Mittwoch, 1. August: Noch eine Kabinettssitzung und dann sind sie entlassen, für zehn oder 14 Tage, mehr scheint angesichts der Verantwortung, die sie sich aufgeladen haben, nicht vertretbar. Es ist Krise, wir arbeiten fast ständig, lautet die Botschaft.
Und da die Minister zu einer "normalen" Regierung unter einem "normalen" Präsidenten gehören, müssen sie auch normale Ferien verbringen und das heisst: Man bleibt gefälligst im Land. Spätestens seit Nicolas Sarkozys Ausritt an die teure Ostküste der USA im Sommer 2007 sind ferne Reiseziele und luxuriöse Ferienorte definitiv verpönt. Wie einst Jacques Chirac auf Mauritius in einem 5-Sterne-Hotel herumlungern, wo er dann prompt auch noch Jean-Marie Le Pen über den Weg lief, geht nicht mehr. In einem der Nobelgästehäuser des Königs von Marokko unterzuschlüpfen, ist auch nicht mehr angesagt. Und Marrakesch, wo der Riad von Strauss-Kahn vor sich hin gammelt, wird gemieden, wie die Pest.
Also ab in die tiefe Provinz Frankreichs und Bescheidenheit vorexerzieren! Bergwandern, wie die Kulturministerin. Oder Gärtnern im Landhaus, wie der Europaminister – das passt. Prompt werden die Minister, die sich geweigert haben, ihr Reiseziel anzugeben, und meinten, das sei Privatsache, schon verdächtigt, sie wollten sich nicht an die ungeschriebenen Regeln halten. Wie etwa Finanzminister Moscovici oder Umweltministerin Batho.
Die Umweltministerin und die Fettammer
Delphine Batho wird sich jedenfalls nicht im Südwesten Frankreichs blicken lassen dürfen, hinter den Dünen des Atlantiks, in der Gegend, wo François Mitterrand in den endlosen Nadelwäldern des Departements Landes sein Feriendomizil hatte und wo er die Bäume streichelte und mit seinem Esel sprach.
Zwei sozialistische Abgeordnete und zwei Senatoren dieser Region hatten jetzt kurz vor den Ferien versucht, sozusagen unter Männern ein vernünftiges Wort mit der Umweltministerin Batho zu reden, um ein Problem in aller Diskretion zu regeln.
Das Problem heisst «Ortolan» - zu Deutsch: Fettammer. Dieser Vogel wird in besagter Region seit Menschengedenken gefangen, gemästet, zubereitet und auf eine ganz bestimmte Art und Weise verzehrt. Seit Jahrzehnten ist dies nun offiziell verboten, hat in der Praxis aber kaum Auswirkungen. Selbst Präsident Mitterrand soll an seinem letzten Silvesterabend, wenige Tage vor seinem Tod, noch ein Prachtstück dieser Vogelart verschlungen haben.
Einer der vier Volksvertreter, der dieser Tage im Büro der Umweltministerin vorstellig wurde, Henri Emmanueli, hatte damals über dunkle Kanäle einige Exemplare des seltenen Vogels beschafft. Die Art und Weise, wie man den Ortolan zu sich nimmt, hat etwas Urzeitliches: eine grosse, weisse Serviette, fast ein kleines Tischtuch wird von hinten über den Kopf geworfen, so dass der Kopf und der darunter stehende Teller rundum bedeckt sind, um die Tischnachbarn vor Fettspritzern und anderem Ungemach zu schützen - und in dieser gebückten Haltung wird das dicke, kleine Vögelchen als Ganzes in den Mund gesteckt und als Ganzes gekaut und verschlungen, mit Haut und Haaren, sprich mit Knochen, Kopf und Beinchen.
Damit diese Zeremonie, die etwas Geheimnisvolles und Verschwörerisches an sich hat, nicht ausstirbt und Ortolane weiter gefangen werden können, ohne dass die Fallensteller schwere Strafen riskieren, wollten die vier Politiker aus dieser Region mit besonderen Sitten bei der Ministerin eine Sonderregelung erwirken, die in den Landes, der grössten zusammenhängenden Waldregion Europas, wenigstens ein paar Wochen im Jahr legales Vogelfangen möglich machen sollte.
Doch sie bissen auf Granit. Sie bräuchten sich gar nicht erst anstrengen, da gäbe es nichts zu diskutieren, fiel die Ministerin den altgedienten Politikhasen aus Frankreichs Südwesten schon nach wenigen Sekunden ins Wort, EU-Richtlinie sei nun mal EU-Richtlinie und damit basta.
