Während in der Schweiz auf der Politbühne über Uber (Online-Vermittler für Fahrdienstleistungen) provinziell diskutiert und gar allen Ernstes von Verbot gefaselt wird, hat sich der 2009 in San Francisco gegründete Startup inzwischen zum ungekrönten Ideen-Sieger entwickelt. Sein geschätzter Marktwert: 70 Milliarden Dollar. Ein weiteres Beispiel für globale Umwälzungen, die an der Schweizergrenze nicht Halt machen. Mit Uber & Co. ist hier im umfassenden Sinn jene neue Welt der digitalen Revolution gemeint, stellvertretend fokussiert auf die drei jungen Firmen Uber, Airbnb, Booking.com.
Stop the world, we want to get out?
Ob wir es gut finden, ist nicht die Frage. Die Globalisierung mit ihren digitalen Errungenschaften überflutet alle Kontinente. Wer sich dagegen stemmt, hat schon verloren. Klüger wäre es, sich zu überlegen, was das heisst und mit welchen innovativen Ideen oder notwendigen Regeln auf einen solchen globalen Trend reagiert werden soll.
Ist es bei Uber das angestammte Taxigewerbe, das aufschreit, sind es bei Airbnb in erster Linie die klassischen Hotelbetriebe. Zur Erinnerung: Auch Airbnb wurde in San Francisco gegründet, 2008, also ein Jahr vor Uber. Alles Neue kommt aus Kalifornien. Airbnb, der Communitiy-Marktplatz, vermittelt inzwischen jährlich über zwei Millionen private Unterkünfte zwischen Suchenden und Anbietern, in 34‘000 Städten und 191 Ländern (Stand Oktober 2016). Die „Sharing-Economy“ lässt grüssen.
Booking.com, der Betreiber von Online-Reiseportalen, ermöglicht das problemlose Buchen von Hotels weltweit, geordnet nach Kategorien von einfach bis Luxus. Inzwischen sind weit über eine Million Betriebe in 227 Ländern angeschlossen, über eine Million Übernachtungen sollen gemäss Angaben des Betreibers täglich gebucht werden.
Und was passiert in der Schweiz? Einflussreiche Kreise aus der Hotelbranche und der Politik denken laut darüber nach, wie sie den Lauf der Welt im kleinen Schweizerland stoppen könnten. Eine breite Koalition im Ständerat will verhindern, dass z. B. Booking.com Schweizer Hoteliers „Knebelverträge“ aufzwingen kann. Jetzt soll der Bund zu Hilfe kommen. Die Welt von gestern war doch so schön …
Die Spitze des Eisbergs
Die Konzentration auf diese drei „Newcomer“, die es alle vor zehn Jahren noch gar nicht gab, verdeutlicht Wesentliches der grundlegenden Neuerung: Uber revolutioniert das Transportgewerbe, ohne eigene Fahrzeuge oder Chauffeure. Airbnb funktioniert ohne eigene Hotels, Pensionen, Wohnungen. Booking.com vermittelt ohne eigene Reisebüros und deren Angestellten. Die Sharing-Economy wirkt dramatisch auf unseren Alltag ein.
Die Digitalisierung pulverisiert das frühere kommerzielle Dreieck: Kunde, Vermittler/Produktion, Anbieter. Am augenfälligsten ist der Fakt, dass alle drei Jungunternehmer Weltfirmen aus dem Boden stampften, ohne substanzielle finanzielle Investitionen tätigen zu müssen, die sonst so manchen Neustart behinderten. Das Tempo des Wandels ist schwindelerregend. Wer profitiert davon? Wir Konsumenten. Schon haben wir uns an diesen Komfortzuwachs gewöhnt.
