Gleich zwei Pariser Museen widmen sich den afrikanischen Initiationsritualen.
Das kleine, doch feine Museum Dapper in Paris ist nur Eingeweihten bekannt. In einem eleganten Haus im grossbürgerlichen XVI. Arrondissement, in der rue Paul Valéry, gelegen - gleich neben den Edelgeschäften der Avenue Victor Hugo - ist es ein weitgehend unbekannter Geheimtipp. Es wurde nach Olfert Dapper benannt, einem holländischen Humanisten und Arzt des 17.Jahrhunderts, der über Afrika, China, Indien, Persien und Arabien schrieb - ohne jedoch diese damals exotischen Destinationen je bereist zu haben. Seine Enzyklopädie ‚Beschreibung von Afrika’ („Description de l'Afrique, publiziert 1668) gilt heute noch als ein Schlüsselwerk unter ‚Afrikanisten’.
1983 wurde in Amsterdam auf Initiative von Michel Leveau eine „Stiftung Olfert Dapper“ geschaffen. Ihr Ziel ist es, das Kunstschaffen der Völker der südlichen Sahara zu fördern und vor dem langsamen Vergessen zu schützen. Dazu will die Stiftung Geld für Forschungsprojekte auftreiben und Ausstellungen organisieren. Gewürdigt und präsentiert wird auch das Kunsthandwerk aus der Karibik und Guayana.
Masken, Trommeln, Skulpturen
Zu diesem Zweck wurde 1986 das „Musée Dapper“ in Paris eröffnet und im Jahre 2000 vergrössert. Jetzt widmet sich die Ausstellung den heute weitgehend verschwundenen Initiationsriten des Kongobeckens. Gezeigt werden hochklassige Objekte wie Masken, Trommeln, Skulpturen, Kopfschmuck und Kultobjekte, die bei den Riten verwendet wurden.
Die sehr sorgfältig ausgestellten, vorwiegend hölzernen Objekte in den zwei übereinander gelegenen abgedunkelten Räumen stammen aus öffentlichen und privaten Sammlungen, so aus dem königlichen Museum Tervuren für zentralafrikanische Kunst in Belgien, dem Wereldmuseum in Rotterdam, und dem Museum aan de Stroom in Antwerpen. Sie werden ergänzt durch Stücke der museumseigenen Sammlung. Sie alle dokumentieren – zusammen mit den gezeigten Filmen - diverse Formen der Initiationsriten. Dabei geht es einerseits um die Passage vom Kindes- zum Erwachsenenalter.
Beschneidungen
So wurde beim Eintritt ins Erwachsenenalter den jungen Männern die Vorhaut beschnitten. Den Mädchen hingegen wurden bei vielen Stämmen die äusseren Geschlechtsteile entfernt. Diese ‚gaza’ Zeremonien wurden vor allem im Norden des Kongo bei den Ngbaka am Fluss Ubangi durchgeführt.
Die Beschneidungen wurden stark kritisiert und sind heute vielerorts verboten. Sie sollten- wenn überhaupt- nur noch fachgerecht und unter optimalen hygienischen Umständen in Spitälern vollzogen werden.
Prüfungen
Doch es geht nicht nur um den Übergang vom Kindes- ins Erwachsenenalter. Um bei den meisten Völkern in Führungspositionen zu gelangen, müssen die Kandidaten Prüfungen bestehen und werden mit Ritualen in ihre neue Aufgabe eingeführt. Auch Eintritte in Geheimbruderschaften mit ihrem nur Eingeweihten zugänglichen Spezialwissen wurden durch Zeremonien mit Tänzen begangen.
Bei all diesen Zeremonien sind die Masken die Hauptutensilien des Rituals. Die zu traditionellen Figuren Maskierten begleiten diejenigen, die sich der Initiation unterziehen. Sie sterben in deren Verlauf einen symbolischen Tod und werden in neuer Menschenform wiedergeboren.
Den dabei benutzten Instrumenten und Objekten werden sakrale Kräfte zu geschrieben; die Prüfenden sollen über geheimes Wissen verfügen.
Manifestation der Macht
Nicht nur das „Musée Dapper“ widmet sich zurzeit den Initiationsriten: Das Pariser Musée Branly zeigt Utensilien solcher Riten aus den westafrikanischen Ländern Liberia, Guinea und der Elfenbeinküste.
Die ‚Poro’ genannte Initiationszeremonie wurde wahrscheinlich bereits im 16. Jahrhundert beim Stamm der ‚Toma’, auch ‚Loma’ genannt, entwickelt. Sie wurde zuerst von benachbarten Gesellschaften, dann auch von geografisch weiter entfernten Stämmen übernommen. Eine bestimmte Form des ‚Poro’ war nur einzelnen Individuen reserviert. Sie bekamen dann die in der Machthierarchie eine besondere Stellung. Der Ritus war somit eine ‚Manifestation der Macht’. Alle Formen des ‚Poro’ aber bezogen ihre Kraft aus dem Geheimnis, das nur Auserwählten zugänglich war.
Die Ausstellung ‚Bois sacré’ im Musée Branly zeigt, dass die benutzten Objekte vorwiegend aus Holz gefertigt sind. Im Bewusstsein der Stämme werden sie durch die Rituale und Zeremonien selbst „geheiligt“.
‚Initiés’ im Museum Dapper bis 6. Juli 2014
‚Bois sacré’ im Museum quai Branly bis 18. Mai 2014