Der Erste Weltkrieg fand nicht nur im Schützengraben statt, er war von Beginn an ein Wirtschaftskrieg, der von den Westmächten äusserst konsequent geführt wurde. Auch damals stand die neutrale Schweiz im Verdacht, sich als Blockadebrecherin am Krieg zu bereichern. Unter grossem Druck der Entente-Mächte musste unser Land in eine Lösung einwilligen, die den Forderungen Frankreichs und Grossbritanniens weitgehend entgegenkam und dennoch den Anschein der Unabhängigkeit wahrte.
Schon beim Kriegsausbruch im August 1914 geriet die Schweiz in eine schwere Versorgungskrise. Die Zufuhr von Getreide, auf welche das Land in höchstem Masse angewiesen war, kam beinahe vollständig zum Erliegen. Der Kriegsausbruch legte offen, wie verwundbar die Schweiz als von kriegführenden Mächten umgebenes Binnenland war. Der Aussenhandel auch mit überseeischen Ländern konnte nur über das Territorium der Entente oder der Mittelmächte stattfinden. Grossbritannien und Frankreich waren dabei klar im Vorteil, beherrschten sie doch den Zugang über die Weltmeere. Die französischen und italienischen Häfen an der Atlantikküste und im Mittelmeer waren unersetzliche Eingangstore zum Welthandel.
Aus Sicht der Entente bestand die Gefahr, dass die Schweiz Waren importierte, die dann auf dem Umweg über das neutrale Territorium zu den Mittelmächten gelangten. Schon bald nach Kriegsausbruch begannen deshalb die Westmächte, den Aussenhandel mit der Schweiz zu kontrollieren. Frankreich und Grossbritannien zeigten sich entschlossen, jegliche Umgehungsgeschäfte auf dem Territorium der Schweiz zu unterbinden, und übten auch entsprechenden Druck aus.
Zuerst gelang es der Landesregierung unter der Führung von Bundesrat Hoffmann, auf Zeit zu spielen. Die verschärften alliierten Kontrollen im Zusammenhang mit der Ausweitung des U-Boot-Kriegs führten im Frühling 1915 aber zu einem Umdenken. Es war unvermeidlich, mit der Entente eine einvernehmliche Lösung zu finden, wenn die Landesversorgung nicht schwerwiegend gefährdet werden sollte.
Auch von Seiten des Deutschen Reiches gab es Versuche, die Versorgung der Feindmächte mittels Umgehungsgeschäften über die Schweiz zu verhindern. Im Juni 1915 wurde die Schweizerische Treuhandstelle für Überwachung des Warenverkehrs gegründet, welche die Einfuhr deutscher Waren von Deutschland und Österreich-Ungarn in die Schweiz kontrollieren sollte. Diese Organisation liess sich aber in Bezug auf Grösse und Durchschlagkraft in keiner Weise mit der im gleichen Jahr gegründeten «Société Suisse de Surveillance économique» vergleichen.
Anschein von Unabhängigkeit und Neutralität
Im Frühjahr 1915 setzte der Bundesrat Nationalrat Alfred Frey als Verhandlungsführer für die Unterhandlungen mit der Entente ein. Sein Gegenpart als Vertreter der Entente-Mächte war Sir Francis Oppenheimer. Das Resultat der Verhandlungen wurde im Antrag des Politischen Departements vom 11. Mai 1915 vorgestellt. Im Wesentlichen bestand dieses aus Entwürfen für die Statuten der zukünftigen «Société Suisse de Surveillance économique» und der «Association Suisse pour l’importation des métaux» als Beispielorganisation für die branchenspezifisch zu bildenden Syndikate. Im Antrag ebenfalls enthalten war der Entwurf einer vom Bundesrat im zustimmenden Sinn zur Kenntnis zu nehmenden Note der Entente-Mächte. Es sollte also kein Staatsvertrag abgeschlossen werden, der womöglich noch durch die Bundesversammlung hätte ratifiziert werden müssen. Gegen aussen traten die Entente-Mächte überhaupt nicht in Erscheinung.
