Nachdem sich im Jemen zwei Regierungen gebildet haben, ist das Land in eine neue Phase der Diplomatie eingetreten. Die beiden Machtzentren, Sanaa und Aden, wissen, dass keines von ihnen ganz Jemen alleine beherrschen kann. Sie stehen daher vor der Alternative, Jemen aufzuspalten oder doch noch einen Kompromiss zu finden, wie sie gemeinsam regieren könnten. Die Aussenmächte sind vor allem daran interessiert, dass in Jemen kein volles Chaos ausbreche. Deshalb versuchen sie, eine diplomatische Lösung voranzubringen.
Doch der Aussenmächte sind viele, von den USA und der Uno über Saudi-Arabien und den Golfstaaten bis hin zu Iran und weiter bis zu al-Kaida. Manche von ihnen sind untereinander bitter verfeindet. Dies gilt besonders von Saudi-Arabien und Iran und natürlich auch von Washington und al-Kaida. Die kalten und heissen Kriege der Aussenstehenden erschweren die diplomatische Partie um Jemen. Diese ist immer auch Teil des weiteren diplomatischen Ringens der Aussenmächte untereinander.
Gespräche in Riad?
Saudi-Arabien hat vorgeschlagen, eine Konferenz aller politischen Kräfte Jemens solle in Riad stattfinden, um eine Versöhnung zu versuchen. Präsident al-Hadi, der in Aden regiert, hat zugestimmt. Die Huthi-Führung, die Sanaa beherrscht, hat zuerst abgelehnt, dann aber angekündigt, sie stehe «indirekt» in Kontakt mit Saudi-Arabien, wobei es unter anderem auch um die projektierte Konferenz gehen dürfte. Gleichzeitig haben die Huthis «militärische Manöver», praktisch bewaffnete Demonstrationen, nah an der saudischen Grenze durchgeführt, deren südliche Seite sie beherrschen. Dies ist ohne Zweifel ein Versuch, ihr Gewicht in Saudi-Arabien in Erinnerung zu rufen.
Saudi-Arabien ist auch bemüht, seine bisher sehr schlechten Beziehungen zur Islah-Partei auszubessern. Zu diesem Zweck haben die Saudis den im Exil lebenden Chef von Hamas, Khaled Meshal, gebeten, als Vermittler zwischen Riad und Islah zu wirken; und dieser hat zugesagt. Islah ist die jemenitische Grosspartei, die den Muslimbrüdern nahesteht, und unter dem verstorbenen König Abdullah war Saudi-Arabien ein bitterer Feind aller Muslimbrüder. Hamas ist aus einer Abzweigung von der Bruderschaft in Gaza entstanden und steht ihr weiterhin nah. Wenn von einer Versöhnung im Jemen die Rede sein soll, müssen die beiden dortigen feindlichen Brüder, Islah und die Huthis, nach Riad gebracht werden.
Gespaltene Armee
Die Huthis haben ihrerseits die letzte unter al-Hadi wirkende Regierung, die sie wie al-Hadi selbst unter Hausarrest gestellt hatten, freigelassen. Ob sie aus Sanaa ausreisen dürfen und wollen, weiss man nicht. Der Armeeminister dieser von den Huthis zu Fall gebrachten Regierung ist seinerseits nach Aden entkommen und hat sich al-Hadi als Armee- und Verteidigungsminister zur Verfügung gestellt. Als erstes hat er dort die militärischen Einheiten besucht, die auf der Seite al-Hadis stehen. Al-Hadi hat seinerseit die Südjemeniten aufgerufen, eine Armee von 20’000 Mann zu bilden, oder wie er es sagte, mit 20’000 Mann in die jemenitische Armee einzutreten.
