Seit Ursula von der Leyen Verteidigungsministern ist, profiliert sie sich mit dem Anspruch, die Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr massiv zu verbessern. Sie will erreichen, dass die Bundeswehr „zu einem der attraktivsten Arbeitgeber der Bundesrepublik Deutschland“ wird. Auf den ersten Blick erscheint Ihre Argumentation überzeugend.
Parteiübergreifende Kritik
Dass das Leben der Soldatinnen und Soldaten auch in Friedenszeiten mit massiven Nachteilen verbunden ist, wird zu Recht beklagt. Häufige Versetzungen in vom Heimatort weit entfernt liegende Standorte, Dienstzeiten, die sich von denen im bürgerlichen Leben radikal unterscheiden, Unterkünfte, die wie aus der Zeit gefallen zu sein scheinen: Das alles sind Faktoren, die den Dienst in der Bundeswehr unattraktiv machen.
Nicht erst seit Dienstantritt Ursula von der Leyens wird an Verbesserungen gearbeitet. Aber da die Ministerin grundsätzlich den Anspruch erhebt, Ausserordentliches zu Wege zu bringen, werden diese Bemühungen nicht nur gesteigert, sondern mit dem Etikett „attraktivster Arbeitgeber“ auf Von-der-Leyen-Format gebracht. Als sie jetzt ihre Pläne konkretisiert und der Öffentlichkeit vorgestellt hat, erhob sich über Parteigrenzen hinweg Kritik. In der Zeitschrift Focus bescheinigte ihr der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sie habe „ganz offensichtlich keine Ahnung vom Militär“.
Warmduscher und Weicheier
In Anspielung auf ihre frühere Rolle als Familienministerin ergänzte er, sie wirke auf ihn wie eine „gute Hausfrau, die ihre Kinder versorgt.“ Und weil er gerade so schön in Fahrt war, setzte er noch eins drauf: Die Ministerin solle „noch Wecker anschaffen, bei denen statt einem Klingeln nur Meeresrauschen und Vogelgezwitscher ertönt“. Denn das allmorgendliche Pfeifen und Gebrüll zum Wecken in den Kasernen könne einem modernen Menschen schon ziemlich auf die Nerven gehen.
Mit seiner Kritik steht Kujat nicht allein. Auch aus der Bundeswehr schlägt der Verteidigungsministern auch von weiblicher Seite Skepsis entgegen. Gerade Frauen fürchten, nun in eine Ecke gestellt zu werden, die ihren Ansprüchen, als Soldatinnen ernst genommen zu werden, nicht entspricht. Und laut Focus soll ein hoher Offizier gesagt haben: „Die Ministerin verpasst uns mit dieser Agenda das Image von Weicheiern und Warmduschern.“
Kein normaler Arbeitgeber
Meldet sich in dieser Polemik ein veraltetes Bild des Soldaten? Auf den ersten Blick scheint es so. Dagegen hat man schon in der alten Bundesrepublik versucht, das Bild des Soldaten zu schönen: „Bürger in Uniform“. Nach den Mordexzessen des Zweiten Weltkrieges gab es die Vorstellung, dass auch das Militär bzw. die Kriegführung in Zukunft irgendwie „demokratischer“ werden könnte. Doch das ist eine Illusion. Wenn statt demokratischer Diskurse, rationaler Argumentation und friedlicher Abstimmungen die Gewalt auf den Plan tritt, dann tobt sich die archaische Seite des Menschen aus. Gegen diesen Rückfall ist noch kein Mittel gefunden worden, und deswegen kann die Bundeswehr kein ganz normaler Arbeitgeber sein.
Wie sollte sie den Komfort optimierter Dienstzeiten, geregelter Kinderbetreuung und hotelähnlichem Wohnen mit ihrem eigentlichen Zweck, dem Einsatz von Gewalt, zur Deckung bringen? Ist das „Eigentliche“ der geregelte Dienst in Friedenszeiten oder besteht das „Eigentliche“ im Kampfeinsatz? Das Militär in früheren Zeiten hat diese Frage so beantwortet, dass auch das Leben in den Kasernen im Zeichen des Drills stand und die Ausbildung darauf abzielte, „bürgerliche Verweichlichung“ auszutreiben. Wer sich im Extremen ein Bild davon machen will, braucht nur auf die Ausbildung der amerikanischen Marines zu blicken. Da werden aus Menschen Kampfmaschinen.
Die postheroische Gesellschaft
Der Kampfeinsatz ist zumindest im öffentlichen Diskurs kein Ideal mehr. Auf den ersten Blick erscheint die Abkehr von der unmittelbar ausgeübten Gewalt als zivilisatorischer Fortschritt, aber der zweite Blick enthüllt etwas anderes. In seinem Essay, „Neue Kampfsysteme und die Ethik des Krieges“ (1), beschreibt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler unsere Gesellschaft als „postheroisch“. Die Zeiten, in denen der heroische Kampf Mann gegen Mann das Ideal war, sind für uns vorbei. „Opfer“ und „Ehre“ sind keine Kategorien mehr, die den Krieg mit Sinn versehen. Politisch zeigt sich das daran, dass Politiker alles daran setzen müssen, bei gewaltsamen Konflikten eigene tote Soldaten zu vermeiden.
Die Folgen zeigen sich in der Entwicklung von so genannten Distanzwaffen, vorzugsweise der Drohnen. „Drohnen und Überwachungssysteme sind die Waffen postheroischer Gesellschaften. Und weil für diese Gesellschaften eine Rückkehr in die zurückgelassene Zeit des Heroischen nicht infrage kommt, bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als an der Entwicklung von Waffensystemen zu arbeiten, die ihren postheroischen Charakter angemessen sind.“
Komfort im "Ernstfall"
Das Konzept von Ursula von der Leyen passt exakt in den Rahmen der postheroischen Gesellschaft. Geregelte Ansprüche und Einsätze sind das Ideal. Demnach entspricht die Soldatin am Bedienungspult zur Steuerung einer Kampfdrohne dem heutigen Verständnis von Dienstleistungsgesellschaft und der Attraktivität von Arbeitsplätzen – geregelte Arbeitszeiten und Kinderbetreuung inklusive.
Man darf gespannt sein, wie die Diskussion weitergeht. Ursula von der Leyen folgt nur einen Trend. Der besteht darin, den Soldatinnen und Soldaten das Leben so angenehm wie möglich zu machen und Kampfeinsätze zu „entschärfen“ - so wird man es dann wohl nennen. Davon ist jetzt noch nicht die Rede. Aber der attraktive Arbeitgeber kann seine neu gewonnene Attraktivität nur dann erhalten, wenn er den Komfort, den er in Friedenszeiten bietet, auch im „Ernstfall“ beibehält.
(1) Beitrag im Sammelband: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg), High-Tech-Kriege: Frieden und Sicherheit in Zeiten von Drohnen, Kampfrobotern und digitaler Kriegsführung, Dezember 2013, 96 Seiten