Die Niederlande lieferten die Vorlage für diese Lösung des Problems. Um jeden weiteren Export der aus Übersee importierten Waren nach Deutschland zu verhindern, war im November 1914 ein privatrechtlich organisierter Trust gegründet worden, dem die Kontrolle des niederländischen Aussenhandels anvertraut war. Damit hatten die Entente-Mächte ein sehr effektives Mittel in der Hand, um den Transit deutscher Konterbande durch die neutralen Niederlande zu unterbinden, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen.
Nach diesem Vorbild sollte die «Société Suisse des Surveillance économique» (S.S.S.) als privatrechtlicher Verein gegründet werden, dessen Mitglieder ausschliesslich Schweizer Bürger sein sollten, die «das Vertrauen sowohl des Bundesrates als der fremden Staaten geniessen». Der Kreis der Persönlichkeiten, welche diese Voraussetzung erfüllte, war naturgemäss begrenzt. Allzu gute Beziehungen zum Deutschen Reich oder zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie waren nicht erwünscht. Im Antrag des Politischen Departements wurden bereits elf Persönlichkeiten erwähnt, die diesen Vorgaben etwa entsprechen sollten. Unter ihnen befand sich der Solothurner Ständerat Casimir von Arx. Er war Verwaltungsratspräsident der SBB, Bankratspräsident der Solothurner Kantonalbank und Mitglied des Verwaltungsrates der Eidgenössischen Bank. Von Arx verfügte auch über sehr gute Verbindungen in die französische Schweiz, sprach perfekt Französisch und gehörte so zum kleinen Kreis der Deutschschweizer Politiker, denen man keine deutschfreundliche Haltung unterstellen konnte.
In späteren Jahren verfasste Casimir von Arx seine Lebenserinnerungen, die im Stadtarchiv Olten aufbewahrt werden. Dieser persönlich gefärbte Erfahrungsbericht öffnet den Blick auf das Innenleben der S.S.S., die sonst weitgehend der öffentlichen Kontrolle und Einflussnahme entzogen blieb. In seinen Erinnerungen schildert er in treffenden Worten die missliche Lage der Schweiz:
«Schon damals versuchten skrupellose Spekulanten, von Frankreich und seinen Verbündeten Ausfuhrbewilligungen für Waren zu erhalten, die angeblich zur Verproviantierung der Schweiz hätten dienen sollen, die dann aber mit enormen Gewinnen an die Centralmächte wiederverkauft wurden. Von diesen Praktiken waren die Ententemächte genau unterrichtet und sie begannen durch eigene Agenten in unserem Lande ganz ungenügende Kontrollmassnahmen einzuführen, die demütigend für unsere nationale Würde und gefährlich für die Zukunft unseres Handels und unserer Industrie werden konnten. Es war dringend notwendig, aus dieser, sowohl für die Entente wie auch für uns selbst peinlichen Lage wieder herauszukommen.»
Bis von Arx und die anderen Mitglieder der S.S.S. ihr Amt antreten konnten, sollte aber noch viel Zeit vergehen. Der Bundesrat stimmte wohl dem Grundsatz eines privatrechtlichen Organisationsmodells zu, wie er im Antrag des Politischen Departements formuliert war. Auch wurde Bundesrat Hoffmann damit beauftragt, mit den Entente-Mächten auf dieser Grundlage weiter zu verhandeln. Als aber am 16. Juni 1915 Bundesrat Hoffmann die wesentlich verschärften Entwürfe der Entente-Mächte übergeben wurden, blieb dem Bundesrat nichts anderes übrig, als diese zurückzuweisen. Erst als die alliierten Unterhändler ein gewisses Entgegenkommen signalisierten, einigte man sich auf die Schaffung eines Trusts nach dem niederländischen Vorbild.
Am 22. September 1915 genehmigte der Bundesrat die Statuten der S.S.S. samt Ausführungsbestimmungen und am 4. Oktober bestätigten die Alliierten ihrerseits das Bestehen des Übereinkommens mit einer vertraulichen Verbalnote. Der Bundesrat bestimmte nach Rücksprache mit den Entente-Mächten die fünfzehn Mitglieder der als Verein zu konstituierenden S.S.S. und ergänzte die Liste vom Mai 1915 mit einigen Persönlichkeiten aus der Romandie, darunter die späteren Bundesräte Ernest Chuard und Jean-Marie Musy. Am 27. Oktober fand die konstituierende Versammlung statt, an der Casimir von Arx in den dreiköpfigen Vorstand gewählt wurde. Zum Präsidenten wurde Nationalrat Daniel Hirter, zum Vizepräsidenten Nationalrat Ernest Chuard gewählt. Diese drei Männer bildeten das oberste Leitungsorgan der S.S.S., welches bis ins Jahr 1919 jeden Montag zusammentrat, um mit der Direktion die anstehenden Geschäfte zu beraten.
