Diesen Satz aus einem unveröffentlichten Leserbrief vom 7. November 1991 stellt die WOZ an den Anfang ihres Artikels über das sogenannte Binnen-I.
Die linke, in Zürich publizierte Wochenzeitung (WOZ) hatte vor 30 Jahren diese damals ungewohnte Wort-Konstruktion zum ersten Mal verwendet.
Viele staunten über die PolitikerInnen, LeserInnen und JournalistInnen. Andere staunten nicht nur, sondern waren wütend. Einige bestellten die Zeitung ab. Noch heute kommt das vor.
Die WOZ berichtet uns jetzt, wie es zum Binnen-I gekommen ist. In seinem Buch über „Freie Radios“ schrieb der Journalist Christoph Busch „nicht von Hörer/Innen, wie es damals üblich war, um beide Geschlechter anzusprechen, sondern von HörerInnen“. Das Binnen-I war geboren.
"Sprachvergewaltigung"
Die WOZ erzählt, dass sich am Anfang Mitarbeiter (MitarbeiterInnen?) geweigert hätten, „das Binnen-I in ihren Texten zu verwenden und drohten ihre Artikel zurückzuziehen“.
„Bis heute werden ab und an Abos gekündigt. Es sei unschön, unästhetisch, behindere den Lesefluss, lasse sich nicht aussprechen, verhunze die Sprache, von ‚Sprachvergewaltigung‘ war gar die Rede“.
Ziel des Binnen-I war und ist es, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen. Die WOZ zitiert die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, die sagt, das Binnen-I diene als Instrument gegen das ewige „Mitgemeintsein“ im generischen Maskulinum. Frauen seien in der deutschen Sprache nicht nur unsichtbar, sondern gar untergeordnet.
Natürlich gibt es Probleme: Was wird aus dem „Kaminfegermeister“? KaminfegerInmeisterIn? Oder was ist mit „KöchInnen“? Den männlichen „Köch“ gibt es nicht. Bürgermeisterverbandspräsidenten wird zu BürgerInnenmeisterInnenverbandspräsidentInnen. Toll.
Unser Gehirn ist so konditioniert, dass es ein grosses -I im Innern eines Wortes als kleines –i liest. Also: Politikerinnen. Wo bleiben da die Männer?
„Phallischer Charakter“
Doch die WOZ hält tapfer an ihrem Binnen-I fest. Kurz nach der Einführung vor 30 Jahren folgte die ebenfalls linke Berliner „tageszeitung“ (taz). Oliver Tolmein, ein taz-Redator führte das Binnen-I 1989 offiziell bei seiner Zeitung ein. Auch die taz schrieb jetzt von ArbeiterInnen und UserInnen. Vor allem in linken und alternativen Kreisen hatte das Binnen-I einigen Erfolg.
Doch die taz ist der Binnen-I-Variante untreu geworden. Heute schreibt die Zeitung, „die bulgarischen Zuwanderer“, „die Rumänen und Bulgaren“, „die Anwohner“, „die Drahtzieher“, „die Migranten“. Wo sind die RumänInnen geblieben?
„Ist das Binnen-I ein Relikt aus feministischen Kampfzeiten?“, fragte die taz schon 2009 und stellt fest: „Der phallische Charakter dieses Buchstabens sorgt offenbar für besondere Erregung.“ Heute ist dieses steile I in der taz fast ganz verschwunden.
Leser_innen
Im Jahr 2003 wurde dann eine neue Form vorgeschlagen: der Unterstrich. Liebe Hörer_innen, sehr geehrte Leser_innen. Dieser Gender Gap (oder: Gender_Gap) wurde erstmals in einem Aufsatz von Steffen Kitty Hermann propagiert“. („Performing the Gap - Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung«, in: arranca! Nr.28, Aneignung I, Berlin, 2003, S. 22-26)
Nach dem Binnen-I und dem Unterstrich folgte das Gender-Sternchen: Die Abzocker*innen oder die Abzocker*Innen.
Entspricht „nicht den Rechtschreiberegeln“
In wissenschaftlichen und oft auch in amtlichen Texten werden Binnen-I, Unterstrich oder Gender-Stern ab und zu verwendet. Die Duden-Redaktion räumt zwar ein, dass das Binnen-I nicht kategorisch ein Verstoss gegen die Rechtschreiberegeln ist. Aber, am 7. Januar 2011 dekretierte der Duden: „„Die Verwendung des großen I im Wortinnern (Binnen-I) entspricht nicht den Rechtschreibregeln.“
Binnen-I, Gender-Stern und Unterstrich werden weiterhin polarisieren. Das Binnen-I gehört zur WOZ „wie die Farbe Gelb zur Post“. Deshalb überlassen wir der WOZ ihr Markenzeichen. Wir bleiben bei der alten Regel. Und darum:
Alle Autorinnen und Autoren von Journal21 wünschen Ihnen, sehr verehrte Leserinnen und Leser, ein gutes neues Jahr – und wir grüssen alle JournalistInnen und MacherInnen der WOZ.