Manches spricht dafür, dass man sich im Kreml im vergangenen Jahr während des Wahlkampfes ums Weisse Haus von einem Sieg Donald Trumps mehr versprach als von Hillary Clinton, die sich als Putin-Kritikerin hervorgetan hatte. Dass russische Medien, E-Mail-Hacker, Internet-Trolle und andere Agenten im Cyber-Raum gegen die demokratische Kandidatin agitierten, ist heute zwar ziemlich unbestritten. Doch ob solche Aktivitäten tatsächlich wesentlich zum Wahlsieg Trumps beigetragen haben, bleibt vorläufig eine Spekulation.
Aber wenn Putin damit gerechnet hat, dass er mit dem New Yorker Baulöwen Trump im Weissen Haus mit den USA wieder besser ins Geschäft kommen könnte als mit dem skrupulöseren Obama, so hat er sich vorläufig verrechnet. Zwar gibt es kaum Zweifel, dass Trump eine solche Annäherung an Putin, den er wegen dessen autoritärer Durchsetzungsfähigkeit schätzt und wohl auch bewundert, liebend gerne zustande brächte. Aber die Erfüllung dieses Wunsches ist ihm verbaut, denn die Öffentlichkeit in Amerika beobachtet alle seine Bewegungen in Richtung Moskau mit äusserstem Misstrauen.Gegen seinen Willen musste Trump ein vom Kongress erlassenes Gesetz zur Verschärfung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland unterzeichnen. Und der Sonderstaatsanwalt Robert Mueller untersucht mit weitreichenden Vollmachten, welche Manöver sich im Präsidentschaftswahlkampf zwischen dem Trump-Lager und russischen Agenten tatsächlich abgespielt haben.
Was also ist der Trump-Bonus, von dem Putin heute profitieren kann? Er ergibt sich daraus, dass der Ober-Twitterer im Weissen Haus mit seinen infantilen Botschaften und clownesken Kapriolen die Welt täglich in Atem – und einen Teil der US-Öffentlichkeit in schamvoller Bestürzung – hält. Im Vergleich dazu wirkt der kühle Schachspieler Putin fast schon wie ein Musterfall von souveräner Machtbeherrschung und staatsmännischem Weitblick. Die repressiven Manöver und kriminellen Machenschaften, die sich zurzeit in Russland abspielen – wie etwa der dubiose Prozess gegen den früheren Wirtschaftsminister Uljukajew oder die Flucht der angriffigen Kolumnistin Julia Latynina ins Ausland – werden im Ausland höchstens am Rande wahrgenommen. Auch der vom Kreml mit in Gang gehaltene Krieg in der Ostukraine und die Annexion der Krim ist kaum noch ein Thema.
Wenn das so weitergeht, kann sich Putin jetzt schon über eine vergleichsweise geräuschlose Wiederwahl ins Präsidentenamt im kommenden März freuen. Diese Freude hingegen wird Trump beim nächsten US-Präsidentschaftswahlkampf 2020 mit Sicherheit nicht vergönnt sein.