Eine neue Organisation aus dem Boden stampfen
Bevor die S.S.S. ihre Tätigkeit aufnehmen konnte, waren grosse organisatorische Vorarbeiten zu leisten. Nach der offiziellen Gründung und Bestellung der Organe der S.S.S. am 27. Oktober reiste der dreiköpfige Vorstand als erstes in die Niederlande, wo die der S.S.S. als Vorbild dienende Organisation bereits seit einem Jahr funktionierte. Casimir von Arx musste realisieren, dass man sich zuvor völlig unrealistische Vorstellungen über den Umfang der zu erfüllenden Aufgaben gemacht hatte:
«Wir machten bedenkliche Gesichter, als man uns mit dem Umfange der betreffenden Organisation bekannt machte, war doch dieselbe in nicht weniger als 13 Gebäuden untergebracht, in welchen über 800 Personen beschäftigt wurden. Wir nahmen uns sofort vor, uns über alle Zweige der Geschäftsführung zu orientieren, im Übrigen aber unsern Aufenthalt im Haag möglichst abzukürzen und daheim die Erfüllung der uns gestellten Aufgabe mit aller Energie an die Hand zu nehmen.»
Die in Bern für die S.S.S. vorgesehene Infrastruktur war völlig ungenügend. Auch dank ihren Beziehungen als Parlamentsangehörige konnten jedoch die drei Vorstände erreichen, dass der S.S.S. beinahe das ganze Erdgeschoss des Parlamentsgebäudes als Büros zur Verfügung gestellt wurde. Tatkräftig wurde nun der Aufbau der S.S.S. in der Schweiz an die Hand genommen. Neben der zentralen Behörde in Bern wurden Büros an allen bedeutenden Grenzübergängen eingerichtet, dazu kamen Verbindungsbüros in den Hauptstädten Paris, London, Rom und – nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten – in Washington sowie in den Überseehäfen Cette, Marseille, Bordeaux, Le Havre und Genua.
In kurzer Zeit entstand so eine Verwaltungsorganisation, die mehr als 600 Beamte beschäftigte. Dazu kamen die für jede Branche gegründeten Syndikate, deren Zahl bis Ende 1916 auf 51 anwuchs. Ein derartiger Verwaltungsapparat verursachte entsprechende Kosten. Hier war Casimir von Arx wieder in seinem Element. Schon bei der Aufnahme des Betriebs der S.S.S. stellte er fest, dass die Höhe der Abgaben zur Finanzierung nie ausreichen würde. In der Folge wurde die Höhe der Abgaben auf 0,25 Prozent des Warenwerts verdoppelt. Nicht zuletzt darauf war es zurückzuführen, dass die S.S.S. bei ihrer Liquidation im Jahre 1920 einen Überschuss von weit über fünf Millionen Franken an die Bundeskasse abführen konnte, wie von Arx mit Stolz in seinen Erinnerungen erwähnt. Auch habe die S.S.S. enorme Arbeitsleistungen erbracht, indem 270’000 Gesuche um Einfuhrbewilligungen im Gesamtumfang von fünf Milliarden Franken bearbeitet worden seien.
Unpopuläre S.S.S.
Dass er eine unpopuläre Aufgabe übernommen hatte, war Casimir von Arx auch im Rückblick bewusst:
«In 3 Monaten, so meinte eines der angesehensten Mitglieder der Einberufenen, werden wir die meistangegriffenen und unpopulärsten Persönlichkeiten unseres Landes sein, sofern die S.S.S. bis dahin überhaupt noch am Leben sein wird.»
