend zudem, dass Jugendliche immer jünger mit Rauchen beginnen. Nach neuesten offiziellen Angaben gibt es heute in China rund 320 Millionen Raucher, 15 Millionen mehr als vor fünf Jahren. Doch nicht nur die Zahl der Raucher hat zugenommen. Die Raucher rauchen auch mehr, statistisch gesehen 15,2 Zigaretten pro Tag, eine mehr als vor fünf Jahren. Rauchen ist zudem eine Macho-Gewohnheit: 52 Prozent aller Männer sind der Zigarette vefallen, während es bei den Frauen nur 2,7 Prozent sind.
China zahlt einen hohen Preis. 1,36 Millionen Tote pro Jahr sind zu beklagen, die an Raucher-Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenkrebs oder chronische Atembeschwerden gestorben sind. Wenn dem Rauchen nicht bald Einhalt geboten werden kann, werden nach einer gemeinsamen Studie der Chinesischen Akademie für Medizin und der Universität Oxford im Jahre 2030 zwei Millionen und Mitte des Jahrhunderts gar drei Millionen Chinesen pro Jahr an Raucher-Kranheiten sterben. Der Repräsentant der Weltgesundheits-Organisation (WHO) in China, Bernhard Schwartländer, wird dazu in der englischsprachigen Regierungszeitung „China Daily“ mit folgenden Worten zitiert: „Millionen von Söhnen,Büdern, Ehegatten, Vätern, Kollegen und Freunden könnten einen komplett verhütbaren Tod erleiden“.
Hohe Bussen, 1000 Kontrolleure
Was tun? Sechzehn Städte, darunter natürlich die Hauptstadt Peking, haben rigorose Anti-Raucher-Massnahmen erlassen. In öffentlichen Gebäuden, Büros, Kinos, Karaokeklubs, am Arbeitsplatz, in Restaurants, Sportstadien, Hotels, der Untergrundbahn, in Bussen und Eisenbahnen und in Spitälern und Schulen sowieso. Hohe Bussen werden angedroht, chinesisch und deutlich überall angebracht. Zum Beispiel im Hochhaus, wo Ihr Korrespondent wohnt. Dort wird am Eingang auf einem unübersehbaren kleinen Plakat darauf hingewiesen, dass ein ertappter Raucher innerhalb des Gebäudes mit 200 Yuan (30 Franken) gebüsst wird, eine Firma dagegen muss mit einer Strafe von bis zu 8‘000 Yuan (rund 1‘200 Franken) rechnen. Nur eben, an der Durchsetzung mangelt es. Kaum erstaunlich, denn nur etwas mehr als tausend Kontrolleure sind abgestellt für die 22-Millionen-Metropole. Die Nachtwache im Hochhaus zum Beispiel zieht genüsslich an der Zigarette, wie wenn nichts geschehen wäre. Auch in der Stammkneipe Ihres Korrespondenten wird nach wie vor geraucht, dass es seine Art hat. Anderswo wird, wie man den Lokalzeitungen entnehmen kann, hin und wieder ein Raucher auf frischem Lungenzug erwischt.
Höhere Tabaksteuern
Im (chinesischen) neuen Jahr des Affen soll nun ein landesweites Gesetz dafür sorgen, dass das Rauchen im Reich der Mitte wenn nicht ein Ende hat, so doch erheblich reduziert wird. Besonders bei der Jugend. Das Tabak-Reklame-Verbot soll endlich durchgesetzt werden, ebenso ein landesweiter Rauchbann in ausnahmslos allen öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen sowie drastische Hinweise in Wort und Bild auf allen Zigarettenpackungn. In der Regierungszeitung „China Daily“ durfte der China-WHO-Vertreter die Lage kommentieren. „Wenn der Tabak-Gebrauch nicht signifikant reduziert wird“, schreibt er, „werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen auf eine schnell alternde Gesellschaft schwerwiegend sein“. Als Allheilmittel werden regelmässige Steuererhöhungen vorgeschlagen: „Höhere Tabaksteuern helfen nicht nur den Rauchern, ihre Gewohnheit aufzugeben, sondern sie tragen entscheidend dazu bei zu verhindern, dass die nächste, die junge Generation überhaupt mit dem Rauchen anfängt“.
Die chinesische Tabaksteuer wurde erst im Vergangenen Juli von fünf auf elf Prozent ziemlich drastisch erhöht. Doch die Theorie „Höhere Tabaksteuern, weniger Raucher“ geht nicht immer auf. Die WHO zitiert zwar die Philippinen als gutes Beispiel, wo die sogenannten „Sünden“-Steuer zu leicht weniger Rauchern geführt hat. Doch die sündhafte Steuer betrifft nicht nur den Tabak sondern eben auch den Alkohol. Im Reich der Mitte stellt nun „China Daily“ fest: „Höhere Tabaksteuern tragen wenig zur Veränderung der Rauchgewohnheiten bei“, und folgert im Einklang mit WHO-Empfehlungen, dass neben höheren Steuern andere Massnahmen, zumal in der Erziehung, dringend nötig sind.
Neue Zigarettenprodukte
Aber eben, in China wie anderswo ist Tabak noch immer ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Nach Angaben von „China Daily“ generierte die Tabakindustrie vor zwei Jahren 956 Milliarden Yuan (rund 150 Mrd Franken) an Steuern und Gewinnen. Deshalb kommen auch immer neue Zigarettenprodukte auf den Markt, in den letzten Jahren insbesondere die dünnen und ultradünnen Zigaretten. Ling Chengxing, Chef des Tabak-Staatsmonopols, erklärte so ganz businesslike und selbstverständlich der amtlichen Nachrichten-Agentur Xinhua (Neues China), dass diese neue Art von Zigaretten die „Verbraucher-Trends und der Tabak Produkte-Innovation“ widerspiegelten. Zudem seien die Dünn-Zigaretten billiger und weniger schädlich als die traditionellen Glimmstengel. Kurz, laut Ling haben die neuen Zigaretten ein „riesengrosses Marktpotential“. Das mag so sein. Doch Xu Guihua, Stellvertretende Vorsitzende der Chinesischen Tabak-Kontroll-Vereinigung, widerspricht, bezeichnet die neuen Zigaretten als „Marketing-Betrug“ und merkt laut Xinhua an: „Es gibt nicht so etwas wie eine ‚sichere‘ Zigarette, so dünn sie auch immer sei“.