Roger Blum untersucht in seinem Buch “Lautsprecher & Widersprecher“ die Mediensysteme von 23 Ländern aus 6 Erdregionen und ordnet diese nach Kategorien. Die Einordnung zwischen Extremen wie dem Kommandomodell in Nordkorea und dem liberalen System der USA erweist sich aber als eine Sisyphus-Arbeit.
Fragwürdige Kategorien
Während der Stein der griechischen Sagengestalt vor dem Erreichen des Berggipfels immer wieder zu Tal rollt, scheinen sich Unterschiede beim Professor für Mediensysteme derart zu vervielfältigen, dass die Systematisierung zum Problem wird. Der an der Vorstellung des Buches im Berner Käfigturm beteiligte Politologe Adrian Vatter monierte, dass die für ihn so völlig verschiedenen Medien von Grossbritannien und der Schweiz in derselben Kategorie zu finden seien. Und ein zur Diskussion eingeladener Journalist lehnte die Systematisierung von Mediensystemen grundsätzlich ab.
Roger Blum war Journalist und dann Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Bern. Sein Buch ist schon deshalb lesenswert, weil die politische Verfassung von 23 Ländern wie auch deren Medien jeweils auf knappem Raum sehr präzise dargestellt und kompetent charakterisiert werden. Wer sich für ein bestimmtes Land interessiert, findet eine lohnende Lektüre.
Zu wenige Schubladen
Das Problem liegt bei der Individualität der Systeme. Wenn man bei den Extremen beginnt, so leuchtet es ein, dass das liberale System in Nordamerika und das nordkoreanische Kommandomodell in eine andere Abteilung gehören. Aber die Unterscheidung wird schwieriger in den Zwischenlagen, wo Iran für das patriotische System steht, Russland für das Schockmodell, Italien für das Klientelmodell und Deutschland für das Public-Service-System. Die systematischen Unterscheidungen werden nochmals kompliziert durch die Tabellen über die Abstufung von Reichweite, Finanzierung und die Besitzerstrukturen. Blum gewährt zudem Einblick in die Kategorien, die von anderen Wissenschaftern erarbeitet wurden.
Der Berner Politologe Vatter kritisierte, dass die geruhsame Schweiz in derselben Kategorie angesiedelt ist wie das mit frechen Enthüllungen und Skandalen gesegnete Grossbritannien. Mir selber ging es eher wie dem im Käfigturm anwesenden ehemaligen Fernsehjournalisten: Beim blossen Gedanken an die unterschiedlichen Medien der Schweiz und an die Individualität der sich hier recht frei tummelnden Journalisten bemerke ich so viele Unterschiede, dass ich selbst bei tausend verschiedenen Schubladen keine überzeugende Einordnung vornehmen könnte.
Roger Blum, Lautsprecher und Widersprecher. Ein Ansatz zum Vergleich der Mediensysteme, 440 Seiten, Halem 2014