Erstaunlicherweise bewahrheitete sich diese Voraussage nicht. Es macht den Anschein, als ob sich weite Teile der Politik und der öffentlichen Meinung einer Stellungnahme enthielten, im Wissen um die schwache Position des Kleinstaates, der auf das Entgegenkommen der Entente-Mächte angewiesen war. Die Verballhornung der Abkürzung S.S.S. als «Souverainité Suisse suspendue» wird jedenfalls erst nach Kriegsende im Jahr 1919 greifbar, als im «Oberländer Tagblatt» diese launige Bemerkung erschien: «Was heisst S.S.S.? Ein Witzbold behauptet: ’Souverainité suisse suspendue‘! Also weg mit der S.S.S., nur schon, um Missverständnisse zu vermeiden!»
Es blieb dem Schweizer Verhandlungsführer, Nationalrat Alfred Frey, vorbehalten, in einem vertraulichen Bericht über die Entstehung der S.S.S. die kritischen Punkte auszuleuchten. Noch unter dem frischen Eindruck der harten Verhandlungsführung der Entente beschrieb er die Auswirkungen des Wirtschaftskriegs auf die kleine, neutrale Schweiz angesichts des Willens der Entente-Mächte, alle wirtschaftlichen Massnahmen zu ergreifen, die «zur Vernichtung des Feindes dienlich» waren. Die S.S.S. als Instrument des von alliierter Seite geführten Wirtschaftskrieges sei deshalb mit der Selbstbestimmung nicht vereinbar. Sie habe «kein Daseinsrecht vor überlieferten und in den Haager Abkommen neu besiegeltem Brauch, sie hat es nicht vor dem Selbstbewusstsein des Schweizers, sie hat es unter obwaltenden Umständen einzig vor der kühl und ruhig abwägenden Vernunft, die angesichts der Verhältnisse im eigenen Lande vollends doppelt kühl und ruhig abwägen muss».
Von Arx betonte dagegen in seinen Erinnerungen die problematische Konstruktion der S.S.S. als eines privatrechtlich organisierten Vereins, der hoheitliche Aufgaben erfüllte, ohne dass für die Betroffenen rechtsstaatliche Verfahrensgarantien vorgesehen waren. Die Entscheide der S.S.S. waren endgültig und konnten nicht mit einer Beschwerde vor Gericht angefochten werden. Dennoch stellte er später der Arbeit der S.S.S. und damit auch seiner eigenen Arbeit ein gutes Zeugnis aus:
«Es ist ohne anderes einleuchtend, dass eine auf so mangelhafter Grundlage aufzubauende Rechtsprechung, gegen deren Schlussfolgerungen die Appellation an eine andere Instanz ausgeschlossen war, eine grosse Verantwortlichkeit in sich schloss und ein allen äusseren Einflüssen unzugängliches Richterkollegium als Voraussetzung hatte. Mit Genugtuung darf konstatiert werden, dass die strikte Anwendung der in den grundlegenden Akten, wenn bei der Lage der Dinge auch nicht wörtlich, so doch dem Geiste nach, niedergelegten strengen Sanktionen von den S.S.S.-Behörden ohne Schwäche und mit grösster Gewissenhaftigkeit und Unparteilichkeit durchgeführt wurden.»
Bankett mit den Siegern
Für die Zusammenarbeit mit den französischen Stellen fand Casimir von Arx nur lobende Worte:
«So nahm die ganze Angelegenheit, von welcher man zunächst so viel Unheil für unser Land voraussagte, einen unerwartet günstigen Verlauf. Es wäre schwarzer Undank, wenn ich bei dem mir gebotenen Anlass nicht anerkennen würde, dass uns diese gute Wendung der Dinge nur durch das im Grossen und Ganzen wohlwollende Entgegenkommen der französischen Regierung möglich gemacht wurde.»
Dazu passt, dass Casimir von Arx am 30. und 31. Mai 1919 an zwei prächtigen Empfängen an der Champs Elysée in Paris teilnehmen konnte. Als Mitglied einer Delegation der «Société Suisse de Surveillance économique» durfte er den französischen Behörden den Dank der offiziellen Schweiz aussprechen. Zu dieser Delegation gehörten neben ihm selbst Vizepräsident Ernest Chuard und die Direktionsmitglieder Grobet, Steinmetz, Bersier und Bonzon. Frankreich wurde durch hochrangige Regierungsvertreter an den beiden Empfängen repräsentiert, unter anderen waren der Handelsminister, der Landwirtschaftsminister, der Finanzminister, der Präsident der Abgeordnetenkammer und der Direktor der Eisenbahnen anwesend.
