Der Stamm der Kasasbeh aus der südlichen Stadt Kerak hatte seit Tagen allen Einfluss und alle verfügbaren Personen aufgeboten, um die Befreiung ihres Angehörigen zu erreichen. Die Regierung hatte sich schliesslich bereit erklärt, auf die Forderung vom IS einzugehen und den Piloten gegen Sayyida Rishawi auszutauschen.
Die Attentäterin
Diese Frau war 2005 zum Tode verurteilt worden, weil sie mit einem Sprengsatzgürtel in ein Hotel eingedrungen war, wo eine Hochzeit gefeiert wurde. Sie versuchte, sich in die Luft zu sprengen, doch der Sprengsatz funktionierte nicht. Ihre Aktion fand gleichzeitig mit einer Reihe von Anschlägen auf Luxushotels in Amman statt, die insgesamt 60 Todesopfer forderten.
Diese Attentate waren von Abu Musab al Zarkawi aus Zarka in Jordanien organisiert worden. Er wirkte in jener Zeit als Anführer von Al-Kaida im Irak (AQI) und organisierte dort regelmässig wiederkehrende Bombenattentate, die er gegen die "weichen Ziele" der irakischen Schiiten richtete. Damit löste er den unheilvollen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten aus, der unter der amerikanischen Besetzung von 2006 bis 2007 tobte.
Mord gegen Belohnung
Zarkawi selbst fiel 2006 einem amerikanischen Luftangriff zum Opfer, und es gilt als wahrscheinlich, dass die Informationen über seinen Aufenthalt den Amerikanern von Seiten der jordanischen Geheimdienste zugeflossen waren.
Nach Zarkawi hatte ein weiterer Terrorchef , Abu Omar al Bagdadi, die Führung von AQI übernommen. Auch er erlag einem amerikanischen Luftschlag. Sein Nachfolger wurde Abul Bakr al-Bagdadi, der heutige Chef von IS und selbsternannte "Khalifa".
Das Video von der Verbrennung des Piloten bei lebendigem Leib, welches der IS am 3. Februar ins Internet stellte, sollte offenbar die Erregung in Jordanien noch weiter steigern. Die Bilder von der Verbrennung waren gefolgt von einer "Datenbank" mit Fotos angeblicher jordanischer Kampfpiloten, deren Adressen und Telefonnummern und der Aufforderung, sie zu töten. Für diese Tat wurden dem jeweiligen Mörder 100 Golddinare versprochen, sowie "das Paradies".
Informationen angeblich aus der Stadt Raqqa
Ein Blogger, der sich ar-Raqqawi nennt und Informationen über die Vorgänge in Raqqa, der Hauptstadt "des Kalifates", veröffentlicht, hatte schon im Januar über Twitter die Behauptung ins Internet gestellt, der Pilot sei am 8. Januar "verbrannt" worden. Er habe dies von IS Anhängern gehört.
Informationen aus dieser und aus ähnlichen Quellen über Vorgänge in Raqqa, die auf versteckte Gegner von IS zurückgehen sollen, fliessen regelmässig. Doch sie sind höchstens insofern kontrollierbar, als sie sich manchmal durch spätere Entwicklungen als zutreffend oder als wahrscheinlich erweisen. Das jordanische Fernsehen gab bekannt, der Pilot sei schon am 3. Januar hingerichtet worden. Doch al Raqqawi kam zurück und bestand darauf, sein Datum sei das zutreffende.
Überspielen des Rückschlags in Kobane
Die Hinrichtung von zwei verurteilten Terroristen - der erwähnten Frau Rishawi und eines gewissen Ziad Karbouli, beide AQI Mitglieder - erfolgte offenbar sofort, nachdem die Jordanier die Gewissheit erlangt hatten, dass der Pilot bereits tot und das Angebot, ihn gegen Frau Rishawi auszutauschen, nur ein Trick vom IS gewesen war. Dieser Trick sollte offenbar dazu dienen, die Spannungen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern – mit einem Maximum an Grausamkeit - noch zu steigern.
Möglicherweise sollte diese Welle der Emotionen dazu dienen, von der Niederlage abzulenken, die der IS in Kobane erlitt. Dort haben sich die Kurden der völlig ruinierten Stadt restlos bemächtigt. Doch die Kämpfe um die umliegenden Dörfer dauern an. Nicht kontrollierbare Zahlenangaben wollen wissen, dass der IS in den Kämpfen um Kobane gegen 1000 Mann eingebüsst habe. Die kurdischen Verluste sollen bei mehreren Hundert Toten liegen.
Für und gegen den Luftkrieg aus Jordanien
Zumindest im jordanischen Bereich wurde der Effekt einer Relativierung von Kobane erreicht. Manche der dortigen Demonstranten in Amman und auch in Kerak verurteilten nicht nur den IS, sondern auch die Luftangriffe der jordanischen Luftwaffe an der Seite der amerikanischen.
Es gibt Umfragen vom vergangenen November über die Einstellung der Jordanier gegenüber dem Luftkrieg ihres Landes gegen den IS. Sie besagten damals, dass 59 Prozent der Befragten für die Aktionen eintraten, 28 Prozent waren dagegen und weitere 8 Prozent "entschieden dagegen". Unter diesen 8 Prozent dürften die IS-Sympathisanten und heimlichen Agenten, die es im Lande gibt, versuchen, mobilisierbare Individuen zu finden, die sie für ihre Zwecke einspannen können. Nach den Aussagen von Marouf al-Bakhit, einem früheren Ministerpräsidenten Jordaniens, sollen sich 1300 Jordanier dem IS angeschlossen haben. 200 von ihnen seien bereits tot. Er schätzte auch, es gebe zwischen 2000 und 4000 Jordanier, die für den IS "aktiv" seien.
Rückkehr zur Todesstrafe
In den Tagen, in denen Verhandlungen um einen Austausch zwischen der gefangenen und nun hingerichteten Terroristin und dem zu dieser Zeit wahrscheinlich bereits ermordeten Piloten geführt wurden, hatte die jordanische Regierung gedroht, im Falle einer Ermordung des Piloten werde sie Dutzende von gefangenen und verurteilten Anhängern von Al-Kaida und vom IS hinrichten, die sich in ihrem Gewahrsam befinden.
Gleichzeitig gibt es eine Debatte in Amman, die sich um die Todesstrafe dreht. Diese war seit 2006 ausgesetzt worden, weil der König sich weigerte, Todesurteile zu unterschreiben. Doch gewisse Parlamentarier und Sprecher des Innenministeriums fordern, dass Hinrichtungen wieder vollzogen werden. Sie begründen dies mit der anscheinend steigenden Zahl von Verbrechen.
Zur Zeit gibt es 123 zum Tode verurteilte, aber nicht hingerichtete Personen in den jordanischen Gefängnissen. Die meisten sind wegen Mordes verurteilt. Wie viele der Verurteilten zu den IS- und Kaida-Tätern gehören, ist nicht bekannt. Es ist angesichts dieser Gesamtlage denkbar, dass noch weitere Hinrichtungen den ersten beiden folgen. Diese ersten fanden zweifellos deswegen so rasch statt, weil es darum ging, die empörten Familien- und Stammesgenossen des Piloten nach Möglichkeit zu beruhigen, gewiss in der Hoffnung, dass der gegenwärtige Sturm von Emotionen, der den Zielen der IS dient, abklingt.