Die jementische Armee ist gespalten. Eine Minderheit der Truppen hält zu al-Hadi, eine Mehrheit und die bestbewaffneten Teile sind offenbar nach wie vor dem früheren Präsidenten, Ali Abdullah Saleh, und seinem Sohn Ahmed zugeneigt. Dazwischen dürfte es Armeeinheiten geben, die sich nicht klar für die eine oder die andere Seite entschieden haben. Alle Teile der Streitkräfte werden bis heute immer noch vom jementischen Armeeministerium finanziert. Dieses befindet sich in Sanaa im Machtbereich der Huthis.
Die Politik der Saleh-Familie
Ali Abdullah Saleh hat nun seine Maske weitgehend fallen lassen. Am vergangenen Freitag fuhren Lautsprecherwagen durch Sanaa, die die Bewohner dazu aufriefen, zu demonstrieren, um Ahmed, den Sohn des abgesetzten Präsidenten, als neuen Präsidenten zu fordern. «Hunderte von Demonstranten», für Sanaa keine sehr grosse Masse, sollen dem Aufruf Folge geleistet haben. Die Huthis schritten nicht gegen diese Demonstrationen ein. Auf frühere zu Gunsten al-Hadis hatten sie das Feuer eröffnet und Demonstranten getötet.
General Ahmed Ali Abdullah Saleh, so sein voller Namen nachjemenitischer Namensgebung, war zur Zeit seines Vaters General und Kommandant der Elitetruppe, die Präsidialgarde genannt wurde. Sie war die bestausgebildete und von den Amerikanern am besten ausgerüstete Ameesektion. Al-Hadi versuchte, die Macht der Saleh Familie zu brechen. Er hat daher im Jahr 2013 die Präsidialgarde aufgelöst und ihre Kompanien auf verschiedene Armeegruppierungen verteilt. Ahmed selbst wurde Botschafter Jemens in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch es sollte sich herausstellen, dass die aufgeteilten Tuppen der Präsidialgarde weiterhin Ahmed die Treue hielten und von ihm Befehle und «Ratschläge» annahmen. Sie scheinen sogar ihrerseits manche der neuen Einheiten, in die sie eingefügt wurden, zugunsten von Ahmed beeinflusst zu haben.
Geld, Gas und Diplomatie
Eine Untersuchungskommission des Sicherheitsrates, die sich mit dem Ex-Präsidenten und seinen politischen Aktivitäten befasste, kam zu dem Schluss, dass Ali Abdullah Saleh sehr reich geworden sei. Nach ihren Schätzungen hat er in jedem Jahr seiner Amtsführung – 32 an der Zahl – ein bis zwei Milliarden Dollar auf die Seite gebracht. Wenn dies auch nur teilweise zutrifft, stehen der Saleh-Familie gewaltige Geldmittel zur Verfügung, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Dass Teile der Armee sich für ihre Loyalität und auch einen möglichen Loyalitätswechsel bezahlen lassen, ist eine althergebrachte jemenitische Tradition.
Auf der Gegenseite zu Saudi-Arabien steht nun auch Teheran offen im jemenitischen Spiel. Den Huthis haben iranische Politiker bei einem Besuch der jemenitischen Gäste in Teheran «Gas und Erdöl für ein Jahr» versprochen.
Ob es den Saudis gelingt, alle relevanten Parteien nach Riad zu bringen, ist die erste Hürde, die eine diplomatische Lösung zu nehmen hätte. Der nächste und entscheidende Schritt wäre, einen Kompromiss all dieser Kräfte zu erreichen, der ihnen erlauben würde, die Macht untereinander aufzuteilen. Gemeinsam müssten dann die heute antagonistischen Kräfte gegen den gemeinsamen Feind al-Kaida auf derArabischen Halbinsel (AQAP) vorgehen. Wenn dies misslingt, was wahrscheinlicher scheint als das Gegenteil, droht der Bürgerkrieg, der alle Seiten ins Verderben reisst. Nur AQAP würde er weiteren Auftrieb verschaffen. Eine kriegerische Explosion im engsten Nachbarland des Königreiches würde auch Saudi-Arabien stärker als bisher gefährden.