Und tatsächlich, schaut man die Photos an, er immer im rechten Profil, und neigt man dabei den Kopf leicht zur Seite, blickt von unten herauf, die Augen leicht zugekniffen, so hat es was: Die schwarzen Locken, der runde Kopf, der schmachtende Blick. Nein im Ernst, Vittorio Grigolo mit seinen zurückgegelten Haaren, perfekt gestylt und dem gewissen Geheimnis, -schaut er doch sinnend ins Weite,- gleicht er eher einem anderen berühmten Italiener, dem ‚Scheich’, Rodolfo Valentino .
Vielleicht, dass der junge Pavarotti gerne so ausgesehen hätte: Ein Pavarotti mit Waschbrettbauch ?
Doch was hat Luciano Pavarotti eigentlich ausgemacht ?
Immer das Schweisstuch in der rechten Hand
Sicher seine ganz unverwechselbare strahlende Stimme mit dem direkt aufs Herz zielenden Timbre. Dann seine scheinbar mühelose Stimmführung. Seine dem Volk gefällige populäre Musikauswahl, die dem ‚Nessun dorma’ ein begeistert gefeiertes ‚O sole mio ’hinanstellte. Seine Begeisterung füs Singen die ihn manchmal, immer sein weisses Schweisstuch in der rechten Hand, zu grosser Gestik hinriss. Sowie dann seine Bereitschaft zu für Klassikliebhaber ungewohnten ‚Crossovern’; er sang bei den ‚3 Tenören’ neben Domingo und Carreras bei den Fussballweltmeisterschaft und Olympischen Spielen, doch auch mit ‚Zucchero’ und ‚Bono’ ein Poprepertoire.
Crossover Experimente wären, einmal etabliert, Grigolo auch zuzutrauen. Populär ist seine Musikauswahl schon heute. Die Arien in seinem Zürcher Konzert sind allesamt Klassikschlager, die Belcantolieder fast Gassenhauer. Alles singt er, wie sein Vorbild, mit der gleichen Begeisterung.
Oft wird er von der Intensität seiner eigenen Darstellung mitgerissen, schmachtet seine Partnerin Sonya Yoncheva an, führt sie spontan in ein Tänzchen, reisst sich die Fliege ab und das Smokinghemd auf, und lässt sich schon einmal in der Blumendekoration auf die Knie fallen um eine Dame in der ersten Reihe anzusingen.
In seinen mittleren und unteren Lagen füllt sein Volumen mühelos die Tonhalle, mit einer warmen vollen, sehr ausdrucksstarken und gut geführten Stimme. Die oberen Töne sind auch intensiv, jedoch weder so rein, noch so eindringlich berührend wie die Pavarottis.
Überbordende Vitalität
Allerdings hatte dieser, als leichter lyrischer Tenor, auch mit einem Nachteil zu kämpfen. Neben seinem Vater, dem Modeneser Bäcker Fernando, war er im Heimchor "der Pavarotti mit der kleinen Stimme". Allerdings behielt er diese lange. Bei Grigolo waren nach der Pause vereinzelt schon leichte Anzeichen zur ‚Pressung’ der Stimme auszumachen. Damit es ihm nicht so geht wie Rolando Villazon seien ihm die Lektionen von Alfredo Kraus empfohlen, des spanischen Jahrhunderttenors, der durch Ökonomie und Pflege seine Stimme bis ins hohe Alter erhielt.
Schon jetzt spricht Vittorio Grigolo zur Schonung seiner Stimme vor dem Konzert zwei Tage nicht, und nachher sehr wenig, wie ein Intimus berichtet. Er lebt zeitgemäss gesundheitsbewusst und stellt mit seiner überbordenden Vitalität, dem durchtrainierten Körper und seiner unbeschränkten Emotionalität eine moderne Form des ‚Tenors als ewigem Verführer’ dar. Die muskulösen Schenkel in eng umspannenden Smokinghosen gezwängt, das Jäckchen etwas zu eng für den breiten Brustkorb, der selbstverständliche Charme, das Wissen um die eigene Attraktivität, fast schon ein Tom Cruise der Stimme.
Am Schluss donnert er sein Bouquet wie einen Brautstrauss über die Schulter ins Publikum, stürmisch bejubelt von seinen Fans.
Letzten Juli hatte Grigolo ein fulminantes Debut in ‚Manon’ von Jules Massenet neben Anna Netrebko am Londoner Covent Garden. Kurz vor seiner Konzerttournee debutierte er als ‚Alfredo’ in ‚Traviata’ (Pavarottis Paraderolle!) erfolgreich an der Deutschen Oper in Berlin. Welch ein Glück, dass sich der Formel 1-Fan statt für den Renn- doch für den Singsport entschieden hat.
Das Zürcher Opernpublikum, dem Vittorio Grigolo seit einigen Spielzeiten schon bekannt ist, wird in am 16. April in ‚Rigoletto’ wieder geniessen können, sinngemäss als der Verführer ‚Duca di Mantova’.