Die 37-seitige Anklageschrift des US-Sonderstaatsanwalts Robert S. Mueller führt zahlreiche Details zu den Manipulationen auf, die 13 russische Troll-Aktivisten im Internet im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf 2016 verbreitet haben. Ziel war es laut Anklage, via Desinformation Misstrauen gegen demokratische Institutionen und insbesondere gegen Hillary Clinton zu verbreiten. Offenbar war diese Kampagne seit dem Sommer 2014 in grösserem Stil im Gange – also nach der russischen Besetzung der Krim. Einige Troll-Mitarbeiterinnen reisten in die USA, knüpften Kontakte und organisierten unter anderem gefälschte Autofahrausweise und andere gestohlene Papiere, um sich unter falscher US-Identität leichter in amerikanische Netzwerke einzufädeln.
Allerdings sind viele Informationen über solche Umtriebe der St. Petersburger Troll-Fabrik durchaus nicht neu. Sie kursierten schon vor einiger Zeit in den Medien und stützten sich nicht zuletzt auf einen längeren Bericht der Zeitschrift RBK, die zum gleichnamigen russischen Medienunternehmen gehört, das bis zu einem undurchsichtigen Besitzerwechsel vor zwei Jahren als verhältnismässig unabhängig galt.
Stärker ins Rampenlicht westlicher Medien gelangt ist durch Muellers Anklageschrift der zwielichtige Oligarch Jewgeni Prigoschin, der die erwähnte Troll-Fabrik, die offiziell «Agentur für Internet-Recherchen» heisst, kontrollieren soll und nachweislich engere Kontakt zu Kremlchef Putin unterhält. Der schwerreich gewordene Restaurant-Besitzer und Grossunternehmer, in der Presse auch als «Putins Koch» bezeichnet, steht allerdings schon seit dem Ausbruch der Krim- und Ukraine-Krise auf einer amerikanischen Sanktionsliste.
Die Anklageschrift des US-Sonderermittlers gegen die 13 russischen Bürger enthält indessen keinerlei Hinweise darauf, wie denn die verdeckten russischen Aktivitäten das konkrete Wahlverhalten amerikanischer Bürger beeinflusst haben könnten. Bei diesem entscheidenden Punkt ist eine gehörige Portion Skepsis am Platz.
Mit grösster Wahrscheinlichkeit wird man nie zuverlässig herausfinden können, ob und wie viele US-Wähler aufgrund manipulierter Internetinformationen von russischer Seite für Trump und gegen Hillary Clinton gestimmt haben. Clinton hat im November 2016 zwar insgesamt drei Millionen Stimmen mehr als Trump bekommen, doch sie verlor die Wahl trotzdem im Electorial College, weil es ihr nicht gelungen war, in einigen Schlüsselstaaten wie Wisconsin, Michigan und Pennsylvania die Mehrheit zu gewinnen.
Einige nüchterne Kommentatoren betonen deshalb zu Recht, dass es am Ende nicht russische Internet-Manipulatoren waren, die Trump gewählt haben, sondern amerikanische Bürger aus Fleisch und Blut mit ihren Stimmzetteln. Es waren auch nicht russische Internet-Trolle, die die extreme Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft zustande brachten. Die getarnten Aktivisten haben mit ihren gefälschten und aufreizenden Botschaften diese Gespaltenheit bestenfalls zusätzlich anheizen können. Das taten aber auch die Wahlkampfstäbe der amerikanischen Parteien und ihre mitunter undurchsichtigen Hilfstruppen.
Soll man also im Ernst annehmen, dass die 80’000 Stimmen, die Hillary Clinton in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania fehlten, allein aufgrund manipulierter russischer Internetbotschaften nicht für sie abgegeben wurden? Das würde der Beeinflussbarkeit amerikanischer Wähler tatsächlich ein niederschmetterndes Zeugnis ausstellen. Skepsis ist, wie gesagt, geboten.
Die bekannte amerikanische Journalistin Masha Gessen, die in Moskau aufgewachsen ist und sehr kritische Bücher über Putin und seine Herrschaftspraxis geschrieben hat, hält die amerikanische Einschätzung russischer Troll-Aktivitäten bei der Präsidentschaftswahl für stark übertrieben. In einem Interview mit der Zeitschrift «Atlantic» sagte sie, die obsessive Fokussierung auf solche russischen Umtriebe beeinträchtige nur das vertiefte Nachdenken über die eigentlichen Gründe für Trumps Wahl zum Präsidenten. Über diesen letzteren Punkt sollte intensiver diskutiert werden.