Sie hat die alten Haudegen angeblich auf eine Art abblitzen lassen, dass einer nach dem anderen aufstand und Türe knallend den Raum verliess, nicht ohne der 39-Jährigen vorher unter die Nase gerieben zu haben: Wenn du heute Ministerin bist, verdankst du das den Sozialisten und Leuten wie uns und von einem Jungspund wie dir lassen wir uns nicht noch ein zweites Mal so behandeln.
Madame Batho hat offensichtlich noch einiges zu lernen in Sachen Traditionen und Umgang mit Abgeordneten, denen die Erde ihres Wahlkreises an den Schuhsohlen klebt. Und sie muss dringend aufpassen, dass sie die Nase nicht zu hoch trägt. Denn die politische Ziehtochter von Ségolène Royal war bereits in einem anderen Zusammenhang aufgefallen. Sie hat eine städtische Sozialwohnung, die sie in Paris trotz eines ordentlichen Abgeordnetengehaltes weiter bewohnte, jahrelang nicht freiwillig geräumt. Am Ende musste man sie fast herausprügeln, erst die Ethik-Charta, die sie als Ministerin gezwungen war zu unterschreiben und die das moralische Wohlverhalten der Kabinettsmitglieder bis in alle Einzelheiten definiert, machten einen weiteren Verbleib in der Sozialwohnung endgültig unmöglich.
Präsident hinter Festungsmauern
François Hollande, dem normalen Präsidenten, wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als den normalen Ferienort des französischen Staatsoberhauptes aufzusuchen, die Festung Brégançon an der Côte d'Azur, neben dem Dorf mit dem schönen poetischen Namen Bormes-les-Mimosas. Gefährtin Trierweiler hat sich dieser Tage schon als Quartiermacherin betätigt und das Fort unter die Lupe genommen, schliesslich kennt man die Örtlichkeiten nicht wirklich. Sicher ist: Der kleine Strand an der Felsenküste ist von der Meerseite her vor Paparazzi nicht zu schützen.
Noch ist ungewiss, ob die Festung Madame Trierweilers Gefallen gefunden hat, gewiss ist aber, dass sie ihr Twitterkonto wiederbelebt hat. Über fünf Wochen lang war Ruhe, nach ihrer Skandalbotschaft, in der sie bei den Parlamentswahlen den politischen Gegner von Ségolène Royale per Twitter öffentlich unterstützt und den frisch gewählten Präsidenten damit in grösste Verlegenheit gebracht hatte. «Alles geht bestens, liebe Freunde. Wunderbare Rede des Präsidenten bei der Gedenkzeremonie der Razzia des Vel d'Hiv. Sehr berrührend» - hat sie jetzt am 22. Juli geflötet.
Diesen Kommentar de profundis zur Zeremonie anlässlich des 70. Jahrestags des Beginns der Judenverfolgung in Frankreich hat die interessierte Öffentlichkeit nun natürlich wirklich gebraucht. Valérie Trierweilers Umgebung ist es jedenfalls nicht gelungen, ihr dieses unerträgliche Kinderspielzeug definitiv wegzunehmen. In den fünf Wochen, da sie es nicht mit auf den Spielplatz der politischen Bühne genommen hat, hat sie es zumindest ein wenig geputzt - der Skandaltwitt vom 11. Juni ist verschwunden.
Ihr Gefährte wird sich in Brégançon ab und zu einmal auch öffentlich zeigen müssen, das hat Tradition an diesem Ort. Jacques Chirac hat man dort in kurzen Hosen in Erinnerung und mit Socken in den Sommerschuhen – dieser Verstoss gegen den mediterranen Dresscode hat damals ein halbes Sommerloch gefüllt. Sonntags musste er Ehefrau Bernadette immer zur Messe begleiten und sah dabei nicht besonders glücklich aus. Das füllte die andere Hälfte des Sommerlochs.
Nicolas Sarkozy zeigte sich meistens auf dem Rennrad für ein paar kurze Abstecher in die Umgebung – wenn er nicht überhaupt die nahe gelegene Sommerresidenz von Ehefrau Carlas Familie am Cap Nègre bevorzugte, wo die Photographen ihn letztes Jahr noch beim Streicheln eines schwangeren Bauches ablichten durften. François Hollande muss sich nun seinerseits etwas einfallen lassen zum Thema: Wie trete ich auf als Sommerfrischler?
Softdrink mit besonderem Namen
In den Bars im nicht allzu weit entfernten Saint-Tropez wartet man derweil auf den neuen Softdrink dieser Sommersaison, ein Getränk, das sich hauptsächlich aus Safran und Kiwi zusammensetzt. Safran, so der Hersteller, sei von alters her dafür bekannt, dass er gegen Depressionen wirke, den Blutdruck senke und eine aphrodisierende Wirkung zeige. Der Name dieses neuen Getränks? - D S K - für «Drink Safran Kiwi».
Dem ehemaligen IWF-Chef bleibt wahrlich nichts erspart.