Die Nachricht wurde von der Persischen Nachrichtenagentur lanciert. Sie fand ein sofortiges Echo in der amerikanischen und in der israelischen Presse. Oftmals waren die Echos noch etwas sensationeller als die ursprüngliche Information. Diese hatte gelautet, iranische Flotteneinheiten befänden sich unterwegs in die Nähe der amerikanischen Küstengewässer. Die Agentur hatte hinzugefügt, in diesen Ereignissen liege eine Botschaft. Es handle sich um eine Antwort auf die Präsenz amerikanischer Kriegsschiffe im Persischen Golf.
Drei Schiffe in internationalen Gewässern
Wer die Meldung genauer las, stellte fest, die "Marine-Einheiten" bestanden aus einem Kreuzer (Iran besitzt deren drei), einem Helikopter-Träger und einem Versorgungsschiff. Es stand auch zu lesen, die Aufgabe dieser Einheiten sei, neue Mannschaften auszubilden und die Schifffahrtslinien zu bewachen.
Die Schiffe hatten, wie damals gemeldet worden war, im vergangenen September den persischen Hafen von Bandar Abbas verlassen, um via Südafrika in den Atlantik zu fahren. Davon, dass die iranische Flotte "ausgebaut" werde, mit dem Ziel weltweit präsent zu sein, war schon im Jahr 2011 die Rede gewesen, als Ahmedinejad Präsident war.
Angstmache gegen Frieden
Dass die Persische Nachrichtenagentur nun hinzufügt, es handle sich um eine "Botschaft" ist offensichtlich ein propagandistischer Schachzug. Er hat gewirkt. Die Flottenbewegung "in die Nähe der amerikanischen Küstengewässer", das heisst auch "innerhalb der internationalen Gewässer", die natürlich an die amerikanischen Küstengewässer angrenzen, fand rege Beachtung.
Die "Botschaft" ist offensichtlich bewusst lanciert worden. Sie geht auf Kreise zurück, denen die begonnene Verbesserung der Beziehungen zwischen Iran und den USA und die Hoffnungen auf eine friedliche Bewältigung des Streits über die iranische Atomanreicherung missfallen.
Ghadhafis Schicksal als Warnung
Es dürfte sich dabei in erster Linie um die iranischen Revolutionswächter handeln. Ihr Oberkommandant, Generalleutnant Mohammed Jafari, hat mehrmals Präsident Rohani öffentlich ermahnt und getadelt.In seinen Augen sind er und sein Aussenminister Zafari im Begriff, wichtige Errungenschaften Irans ohne Gegenleistung zu vergeuden. Er findet auch, das iranische politische System bestehe wie zuvor, "jedoch wurde es leicht verändert und unglücklicherweise durch westliche Doktrinen infiziert".
Ein Vertreter der Garden im Parlament hat soeben darauf hingewiesen, dass Ghadhafi seine atomaren Bestrebungen auf Wunsch der Amerikaner freiwillig aufgab. "Und was bekam er dafür?" fragte er.
Jafari als Gegenspieler Rohanis
Die Revolutionswächter sind in Iran eine bedeutende Macht. Sie besitzen neben ihren militärischen auch Wirtschaftspositionen, und sie verfügen über den "Volkssturm" der Bassij. Dieser alleine hat im Jahre 2009 genügt, die Wächter selbst mussten nicht einschreiten, um den damaligen Volksaufstand der städtischen Jugend niederzuschlagen.
Ahmedinejad war ein Verbündeter der Wächter. Unter ihm konnten sie ihre wirtschaftlichen Positionen weiter ausbauen. Auch die atomaren Anlagen stehen unter ihrer Kontrolle und Leitung. Sie haben eine führende Rolle gespielt bei der Umgehung der amerikanischen und europäischen Sanktionen. Dies ist für die Wächter auch eine lukrative Rolle gewesen.
Khamenei auf kritischer Distanz
Doch die Revolutionswächter sind nach wie vor der obersten Entscheidungsgewalt des herrschenden Gottesgelehrten, Khamenei, untergeordnet. Khamenei hat ohne Zweifel dem neu gewählten Präsidenten Rohani erlaubt, die Verhandlungen mit den G+5 Mächten zu führen, um zu erproben, wohin sie führen und welche Vorteile sie Iran bringen können. Ob Rohani dabei Grenzen gesetzt sind, und wo genau sie liegen, weiss man nicht. Doch ist deutlich, dass Khamenei die Verhandlungen nicht als "seine Sache" ansieht. Er überlässt sie dem Präsidenten und dessen Fachleuten. Er selbst hält sich in kritischer Distanz.
Die innere Auseinandersetzung
Diese Lage veranlasst natürlich die Revolutionswächter dazu, ihrerseits zu versuchen, Khamenei zu beeinflussen. Darin liegt ihre beste Chance, ihre Sonderinteressen zu wahren. Die Regierung, die Rohani untersteht, hat ihrerseits mehrfach Schritte unternommen, um die Macht der Revolutionswächter im wirtschaftlichen Bereich zu begrenzen oder zu reduzieren. Ihr Argument dabei ist, die Wirtschaftsunternehmen, die von den Wächtern übernommen wurden, seien in Notzeiten ihrer Obhut übergeben worden, als wegen der amerikanischen Sanktionen eine Notlage für die iranische Wirtschaft bestand. Diese sei man nun im Begriff zu überwinden. Die Dinge normalisierten sich. Dazu gehöre auch, dass die Wächter sich ihrer militärischen Hauptaufgabe widmeten und ihre wirtschaftlichen Unternehmen dem freien Markt zurückgäben.
Mit derartigen Hinweisen wurden in der letzten Zeit Verträge gekündigt oder storniert, die zwischen dem Staat und den Wächtern zur Zeit Ahmedinejads abgeschlossen wurden oder sich im Verhandlungsstadium befanden.
Kriegstreiber
Die amerikanische Reaktion auf das navale Propagandamanöver entsprach den Erwartungen der iranischen Garden und ihrer konservativen Freunde im Parlament. Die "Botschaft" wurde von weiten Teilen der amerikanischen und israelischen Presse als eine Drohgebärde dargestellt und wirkte als Wasser auf die Mühlen jener amerikanischen und israelischen Kreise, die eine Übereinkunft mit Iran zu vermeiden suchen, indem sie behaupten, die Iraner würden mit einem solchen Vertrag ihre westlichen Partner ja nur hinters Licht führen.
Solche Leute sind, ob sie es zugeben oder nicht, letztlich Kriegstreiber. Denn die einzige Alternative zu einer vertraglichen Lösung bestünde in einem Militärschlag. Wie es oft in der mittelöstlichen Politik geschieht, wirken auch hier die beiden Extreme zusammen über die feindliche Trennungslinie hinweg. Sie feuern sich gegenseitig an und motivieren einander, um den von beiden Extremen gewünschten Krieg zum Ausbruch zu bringen - oder mindestens den bestehenden Spannungszustand am Rande des Krieges beizubehalten.