Trotz Greta und Flugscham reisen weltweit immer mehr Menschen mit dem Flugzeug. In Amerika, Europa, der Schweiz und vor allem im China. Das Passagieraufkommen im Reich der Mitte steigt seit zwanzig Jahren jährlich um satte zehn Prozent. Vor zehn Jahren haben Chinas Flughäfen rund 500 Millionen Passagiere abgefertigt. Neun Jahre später waren es dann nach amtlichen Statistiken bereits 1,2 Milliarden, und im Jahre 2030 soll dann die Marke von 1,5 Millionen Passagieren fast erreicht sein.
844 Routen, 167 Städte, 61 Länder
Bei einem solch gigantischen Passagieraufkommen sind Flugplätze und Flughäfen bis in den hintersten Winkel des Riesenreiches nötig. Wie bei andern Infrastrukturprojekten geht das in China ziemlich schnell. Seit zehn Jahren werden jährlich sieben neue Flughäfen eröffnet. Bei der Gründung der Volksrepublik vor 70 Jahren gab es im ganzen Land gerade einmal 36 Flugplätze. Heute zählen die amtlichen Statistiker 236, davon 37 mit über zehn Millionen Passagieren pro Jahr.
In den nächsten zehn Jahren sollen nochmals zweihundert Flugplätze dazu kommen. Vor allem in den drei Wirtschaftskernregionen sollen Flughäfen mit neuester, fortgeschrittener Technologie gebaut werden, so in der Yangtse-Fluss-Region, in der Guangdong-Hongkong-Macao-Bucht-Aera sowie im Gebiet von Chongqing und Chengdu. Die heutigen Flughäfen verbinden mit 844 Routen insgesamt 167 Städte in 61 Ländern.
Bau der Superlative
Den grössten und schönsten Flughafen, wie könnte es anders sein, bekommt natürlich die Hauptstadt Beijing. Nach nur fünf Jahren Bauzeit wird das Megaprojekt am 30. September – nur einen Tag vor dem 70. Gründungstag der Volksrepublik – eröffnet. Das rund fünfzig Kilometer vom Stadtzentrum entfernte Bauwerk kann mit Superlativen klotzen.
Zunächst einmal ist der vom französischen Flughafenentwickler ADP und der Stararchitektin Zaha Hadid entworfene Beijing Daxing International Airport der weltgrösste Flughafen mit einer Totalfläche von einer Million Quadratmetern, was ungefähr 140 Fussballfeldern entspricht. Über eine Million Kubikmeter Beton und über 200’000 Tonnen Stahl wurden verbaut. Für den Bau wurden 21 Dörfer abgebrochen. 16’000 Bauern mussten, gegen Entschädigung, ihr Land hergeben.
Die Kosten des gesamten Projekts belaufen sich umgerechnet auf rund 15 Milliarden Dollar. Zur Eröffnung verfügt der Airport über vier Pisten, im Endausbau über sieben. Zunächst sollen bis 2021 jährlich 45 Millionen Passagiere abgefertigt werden, 2025 sollen es dann 72 Millionen sein, und im Endausbau sind jährlich 130 Millionen Passagiere geplant.
Der Beijing Daxing International Airport ist nicht nur gross, ja gigantisch, sondern auch schön und praktisch. Von oben im Flug bildet sich, wie Ihr Korrespondent mit eigenen Augen sehen konnte, ein wunderbar flauschig rotes, mehrarmiges Dach, welches poetisch veranlagte Chinesen mit einem aus der Asche aufsteigenden Phoenix verglichen. Mehr prosaisch veranlagte Westler dagegen verglichen den Flughafen eher mit einem Seestern. Wie auch immer, eines ist gewiss: Der neue Flughafen lässt in seiner ausgeklügelten, funktionalen Form keine Wünsche offen.
Kurze Wege, sekundenschnelle Sicherheitschecks
Jeder der Terminal-Arme ist 600 Meter lang und drei Stockwerke hoch. Das Gebäude aus Stahl und Glas ist von Licht durchflutet. Es ist – Ihr Korrespondent sagt nur: Zürich, Zürich – der Flughafen der kurzen Wege. Alle Gates sind in maximal acht Minuten zu Fuss zu erreichen. Abflug und Ankunft sind je doppelstöckig angelegt.
Auch ein wenig grün soll der Flughafen sein, denn Regenwasser wird gesammelt und Solarenergie spielt eine grosse Rolle. Natürlich darf auch High-Tech nicht fehlen. Der Security-Check, normalerweise in Peking fünf bis sieben Minuten, wird – westliche Datenschützer runzeln natürlich alsogleich die Stirne – künftig dank Digitalisierung mit infraroter Temperaturmessung, Gesichtserkennung und weiterer Sensoren nur noch drei bis vier Sekunden dauern. Dass der Beijing Daxing International Airport mit einem Hochgeschwindigkeitszug sowie der Metro mit Downtown Beijing verbunden ist, versteht sich bei all den Superlativen schon fast von selbst.
Klotzen statt kleckern
Der neue Pekinger Flughafen wurde nötig, weil der „alte“ Flughafen im Nordosten der Stadt seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat. Alt in Anführungszeichen deshalb, weil der Capital International Airport erst zu den Olympischen Sommerspielen 2008 eröffnet worden ist. Er ist hochmodern, von Licht durchflutet, ein Traum für Passagiere. Nach dem Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport ist er mit rund hundert Millionen Passagieren jährlich der weltweit zweitgrösste.
Doch Chinas Infrastrukturplaner sind nicht nur da, wenn es um grosse, prestigeträchtige Projekte geht. Es wird also nicht nur geklotzt und gekleckert. Fast gleichzeitig mit dem neuen, ultramodernen Pekinger Flughafen nämlich wird in der Provinz Sichuan auch der Gesar Airport eröffnet. Der Flugplatz in der Ganzi Tibet Autonomen Präfektur liegt auf 4’068 Metern Höhe, verfügt über vier Check-ins, vier Gates und wurde in zweieinhalb Jahren gebaut. Auch Gesar Airport ist, wie fast alle Flugplätze und Flughäfen Chinas, praktisch, schön und passagierfreundlich. Auf über 4’000 Meter allerdings braucht es zuweilen Sauerstoff.