Das Taxigewerbe und die Hotellerie, beide abhängig von Kundenfrequenzen und -goodwill: Wie reagieren sie auf diesen, von aussen aufgezwungenen, Wandel? Sie, die beide die Kundenzufriedenheit offiziell beschwören? Mit Versuchen auf allen Ebenen, genau diese Kundenvorteile ihrer Klientel vorzuenthalten, resp. einzuschränken oder zu vermiesen. In welchem Zeitalter leben die Verantwortlichen einer solchen Strategie?
Unwillkürlich tauchen jene Bilder aus dem letzten Jahrhundert vor unserem geistigen Auge auf, die Schweizer Bergdörfer zeigten, die die Durchfahrt mit Autos verboten oder, die fortschrittlicheren, deren Geschwindigkeit auf Gemeindegebiet auf 5 km/h begrenzten: „al passo“!
Immer schneller, immer einfacher
Zurück zum Beispiel Uber: Sieben Jahre nach Gründung spricht der „Economist“ von Uberworld, um lapidar festzustellen, dass dieses Jungunternehmen im Rennen um die Transportzukunft die weltweite Führung übernommen hat.
Bereits gibt es auch UberPool, die Tochterfirma, die eine alte Idee im neuen Kleid anbietet: Fahren Kunden in die gleiche Richtung oder ans selbe Ziel, teilen sie sich die Kosten, indem sie das Auto mehrfach belegen. Was sich hier abzeichnet, ist eine graduelle Auflösung der Differenz zwischen ÖV und privatem Transport. Mit dem Uberx-App können Kunden sich gleich selbst vernetzen, dieser Peer-to-peer-Service steuert mittlerweile einen erheblichen Teil des Firmengewinns bei, UberCab als Smartphone-App seit 2010 den Hauptteil. Ungefähr 25 Prozent der Einnahmen bleiben bei Uber, der Rest geht an die Fahrer oder Fahrerinnen.
Die Revolution des Transportwesens umfasst buchstäblich die ganze Welt und läuft in einem Tempo ab, das typisch ist für diese Branche. Überrumpelt wurden dabei die staatlichen Regulatoren, allen voran jene, die sich mit Bewilligungen oder steuerlicher Erfassung befassen.
Autobesitz – das war einmal
Noch viel zu wenig mögen wir realisieren, dass durch diesen Trend quasi ein neues Zeitalter eingeläutet wird: Weg vom Besitzen (hier eines Autos), hin zum Teilen. Mobility nimmt hier eine Vorreiterrolle in der Schweiz ein. Vorerst sind es hauptsächlich die jüngeren Generationen (unter 50?) in urbanen Zentren, die das nutzen. Zukünftig werden fahrerlose Fahrzeuge (Self-driving cars) diesen Trend markant verstärken, weltweit arbeiten grosse Konzerne an deren Optimierung und Verwirklichung. Einer Schätzung der OECD zufolge dürfte diese ganze Entwicklung dazu führen, dass die Anzahl Autos langfristig um 80–90% abnehmen dürfte.
Neue Übernachtungsmöglichkeiten
Zurück zu Airbnb, der Plattform, die in der Schweiz 2016 rund 18‘500 Wohnungen, resp. Zimmer anbietet. Besonders stark ist das Wachstum in den Städten, doch auch Touristikregionen partizipieren an dieser steilen Entwicklung. Dass diese über kurz oder lang auch einen respektablen Einfluss auf das angestammte Mietwohnungsangebot haben könnte, wird befürchtet, ist aber angesichts des gegenwärtigen gesamten Airbnb-Angebots von klar unter einem Prozent noch marginal. Neue Ferienwohnungen, resp. Übernachtungsmöglichkeiten, schiessen jetzt wie Pilze aus dem Boden, über Airbnb angepriesen und in Sekundenschnelle durch Interessierte gebucht.
