Der ehemalige iranische Herrscher kündete den gross angelegten Bau von Atomkraftwerken auf dem Höhepunkt der Ölkrise im März 1974 an. Auch die derzeitigen Machthaber in Teheran planen 23 Atommeiler zur Stromerzeugung. Die Kontinuität ist verblüffend. Mit einem kleinen Unterschied: Die Mullahs werden verdächtigt, unter dem Deckmantel der friedlichen Nutzung der Kernenergie Atomwaffen zu entwickeln.
Umgewandelter Versuchsreaktor
Bereits der Schah liebäugelte in den 60er Jahren mit der Bombe. Doch die USA, die in Genf mit der Sowjetunion und Grossbritannien über den Atomwaffensperrvertrag verhandelten, brachten den Schah von seinem Grossmachtstreben ab. Der Iran unterzeichnete als einer der ersten Staaten den 1969 abgeschlossenen Vertrag. Als Gegenleistung lieferten die USA den Iranern einen Versuchsreaktor.
Der 1967 gebaute Tehran Research Reactor (TRR) funktionierte ursprünglich mit hochangereichertem Uran, das zu 93 Prozent aus dem Isotop U-235 bestand. Dieser Brennstoff eignete sich auch zur Herstellung von Atomwaffen. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) setzte daher 1987 eine Konversion des TRR durch.
Fachleute aus Argentinien veränderten den Reaktor in einer Weise, dass Uran mit einem Anreicherungsgrad von 19,75 Prozent für seinen Betrieb genügt. Die Kosten der 1993 vollendeten Umwandlung in der Höhe von 5,5 Millionen Dollar übernahm die IAEA.
"Medizinischer Reaktor""
Die Lebensdauer der von Argentinien gelieferten Brennstäbe läuft demnächst ab. Der UNO-Sicherheitsrat verbietet aber einen Nachschub, solange der Iran keine Klarheit über seine nuklearen Pläne schafft. Umgekehrt rechtfertigt die iranische Regierung die Anreicherung von Uran mit den Sanktionen der UNO. Der Iran müsse den gesamten Kernbrennstoffkreislauf beherrschen, um nicht vom Ausland abhängig zu sein.
Der TRR wird propagandistisch geschickt als „medizinischer Reaktor“ ausgegeben, weil darin Elemente zur Bestrahlung von Krebsgeschwüren hergestellt werden. Im gleichen Meiler wurde aber auch Plutonium-210 gewonnen, mit dem eine nukleare Kettenreaktion ausgelöst werden kann.
Irans Uran-Vorkommen
Laut dem jüngsten Bericht der IAEA vom 8. November hat der Iran in seinen deklarierten Anlagen bisher 4922 Kilo leichtangereichertes Uran-Hexafluorid (UF6) erzeugt. Nach einer stärkeren Anreicherung könnten mit dieser Menge theoretisch vier Atomsprengsätze gebaut werden.
Natururan besteht nur zu 0,7 Prozent aus dem Isotopen U-235, der sich für eine Kernspaltung eignet. Für Atomkraftwerke genügt eine Anreicherung auf 3,5 Prozent. Für den Bau von Atomwaffen ist ein U-235-Gehalt von mindestens 90 Prozent erforderlich. Der Iran besitzt Uranvorkommen, die aber zur Neige gehen. Das Erz wird in Isfahan und Abbas Bandar zu einem Konzentrat (Yellow Cake) verarbeitet, dem Ausgangsprodukt für das gasförmige Hexafluorid.
Zur Anreicherung von Hexafluorid verwenden die Iraner Gaszentrifugen. In diesen Hochgeschwindigkeits-Schleudern werden die Isotopen U-235 und U-238 getrennt. Der Vorgang erfordert tausende Arbeitsgänge. In der Regel werden 164 Zentrifugen zu „Kaskaden“ zusammengeschlossen. Derzeit verfügt der Iran über rund 8000 Zentrifugen, von denen 6208 laufen. Der Grossteil befindet sich in einer von der IAEA überwachten Fabrik bei Natanz.
