Die Wahllokale in den 650 englischen, schottischen, walisischen und nordirischen Wahlkreisen sind noch bis 10.00 Uhr (11.00 Uhr Schweizer Zeit) geöffnet.
Eine allerletzte Meinungsumfrage des Instituts ICM prophezeit Labour 35 Prozent der Stimmen und den Konservativen (Tories) 34 Prozent. Veröffentlicht wurde die Umfrage am Wahltag selbst von der Zeitung "Guardian".
Auch andere Institute haben in den letzten Tagen und Stunden ein "Vorwärtskommen" von Labour gemeldet.
Auch wenige Stunden vor Schliessung der Wahllokale werben die Parteien noch immer um Stimmen. „You still have time to vote“ schreibt Labour in einem hunderttausendfach verschickten Tweet. „Polls are open until 10 P.M.“.
Die Konservativen twittern: „Today, you can vote for a stable Government and a strong economy. Don't miss your chance“. Auch die Tories erinnern daran: „Don‘t forget, polls are open until 10 PM“.
Exit Polls
Kurz nach Schliessung der letzten Wahllokale warten die BBC, ITN und Sky News mit ersten Prognosen auf. Diese sogenannten Exit Polls basieren auf Wählerbefragungen vor den Wahllokalen.
Insgesamt wurden und werden dazu etwa 20'000 Befragungen durchgeführt. Wegen des erwartet starken Abschneidens der Scottish National Party (SNP) erweist sich diesmal das Erstellen von Exit Polls äussert schwierig. Die britische Presse spricht von der "herausfordernsten Herausforderung der jüngen Zeit".
John Curtice, Politolige an der Strathclyde University, der für die BBC analysiert, sagt: "Früher konnte man Schottland vergessen, jetzt nicht mehr." Sollten die Wahlen mit einem Patt enden, könnte laut einem Szenario der Scottish National Party eine wichtige Rolle zukommen: sie könnte eine Labour-Minderheitsregierung nicht offen unterstützen, aber tolerieren.
Britische Journalisten weisen darauf hin, dass bei früheren Wahlen Exit Polls oft falsch waren.
Erstarken in letzter Minute
Laut der am Wahltag veröffentlichten ICM-Umfrage kämen die United Kingdom Indipendence Party (Ukip) von Nigel Farage auf 11 Prozent, die Liberaldemokraten von Nick Clegg auf 9 Prozent, die Scottish National Party (SNP) auf 5 Prozent und die Grünen auf 4 Prozent.
Das Wiedererstarken Labours zeichnet sich seit mehreren Tagen ab. Am Vortag der Wahlen lagen laut einer ICM-Umfrage Labour und die Konservativen noch mit je 35 Prozent gleichauf.
Auch eine andere, am Dienstag und Mittwoch durchgeführte und am Wahltag publizierte Meinungsumfrage sah ein Patt voraus. Die "Lord Ashcroft poll" prophezeit für beide grossen Parteien je 33 Prozent der Stimmen.
Das Institut Ipsos Mori meldet am Mittag des Wahltags, dass ihre letzte Umfrage folgendes Bild ergibt: Konservative 36 Prozent, Labour 35 Prozent. Labour habe in den letzten Tagen 5 Prozent gutgemacht.
Alle Institute sind sich jedoch einig, dass Labour in den letzten Tagen und Stunden kontinuierlich Stimmen gewinnt. Reicht dies aus, um doch noch als stärkste Partei aus der heiss umstrittenen Wahl hervorzugehen?
Gewählt wird in den Wahlkreisen (Parliament constituencies) je ein Kandidat nach dem relativen Mehrheitswahlrecht („First-past-the-post“).
Laut der letzten Guardian-Umfrage kämen sowohl Labour als auch die Konservativen auf je 273 Sitze,
- die SNP auf 52,
- die Liberaldemokraten auf 27,
- die United Kingdom Independence Party (Ukip) 3,
- die walisische Plaid Cymru 3 und
- die Grünen 1 Sitz.
Um regieren zu könnten, bräuchte eine Partei oder eine Koaltion eigentlich 326 Stimmen im Unterhaus (650 : 2 + 1). Da jedoch der Speaker nicht stimmt und die 5 Abgeordneten der nordirischen Sinn Féin das Parlament boykottieren, genügte - theoretisch - eine Mehrheit von 323 Abgeordneten.
Sollte, wie erwartet, keine Partei die absolute Mehrheit erhalten, kommt es zum sogenannten "hung parliament. Seit 1900 gab es im Königreich 11 "hung parliaments", 5 Minderheitsregierungen und 6 Koalitionsregierung, wie die jüngste zwischen Konservativen und Liberaldemokraten.
Da den Liberaldemokraten schwere Verluste vorausgesagt werden, ist eine Neuauflage der bisherigen Koalition zwischen Konservativen und LibDems unwahrscheinlich; auch zusammen kommen beide Parteien nicht mehr auf die erforderliche Mehrheit.
Auch wenn eine Partei nicht die nötigen Sitze erobert, kann sie mit der Regierungsbildung beauftragt werden - dann nämlich, wenn sie glaubhaft machen kann, dass sie auf genügend Unterstütztung einer andern/oder anderen Parteien zählen kann.
Selbst wenn Labour einige Unterhaussitze weniger als die Konservativen erobert, ist es nicht ausgeschlossen, dass Ed Miliband die nächste Regierung anführt - mit stiller Unterstützung oder Duldung der Scottish National Party (SNP), die von Nicola Sturgeon, der "Ersten Ministerin Schottlands" angeführt wird. Die SNP hatte letztes Jahr das Referendum für eine Abspaltung Schottlands von England verloren. Nicola Sturgeon erklärt offen, ihr Ziel sei, die Tories von der Macht zu verdrängen. Das Institut YouGov prophezeit am Donnerstag der SNP einen Stimmenanteil von 48 Prozent.
Sollte es zu einer Minderheitsregierung der Konservativen oder von Labour kommen, rechnen Beobachter mit baldigen Neuwahlen - mit wahrscheinlich ausgewechselten Parteichefs.
Die letzten Unterhauswahlen fanden vor fünf Jahren, am 6. Mai 2010, statt und brachte folgende Sitzverteilung:
Konservative (Tories): 302
Labour: 256
Liberaldemokraten (LibDems): 56
Scottish National Party (SNP): 6
Sinn Féin (Nordirland): 5 (boykottiert das Unterhaus)
Plaid Cymru (Wales): 3
United Kingdom Independence Party (Ukip): 2
Grüne: 1
Andere: 19
(J21, siebte aufdatierte Version)