Aus von Arx‘ Erinnerungen geht hervor, dass an beiden Empfängen Reden gehalten wurden, die «von Gefühlen gegenseitiger Achtung und Freundschaft getragen» gewesen seien. Von französischer Seite besonders hervorgehoben wurde der Kriegsbeitrag von etwas mehr als 6000 Schweizern, welche als Freiwillige in den französischen Streitkräften gekämpft hätten. Man hätte beinahe meinen können, die Schweiz habe an der Seite Frankreichs den Krieg gewonnen.
Aussenpolitische Verzwergung
Die Entente führte ihren Wirtschaftskrieg gegen die Mittelmächte auf dem Territorium der neutralen Schweiz. Schweizer Politiker und Beamte vollzogen für ausländische Regierungen ein strenges Aussenhandelsregime, dessen Regeln nicht in einem Gesetz kodifiziert waren und das elementare rechtsstaatliche Ansprüche verletzte. Damit verstiess die Schweiz zwar nicht gegen das Neutralitätsrecht, sie legte aber einen grossen Teil ihrer Aussenhandelspolitik de facto in die Hände der Entente-Mächte.
Dies konnte nur geschehen, weil die grundsätzlichen Fragen zu Neutralität und Souveränität ausgeblendet wurden und das staatspolitische Problem zu einer rein organisatorischen Frage verkleinert wurde. Man kann darin eine listige Politik erkennen, eine Verzwergung des neutralen Kleinstaates, der nicht auf der weltpolitischen Bühne als eigenständiger Akteur auftreten mochte.
Immerhin war diese Politik insofern erfolgreich, als sie der Schweiz erlaubte, ihre weltweiten Handelsbeziehungen aufrechtzuerhalten und die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern zu gewährleisten. Man kann in dieser Taktik auch einen Grundzug der Schweizer Aussenpolitik erkennen, Probleme abseits von der grossen Politik durch Experten lösen zu lassen. Dass die S.S.S. in den Erinnerungen von Casimir von Arx vor allem unter technischen und organisatorischen Aspekten abgehandelt wird, passt hier ins Bild.
Und heute?
Beim Vergleich mit den aktuellen aussenpolitischen Herausforderungen des russischen Krieges gegen die Ukraine wird deutlich, mit welchem Epochenwandel die Schweizer Aussenpolitik heute konfrontiert ist. Noch zur Zeit des Kalten Krieges verstanden es die Schweizer Behörden, die US-amerikanischen Blockade-Massnahmen gegenüber dem Ostblock auf der Ebene technischer Handelsbeschränkungen umzusetzen. Die Schweiz unterlief so die Ebene der grossen Politik und erschien als kleines, neutrales Land, das sich der aussenpolitischen Stellungsbezüge enthielt. Im gegenwärtigen russischen Krieg gegen die Ukraine kann dies nicht mehr funktionieren. Zu gross sind die wirtschafts- und finanzpolitische Bedeutung und damit auch die Sichtbarkeit der Schweiz.
Die improvisierte Stellungnahme des Bundesrates am 25. Februar, dem zweiten Kriegstag, lässt sich noch als Versuch interpretieren, die geforderten Massnahmen als rein technischen Nachvollzug erscheinen zu lassen. Die Reaktionen des befreundeten Auslands, aber auch die Forderung nach expliziten Sanktionen, die sich an einer grossen Friedensdemonstration am folgenden Tag manifestierte, zwangen den Bundesrat, sich schnell in die Sanktionsfront der EU und der USA einzureihen. Die Schweiz erscheint nun als Akteur auf der aussenpolitischen Bühne, der nicht nur Stellung bezieht, sondern auch die entsprechenden Massnahmen umsetzt. Ob damit eine Zeitenwende eingeleitet wird, vielleicht sogar eine Abkehr von der traditionellen Neutralität, wird die Zukunft weisen.