Trenn-Anlage zwölf Jahre lang verheimlicht
Das Mullah-Regime konnte diese Isotopentrennanlage zwölf Jahre lang vor der ganzen Welt verbergen. Erst 2002 wurde ihre Existenz durch einen Überläufer bekannt. Anfangs benutzten die iranischen Techniker Zentrifugen des Typs P-1, die der „Vater“ der pakistanischen Atombombe, Abdul Kadir Khan, auf dem Schwarzmarkt feilbot. Mittlerweile haben die Iraner leistungsfähigere Modelle unter den Bezeichnungen IR-1 bis IR-4 entwickelt.
2003 bauten die Iraner neben der Anlage von Natanz eine „Pilotfabrik“. Seit Februar 2010 wurden dort mit 230 Zentrifugen 80 Kilo auf 19,75 Prozent angereichertes Hexafluorid produziert. Nach offiziellen Angaben ist dieser Stoff für den Versuchsreaktor in Teheran bestimmt. Experten schenken aber dieser Erklärung wenig Glauben, denn erstens verbraucht der TRR bloss sieben Kilo angereichertes Uran pro Jahr und zweitens wird angezweifelt, dass die Iraner das Gas zu technisch komplexen Brennstäben umwandeln können.
Vertragsbestimmungen missachtet
Um ihre Nuklearanlagen vor Luftangriffen zu schützen, begannen die Iraner 2003 mit dem Bau einer unterirdischen Anlage bei Fordow nahe der „heiligen Stadt“ Ghom. Die tief ins Gebirge gebohrten Hallen sollen vier Kaskaden von Gaszentrifugen aufnehmen. Die iranische Regierung hatte die IAEA von den Bauarbeiten in Kenntnis setzen müssen. Doch erst nachdem US-Präsident Barack Obama im September 2009 die Verletzung des Atomwaffensperrvertrags anprangerte, meldeten die Iraner das Projekt der internationalen Behörde.
Verdächtig macht sich der Iran auch mit dem Bau eines Schwerwasserreaktors und einer Schwerwasserfabrik in Arak. Reaktoren dieses Typs, von denen es nur mehr wenige gibt, scheiden waffentaugliches Plutonium aus. Der mehrfachen Aufforderung des Weltsicherheitsrats, die Bauarbeiten in Arak einzustellen, ist Teheran nicht nachgekommen. Der IAEA wird der Zutritt verweigert.
Teheran erfüllt die im Atomwaffensperrvertrag festgelegten Verpflichtungen äusserst restriktiv. Der Iran deklariert 24 Anlagen, in denen Nuklearmaterial hergestellt, verbraucht oder gelagert wird. Als Mitglied des Atomwaffensperrvertrags war die Islamische Republik gezwungen, mit der IAEA ein Überwachungsabkommen abzuschliessen. Diese „Safeguards Agreements“ erlauben der IAEA Routineinspektionen aller ziviler Nuklearanlagen sowie die Installation von Spezialkameras und Geräten zur Messung des Kernbrennstoffflusses. Ihr Ziel ist es, zu verhindern, dass Spaltmaterial für militärische Zwecke abgezweigt wird.
Durchsichtiges Rollenspiel
Um mögliche Schlupflöcher zu stopfen, wurde 1998 ein Zusatzprotokoll verabschiedet, das der IAEA auch unangemeldete Inspektionen gestattet. Der Iran hat dieses Protokoll im Dezember 2003 unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. In einem durchsichtigen Rollenspiel lehnte das iranische Parlament den Vertrag als illegal ab. In der Folge wies Teheran wiederholt IAEA-Inspektoren mit der Begründung zurück, sie hätten Spionage betrieben, ihre Diskretionspflicht verletzt oder „falsche Informationen“ in die Welt gesetzt.
Den „rauchenden Colt“ eines iranischen Atomwaffenprogramms hat die IAEA dennoch nicht gefunden. Wenn es aber den iranischen Machthabern nur um Atomstrom geht, wie sie beteuern, dann könnten sie ihn billiger und konfliktfrei bekommen. Den Beweis erbringt das im September ans Netz gegangene Kernkraftwerk Bushehr: Russland liefert die Brennstäbe und holt sie nach dem Verbrauch wieder ab.