Italien und seine Wirtschaft bräuchten stabile politische Verhältnisse. Doch genau solche sind nach den Wahlen vom Sonntag nicht in Sicht. Wie in Deutschland könnte sich die Regierungsbildung in die Länge ziehen. Die Börse in Mailand eröffnet am Montag mit einem Minus von 2 Prozent.
Gingen die populistischen Cinque Stelle und die rechtspopulistische Lega gemeinsam eine Koalition ein (eventuell unter Beizug der postfaschistischen „Fratelli d'Italia“), kämen sie auf rund 50 Prozent, was sie regierungsfähig machen könnte. Laut dem neuen Wahlsystem genügen etwa 42 Prozent der Stimmen, um die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament zu erringen.
Zerbrechen könnten die Koalitionsbemühungen allerdings an der Frage, wer Ministerpräsident werden soll. Zudem sind sowohl die Fünf Sterne als auch die Lega sehr heterogene Parteien, was sie als Koalitionspartner unberechenbar macht.
Die Lega überholt die Berlusconi-Partei
Wie von vielen erwartet, hat keiner der drei grossen Blöcke allein die absolute Mehrheit erreicht.
Berlusconis Rechtsbündnis kommt laut den provisorischen Zahlen auf gut 36 Prozent. Die bisher regierenden Sozialdemokraten, der Partito Democratico (PD), rutscht unter die 20-Prozent-Marke. Der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi gab am Abend an einer Medienkonferenz seinen Rücktritt als Parteichef bekannt.
Das Ergebnis ist eine Schmach für Silvio Berlusconi. Seine „Forza Italia“ erzielte nur 14,0 Prozent und wurde von Matteo Salvinis fremdenfeindlicher und europakritischer Lega deutlich überholt. Die Lega kommt auf 17,4 Prozent der Stimmen.
Politisch unerfahrener Cinque Stelle-Chef
Üblich ist, dass der Staatspräsident den Anführer der stärksten Partei oder der stärksten Parteiallianz damit beauftragt, eine Regierung zu bilden. Das wäre also der 31-jährige aus der Region Kampanien stammende Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio oder der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini.
Ob Di Maio die Statur eines Regierungschefs hat, bezweifeln einige. Er hat grosse Probleme mit der Grammatik und der Geografie, brach die Universität ab und war Webmaster und Platzanweiser in Neapel und hatte bisher kein politisches Amt inne.
Ein Freund Marine Le Pens
Lega-Chef Salvini ist immer wieder mit rassistischen Bemerkungen aufgefallen. Er hat engen Kontakt mit Marine Le Pen, Heinz-Christian Strache, Geert Wilders und der AfD. Auch zu Neofaschisten, wie der Gruppe CasaPound und griechischen Neonazis pflegte er Beziehungen. Salvini hat starke Sympathien für Trump. Sein Wahlspruch war: „Prima gli Italiani“ (Zuerst die Italiener).
Die vom Komiker Beppe Grillo gegründeten Fünf Sterne hatten früher jede Koalition mit einer anderen Partei ausgeschlossen, haben diese Position vor den Wahlen allerdings etwas aufgeweicht. Eine Koalition der Cinque Stelle mit der Lega ist also nicht ausgeschlossen.
- Neben einer Allianz aus Cinque Stelle und Lega wäre theoretisch auch eine Grosse Koalition zwischen Berlusconis Rechtsbündnis (also Lega, Forza Italia und Fratelli d'Italia) und der Linken mögich. Doch die Sozialdemokraten scheinen kaum geneigt, mit der populisten Lega im Boot eine Regierung zu bilden. Ohne die Lega käme eine Rechts-Links-Koalition (PD und Forza Italia) allerdings nicht auf die absolute Mehrheit.
- Theoretisch möglich wäre auch eine Koalition zwischen den Fünf Sternen und der Linken. Doch der sozialdemokratische Parteisekretär Matteo Renzi hat ein Zusammengehen mit den populistischen Sternen immer kategorisch ausgeschlossen. Doch was geschieht, wenn Renzi nicht mehr Parteisekretär ist?
- Auf dem Papier nicht ausgeschlossen wäre auch eine Allianz zwischen Berlusconis gesamtem Rechtsbündnis und den Fünf Sternen. Doch Berlusconi hat immer wieder erklärt, die Cinque Stelle seien gefährlicher als damals die Kommunisten.
Berlusconis langsames Ende
Die italienische Wirtschaft sieht einer eventuellen Regierungsbeteiligung der populistischen Fünf Sterne oder der Lega mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Cinque Stelle verfügen kaum über erfahrenes Personal und die Lega fährt einen rechtspopulistischen, eher europa- und vor allem deutschfeindlichen Kurs. Salvini hat immer wieder gedroht, aus dem Euro aussteigen zu wollen. Diese Unsicherheit wäre nicht gerade dazu angetan, um ausländische Investoren ins Land zu holen.
Für Berlusconi könnte das Ergebnis das langsame Ende seiner Karriere bedeuten. Dass er von seinem Lega-Rivalen Salvini klar überholt wurde, schwächt seine Position erheblich. Salvini hat in jüngster Zeit klar deutlich gemacht, er wolle Ministerpräsident werden.
Als Berlusconi am Sonntag in einem Mailänder Wahllokal seine Stimme abgab, sprang eine halbnackte Femen-Frau vor ihm auf einen Tisch. Auf ihrem nackten Oberkörper war zu lesen: „Berlusconi, sei scaduto.“ Etwa: Berlusconi, Dein Ablaufdatum ist da. Berlusconi lächelte dazu, doch die Femen-Frau könnte recht haben.
„Um mich abzusägen, haben sie die Partei zersägt“
Die Sozialdemokraten von Matteo Renzi, die bei den Europawahlen noch 40 Prozent der Stimmen erhalten hatten, haben sich ihren Absturz selbst zuzuschreiben. Die Linke ging wieder einmal zerstritten in die Wahlen. Die Vertreter des linken Flügels von Renzis Partito Democratico hatten sich abgespalten. Unter Führung des früheren Parlamentspräsidenten Pietro Grasso haben sie die Partei „Liberi e Uguali“ (Leu) gegründet. Leu schnitt jetzt mit 3,4 Prozent äusserst schwach ab. Die Linken bekämpften sich lieber selbst als den politischen Gegner. Renzi sagte in der Nacht zum Montag an die Adresse seiner parteiinternen Gegner trocken: „Um mich abzusägen, haben sie die Partei zersägt.“
Die Wahlbeteiligung betrug 73 Prozent.
Stimmen haben laut provisorischen Zahlen erhalten:
Cinque Stelle: 32,6%
Forza Italia: 14,0%
Lega: 17,4%
Fratelli d’Italia: 4,3%
Partito Democratico: 18,7%
Liberi e Uguali (Leu): 3,4%