Seit bekannt wurde, dass die westdeutsche Funke Mediengruppe Regionalzeitungen und Teile der Zeitschriften von Axel Springer übernimmt, herrscht in Deutschlands Redaktionsstuben Panik. Es wird in den Zeitungen und Feuilletons der „Tod der Tageszeitung“ proklamiert.
Ausverkauf des Print Journalismus
Die Entwicklung bahnte sich im Zeitungsmarkt seit Jahren an. Die Frankfurter Rundschau, Speerspitze des linksliberalen Journalismus, steckt seit Jahren in der Krise. Financial Times Deutschland wurde eingestellt. Insgesamt gibt es heute über in Deutschland 50 Titel weniger als noch vor 20 Jahren.
Und dann noch dies: Der Springer Verlag kündigt den Ausverkauf seiner Regionalzeitungen an. So werden die „Berliner Morgenpost“, das „Hamburger Abendblatt“, die Anzeigenblätter in Berlin und Hamburg sowie die fünf Programm- und zwei Frauenzeitschriften von Axel Springer (Hörzu, TV Digital, Funk Uhr, Bildwoche, TV neu, Bild der Frau, Frau von heute) in Zukunft unter dem Dach der Funke Mediengruppe firmieren. Was die Print-Journalisten zusätzlich irritiert: Mathias Döpfner, Springer-Vorstandschef, begründet den Verkauf damit, dass Axel Springer damit den Weg zum führenden digitalen Medienunternehmen konsequent weitergehen will.
Die deutsche Mediendebatte
Seitdem tobt in unserem Nachbarland eine Mediendebatte um die Frage, ob der klassische Printjournalismus noch Chancen hat. Während die einen das Ende des Print-Journalismus kommen sehen, betonen andere, dass Verlagsunternehmen auch negative Erfahrungen mit der Digitalisierung gemacht haben. Den grössten Flop leistete sich die Verlagsgruppe Holtzbrinck, welche sich den deutschen Facebook-Klon StudiVZ als vermeintliche Goldgrube kaufte und mitansehen musste, wie das Geschäft innert wenigen Jahren einbrach.
Umstritten ist auch, wie weit die von den Zeitungen immer häufiger eingerichteten Paywalls einen Erfolg darstellen oder die internetgewohnten User eher abschrecken. So beklatschen die einen den grossen Erfolg der New York Times, bereits über 600‘000 Abonnenten für die Online-Ausgabe gefunden zu haben. Andere bekritteln, dass damit lediglich 3 Prozent der Online-Leser zum Zahlen bewegt wurden.
Es gehen jedoch nicht nur die Meinungen auseinander; vor allem belegen die Rezepte, wie die Tageszeitungen auf die Online-Herausforderung reagieren könnten, eine erschreckende Hilflosigkeit. So gibt Cordt Schnibben in der SPIEGEL-Online Zeitungsdebatte 11 Empfehlungen ab. Gleich in der ersten These betont er, dass der Print-Journalismus langfristig neue Leser und Erlöse nur noch im Netz, auf Tablets und Smartphones finde. Schlechte Karten also für die gedruckte Tageszeitung, die nur noch ein Auslaufmodell darstellt. Und auch die These, wonach sich die Tageszeitungen durch Lokales, Service, Autoren, Community unentbehrlich machen, tönt blauäugig. Ist das nicht gerade die Stärke der Online-Portale? Wenn es dann heisst, dass Print von Online lernen könne, wie man den Leser zum Komplizen mache, dann stellt sich die Frage: Braucht der Komplize Leser denn Print überhaupt noch? Schön gesagt ist, dass sich das Verhältnis von Print und Online-Journalismus neu auszubalancieren habe. Doch eigentlich geht es immer darum, wie sich Print den neuen Formen der Online-Medien angleichen kann.
Geht es um die Stärke des Print-Journalismus, dann am ehesten dort, wo betont wird, die Tageszeitung könne gegenüber den Online-Medien dann gewinnen, wenn sie auf Entschleunigung setze: auf mehr Hintergrund, Meinung und Einordnung. Doch wer hat in der Hektik des Alltags genügend Zeit, um sich täglich in die Hintergründe zu vertiefen? Sind da nicht Wochen- und Sonntagzeitungen besser geeignet? Wie das Beispiel des Journal 21 zeigt, ist zudem auch Online längst bei diesem Segment angekommen. Ganz abgesehen, dass es oft gerade Blogger sind, welche Tagesaktualitäten differenziert ausleuchten.
Amazon macht es vor
Letztlich geht es jedoch um viel Geld und entsprechende Geschäftsmodelle. Hier hat sich die Diskussion durch den Schachzug des Amazon Gründers Jeff Bezos nochmals verschärft, der eben die traditionsreiche Washington Post aufkaufte. Wie zu erwarten liess Bezos erst einmal verlautbaren, die Werte der Zeitung würden sich nicht ändern und die Zeitung sei ihren Lesern und nicht den Geldgebern verpflichtet. Er habe die Zeitung ohne Hintergedanken und nur als Privatmann gekauft. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Denn ist nicht Amazon eine ideale Plattform für die Vermarktung von Informationen? Amazon könnte Geschäftsmodelle realisieren, die den Zeitungsmarkt mehr und radikaler umgestalten wie die Debatten um die Krise der Tageszeitungen, die sich hilflos im eigenen Saft drehen. Da zeigt sich wieder einmal der Vorrang der Praxis vor der Ideologie, würde der verblichene Karl Marx wohl dazu sagen.