Wenn jetzt also vermehrt Klagen und Vorwürfe laut werden, diese Entwicklung führe zu einer zusätzlichen „Wohnungsnot“ und zu höheren Mietpreisen, sind dies Reaktionen all jener, die solchen globalen Trends mit neuen Vorschriften und Regulierungen beizukommen versuchen. Besonders augenfällig wird bei dieser Diskussion das kantonale und kommunale Vorschriften-Chaos in der Schweiz. Am Beispiel des Wildwuchses an Kurtaxen – die soeben vor Bundesgericht einen empfindlichen Dämpfer bezüglich grundsätzlicher Legalität (Unterscheidung zwischen Anwohnern und Feriengästen) erhalten haben – kann festgestellt werden: Die Schweiz wird auf dem falschen Fuss erwischt durch globale Umwälzungen und reagiert vorab eher defensiv, statt sich deren unbestrittene Vorteile zunutze zu machen.
Gleich lange Spiesse gefordert
Vielerorts wird jetzt realisiert, dass der Gesetzgeber von dieser Entwicklung überrascht wurde. Wenn durch Uber die landesübliche Besteuerung des Taxigewerbes ausgehebelt wird, sind neue Regulierungen vonnöten. An jenen Orten, wo die Untervermietung von Wohnraum verboten ist, bekommt Airbnb jetzt Probleme, denn Wohnungsnot und Steuerumgehung rufen nach regulatorischen Massnahmen. Bereits sind in Berlin und Barcelona relevante Verbote in Kraft. In beiden Fällen verhalten sich die Plattformen selbst sehr passiv. Gerade Steuerschlupflöcher sind, solange sie noch nicht gegen Gesetze verstossen, auch in der Schweiz in anderen Branchen sehr populär.
Rückwärtsgewandte Hotellerie in der Schweiz
Eine Mehrheit der journal21-Leserinnen und Leser kennt sie und profitiert selbst davon – die Möglichkeit, im Internet ohne Zeitdruck Hotels am anvisierten Ferienort zu vergleichen und nach getroffener Wahl gleich zu buchen. Zweifellos sind inzwischen auch Zehntausende von ausländischen Touristen auf diese Weise in Schweizer Hotels gelandet, deren Eigentümer diese gern gesehenen Gäste eigentlich freudig begrüssen müssten.
Da die booking.com-Gebühr hoch und durch den Hotelier zu bezahlen ist, möchte der Verband Hotelleriesuisse das seit Jahren ändern. Gegen „Knebelverträge“ wettert er, dabei steht es jedem Hotel frei, ob es mit oder ohne booking.com in die Zukunft schreiten will. Der Versuch, diese Vormachtstellung via Wettbewerbskommission einzuschränken, ist geplatzt. Die Weko stellt zwar nüchtern eine marktbeherrschende Stellung dieser Plattform fest, jedoch keine missbräuchliche. Jetzt lobbyiert der Verband im Bundeshaus für eine entsprechende Gesetzesänderung. Einmal mehr bestätigt sich, was längst Allgemeinwissen ist: In Sachen Lobbying sind zwar die Bauern unangefochtene Spitzenreiter, doch liegt die Hotelbranche im kontinuierlichen Jammern um Bundeshilfe gleich an zweiter Stelle. Nicht eben zukunftskompatibel, beide Branchen.
Heute ist die Digitalisierung der Treiber
Sind es zur Zeit die cleveren Startups, die aus der ganzen Welt alerte Investoren anziehen und belohnen, ist abzusehen, dass der Erfolg der Sharing-Economy (Teilen statt Besitzen) weitere Konkurrenten anziehen wird. Neue Plattformen etablieren sich, um am lukrativen Kuchen teilzuhaben. Allein schon diese Feststellung sollte jene Kreise nachdenklich stimmen, die meinen, gegen solche unaufhaltsamen Entwicklungen ankämpfen zu müssen. Sie stehen auf verlorenem Posten. Seit eh und je verschwinden Berufe und Beschäftigungen, weil sie überflüssig werden. Einst war die Industrialisierung der Treiber, heute die Digitalisierung.