Die Geschichte wiederholt sich, jedoch bekanntlich beim zweiten Mal als Komödie oder als Tragödie oder als Tragikomödie. Feldmarschall, Vizepräsident und Verteidigungsminister as-Sissi hat Putin in Moskau besucht, wie einst Nasser Chruschstchow zu besuchen pflegte.
Mehr Abstand Kairos zu den USA
Im Jahr 1955 hat ein erstes ägyptisch-sowjetisches Waffengeschäft in der Weltpolitik gewaltige Wellen geschlagen. Damals wie heute ging es um russische Waffen für die ägyptische Armee. Beide Male bedeutete die Annäherung an Russland eine Distanznahme zu den USA. Beide Male genoss der ägyptische Offizier und Spitzenpolitiker grosse Popularität in seinem Land und wurde als der Hoffnungsträger in eine bessere Zukunft gesehen.
Doch die Welt hat sich weiter gedreht seit den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts und viel Wasser ist den Nil hinabgelaufen. Der Kalte Krieg ging zu Ende. Die Sowjetunion ist wieder Russland geworden. Ägypten war damals von rund 27 Millionen Menschen bewohnt, heute sind es 89 Millionen. Damals versuchten die westlichen Mächte, Ägypten keine oder möglichst wenig Waffen zu liefern, weil sie fürchteten, diese Waffen könnten gegen Israel eingesetzt werden.
Heute haben sie ihre Politik auf Veranlassung Washingtons nuanciert. Sie liefern beiden Seiten viele Waffen, nur sorgen sie dafür, dass Israel stets die besten und die meisten erhält.
Zurückhaltung in Washington
Heute gibt es auch einen Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel, und nach dessen Abschluss (im Jahr 1979) war Ägypten zu einem politischen Partner der USA geworden. Das ist es noch immer. Doch die Bindungen an die USA haben sich etwas gelockert, weil Washington den Staatstreich des vergangenen Sommers, der as-Sissi in seine gegenwärtige Machtstellung brachte und ihn in die Präsidentschaft zu tragen verspricht, eher zweifelnd aufgenommen hat. Dies weil er einen gewählten, wenn gleich wenig subtilen, Präsidenten gestürzt hat, wie auch wegen der darauf folgenden blutigen Repression eines Teils der ägyptischen Bevölkerung.
Moskau nutzt die Gelegenheit
Moskau hat keine derartigen Bedenken gezeigt. Im Gegenteil, im Fernsehen erklärte Putin, Russland billige die neue ägyptische Verfassung. Er, Putin, wisse, dass as-Sissi gedenke, für die Präsidentenwahl zu kandidieren, und er und das russische Volk wünschten ihm Glück dazu.
Der Hauptzweck des Besuches in Moskau war es, ein Waffengeschäft zu besprechen, dem Vernehmen nach im Wert von 2 Milliarden Dollar. Wer wird bezahlen? Offenbar Saudiarabien. Die russischen Waffen sollen solche ersetzen, ja reichlich überkompensieren, die Amerika nicht geliefert hat, um seine Missbilligung gegenüber dem Geschehen in Kairo zu verdeutlichen. Ägypten wünscht sich nach russischen Quellen Luftabwehrraketen, Mig-29-Kampfflugzeuge, Kriegshelikopter und andere Waffen.
Entfremdung Saudiarabiens zu Washington
Saudi Arabien hat Ägypten finanziell unter die Arme gegriffen und auch seine Bereitschaft erklärt, die zurückgehaltenen Militärlieferungen der Amerikaner zu ersetzen, weil Riad mit der Absetzung des Präsidenten Mursi zufrieden war. In den Muslimbrüdern erblickte das saudische Regime gefährliche Konkurrenten, weil sie eine islamische Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hatten - die Saudis jedoch eine islamische Monarchie. Der Begriff "islamisch" erscheint ihnen gefährlich, wenn er mit Demokratie kombiniert wird, weil sie den Islam als die Hauptstütze ihrer Monarchie ansehen.
