Schon vor zwölf Jahren waren die Konzerte der kanadischen Sängerin und Jazzpianistin Diana Krall in den USA in Stunden ausverkauft. In San Francisco wartete dennoch eine bemerkenswerte Menge vor der Konzerthalle, um vielleicht doch noch Einlass zu finden.
Krall war damals noch anders. Sie trat in Jeans und Westernweste auf, war ganz ungekünstelter Tomboy mit wilder, ungezügelter Mähne, der sich vor Spielfreude kaum fassen konnte. Sie stimmte überraschend ein "Happy Birthday" für den Gitarristen ihres Trios an, sprach viel, begeisterte, gab Unredigiertes von sich - und sie suchte immer wieder Kontakt zum Publikum, dessen Reaktionen sie eifrig aufnahm. Immer wieder spielte und sang sie lange über die angesetzte Konzertzeit hinaus speziell gewünschte Lieder.
Unerreichbares Sex Kitten
Heute ist dies anders. Diana Krall ist entrückt, ihre Shows sind "streamlined", die Texte klar vorgeschrieben, das Programm fix. Sie spielt oft allein, und sie wird als "Sexy Lady des Jazz" vermarktet, als unerreichbares Sex Kitten. Inzwischen hat Krall das britische Musik- und Produzentenidol Elvis Costello geheiratet, Zwillinge geboren, selbst Songs geschrieben und getextet, das Label gewechselt und insgesamt über 20 Millionen CDs verkauft. Sie machte mir ihrem Album "Quiet Nights" Ausflüge in den Bossa Nova, begleitete 2012 Paul McCartney und produzierte Barbra Streisands Album "Love Is The Answer". Eine steile Karriere.
Diana Krall, am 16. November 1964 in Nanaimo, British Columbia, geboren, begann ihre Karriere schon früh. Ihre Eltern, beide Musiker, umgaben sie zu Hause mit Klassik und Jazz und liessen sie schon mit vier Jahren Klavier spielen. 1980 wurde Krall vom Jazz-Bassisten Ray Brown entdeckt. Das Vancouver International Jazz Festival sponserte ihr Musikstudium, das sie zuerst in Boston und dann in Los Angeles absolvierte. Ab 1990 spielte sie in New York in Bars und schaffte den Durchbruch mit ihrem Debut-Album "Stepping Out". Schon mit ihrer dritten CD wurde sie für den Grammy nominiert, den sie dann zuerst als "Beste Jazzinterpretin des Jahres" gewann und 2003 für das Album "Diana Krall-Live in Paris".
"Die Wildheit der Vaudeville-Shows"
Ihr neuestes Album "Glad Rag Doll", mit dem sie momentan auf Tour ist, erstaunt. Es beinhaltet Musik, die ihre Großeltern auf dem heimischen Klavier gespielt haben, über den Banjo-Swing vom Mississippi-Ufer und die Songbook-Standards der Broadway-Musicals.
Krall: „Beim neuen Album hatte ich durchaus erwartet, dass der eine oder andere fragt: ‚Warum hast du ein solches Album gemacht?' Es ist sicherlich das Album, auf dem ich am meisten von Elvis beeinflusst bin. Für mich ist das einfach mein ‚Song and Dance‘-Album. Es hat hoffentlich etwas von der Wildheit der Vaudeville-Shows, der Musik und den Tanzrevuen der zwanziger und dreissiger Jahre, die auch die Fotos zum Album inspiriert haben.“
"Ich zerfleische mich noch selbst"
Fotos, die Diana Krall in Mieder, Strumpfhalter und schwarzen Seidenstrümpfen in einem Edelbordellmilieu zeigen und ihr Sex Kitten Image vorantreiben. Ob die einzelnen Songs allerdings zu ihrer Stimme passen? Diana Kralls Stimme ist vor allem Timbre; rau und rauchig, geflüstert oder hart. Sie kann Balladen oder Liebesliedern Ausdruck geben und nimmt dem Romantischem das Zuviel an Süssem. Doch hier droht es manchmal ins Monotone zu kippen wie Sting bei seinen John Dowland Songs. Ist sie selbst mit ihrer CD zufrieden?
„Glauben Sie mir, ich zerfleische mich immer noch selbst. Ich kann bis zum Unerträglichen selbstkritisch sein, was meine Musik und mein Spiel angeht. Andererseits brauche ich nicht wirklich das Urteil anderer Leute, um zu wissen, ob das, was ich mache, gut ist oder nicht.“