Ausserdem ist Riad von Washington enttäuscht, oder sogar empört, weil Washington mit Teheran neuerdings ein Übereinkommen sucht, Riad jedoch Teheran als Feind und Gegenspieler ansieht und fürchtet.
Syrien hat ebenfalls zur Entfremdung zwischen Riad und Washington beigetragen, weil Riad, das auch gegenwärtig noch die syrischen Aufständischen unterstützt, gehofft hatte, Washington werde einen Schlag gegen Damaskus führen. Stattdessen hat sich Washington bereit gefunden, auf die Anregung der Russen einzugehen und sich mit dem freiwilligen Verzicht Syriens auf sein Giftgas zu begnügen. Eine Operation, von der sich herausgestellt hat, dass sie Asad nützte und den Rebellen sowie deren saudischen Freunden und Sponsoren schadete. Den Unwillen über all dies hat Riad sich etwas Geld kosten lassen, das nun in russische Kassen fliessen wird.
Noch keine offizielle Kandidatur Sissis
Obgleich Putin davon ausgeht, dass as-Sissi in der bevorstehenden Präsidentenwahl in Ägypten kandidieren wird und er dies öffentlich aussprach, hat der Feldmarschall selbst seine Kandidatur noch nicht bekannt gegeben. Dies soll jedoch in den nächsten Tagen geschehen. Sein offizielles Bild hat der Militärsprecher bereits publiziert. Seine inoffiziellen Bilder - mit Sonnenbrille - hängen überall in Kairo. Wer die Kosten der ziemlich beträchtlichen Publizitätskampagne trägt, wurde nicht bekannt gegeben.
Sabbahi bereits als Gegenkandidat
Andere Präsidentschaftskandidaten hat es bis jetzt nicht gegeben. Doch Hamdeen Sabbahi ist am 9. Februar aufgetreten und hat gemeldet, er sei ebenfalls Kandidat für die Präsidentschaft. Er sagte etwas gewunden, er wolle niemandem zuvorkommen, auch nicht jenen, die diesen Beschluss zu treffen hätten. Damit meinte er das leitende Gremium seiner Partei, die sich "Volksströmung" nennt, englisch "Popular Current" (PC). Es handle sich um seine persönliche Entscheidung. Der Schachzug rief Diskussionen und Spaltbewegungen in der Partei hervor sowie auch in der "Tamarrod" Bewegung, jener Gruppe, die unter Mursi Unterschriften gegen den Präsidenten gesammelt hatte. Einige waren für as-Sissi, andere für die Kandidatur Sabbahis.
Hamdeen Sabbahi nennt sich einen Nasseristen. Er will eine links gerichtete Politik führen mit Verstaatlichung wichtiger Wirtschaftszweige und erhoffter Verbesserung der Lage der Armen und Arbeitslosen. Aus den Präsidentenwahlen von 2012, die Mursi gewann, ging er als der dritte Sieger hervor. In der Stadt Kairo gewann er die meisten aller Stimmen.
Eine demokratische Opposition ?
Gegenüber as-Sissi hat Sabbahi keine wirklichen Erfolgsaussichten. Seine Kandidatur kann dem Marschall sogar dienen. Sie würde seine Wahl glaubwürdiger machen, als wenn er bloss einigen völlig belang- und aussichtslosen Rivalen gegenüberstünde. Manche der Anhänger Sabbahis räumen dies ein. Doch sie sagen auch, wenn er kandidiere, gebe dies jedenfalls die Grundlage für eine demokratische Opposition. Diese sei umso nötiger, als die Gefahr bestehe, dass as-Sissi sich allzu eng an die Beamten und Manager aus der Mubarak Zeit anschliessen könnte. Ob allerdings der Marschall, einmal Präsident geworden, eine solche Opposition dulden oder ob er versuchen wird, sie zu zerschlagen und aus der Welt zu schaffen, so wie es schon heute den Muslimbrüdern und den Vertretern der Revolutionsgruppen ergeht, bleibt abzuwarten.