Herr Minder, Sie sind Ständerat und Unternehmer und führen einen kleinen Betrieb in Neuhausen. Würde die Annahme der 1:12-Initiative, über die am 24. November abgestimmt wird, Ihre Firma tangieren?
Nein, das hätte bei uns keine Auswirkungen. Das gilt auch für die überwältigende Mehrheit aller KMU’s. Da gibt es kaum irgendwo ein Lohngefälle von 1:12.
Nur acht Monate nach der von Ihnen gewonnenen Abzocker-Initiative wird nun über die von den Jungsozialisten lancierte 1:12-Vorlage abgestimmt. Sie verlangt, dass die Bandbreite zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Lohnbezug in einer Firma den Faktor 12 nicht übersteigen darf. Geht es bei dieser Initiative um das gleiche Ziel wie bei der Abzocker-Abstimmung, nämlich um die Eindämmung exzessiver Löhne und Boni?
Nein, ich hatte einen ganz andern Ansatz. Ich will die Kompetenz zur Lohnbestimmung bei börsenkotierten Unternehmen den Eigentümern geben, also den Aktionären. Die Jungsozialisten wollen diese Kompetenz dem Staat geben – und zwar für alle Betriebe. Das finde ich falsch.
Gibt es schon konkrete Fakten oder Anhaltspunkte, dass durch die im März angenommene Minder-Initiative die Gehalts- und Boni-Exzesse in bestimmten Unternehmungen tatsächlich gebremst worden sind?
Das kann man noch nicht beurteilen, denn bisher liegt ja die entsprechende Verordnung des Bundesrates über die Ausführungsbestimmungen zu meiner Initiative noch nicht vor. Diese Verordnung soll nun im November publiziert werden.
Sind sie zuversichtlich über den sich bisher abzeichnenden Inhalt dieser Verordnung?
Da werden ein paar Faktoren berücksichtigt, die in unserer Abzocker-Initiative als Forderung enthalten sind. Die sollen dann bei den Generalversammlungen von börsenkotierten Unternehmen im Jahr 2014 implementiert werden. Die Verordnung soll ab 1. Januar 2014 in Kraft treten. Aber in unserer Initiative sind 24 Punkte genannt, die im späteren Gesetz durchgesetzt werden sollen. Das hat Justizministerin Somaruga nach meiner Ansicht noch nicht begriffen. Darauf werden wir jedes Mal den Finger legen, wenn es dank immer noch offener Schlupflöcher wieder Wirbel wegen exorbitanter Manager-Entschädigungen geben wird.
Zurück zur 1:12-Initiative. Die Gegner behaupten ja, eine Annahme würde das Erfolgsmodell Schweiz gefährden. Teilen sie diese Meinung?
Nein. 98.7 Prozent der KMU’s in der Schweiz wären von dieser 1:12-Bestimmung in ihrer Lohnpolitik nicht betroffen. Das hätte nur bei einem Teil der grossen Firmen konkrete Auswirkungen.
Müsste man mit Abwanderungen ins Ausland unter solchen grossen Firmen rechnen, wie das Gegner der Initiative als Folge einer Annahme an die Wand malen?
Das ist nicht glaubwürdig. Alle in der Schweiz tätigen Aktiengesellschaften unterstehen dem Aktienrecht, und nach diesem braucht es eine Zweidrittelmehrheit der Eigner, also der Aktionäre, um eine Sitzverlegung einer solchen Firma durchsetzen zu können. Das Angstmacher-Argument von möglichen Firmenabwanderungen wurde auch im Abstimmungskampf um die Abzocker-Initiative verwendet.
Könnte man sagen, dass ohne die Annahme Ihrer Abzocker-Initiative die 1:12-Vorlage der Jusos bessere Chancen hätte, angenommen zu werden?
Vielleicht ist da was dran. Vielleicht hätten die Juso mal zwei Jahre abwarten sollen, damit man erkennen kann, was denn die Minder-Initiative für Auswirkungen auf die Lohn- und Boni-Politik der grossen Aktienunternehmen haben wird. Zudem hätten die Jusos mit ihrer Initiative nicht pauschal alle Unternehmen ins Visier nehmen sollen. Ihre 1:12-Forderung hätte sich auf die grossen Aktienfirmen konzentrieren sollen, wo solche Gehaltsexzesse ja auch zu finden sind. Die Juso-Initiative ist schlecht durchdacht und lässt zu viele Schlupflöcher offen.
Was ist Ihre Prognose für die Abstimmung vom 24. November?
Ich denke, die Initiative wird nicht durchkommen, aber einen Ja-Stimmen-Anteil im 40-Prozent-Bereich erreichen. Am Ständemehr wird sie wahrscheinlich nicht scheitern.
Nun steht ja im nächsten Jahr noch die Abstimmung über die von den Gewerkschaften lancierte Mindestlohn-Initiative ins Haus. Wie beurteilen sie diese Vorlage?
Die halte ich nicht für vernünftig. Aber das Thema überrissener, nicht zu rechtfertigender Manager-Entschädigungen wird nicht vom Tisch sein, selbst wenn diese Vorlage und die 1:12-Initiative abgelehnt werden. Denn bei der Führungskaste in den grossen börsenkotierten Unternehmen ist offenkundig „der 20er noch nicht gefallen“. Hätte diese den Jusos wirklich den Wind aus den Segeln nehmen wollen, dann hätten nur zwei oder drei grosse Firmen in den Statuten festlegen müssen, dass die Aktionäre über den Faktor zwischen niedrigstem und höchstem Lohn abstimmen. Nichts dergleichen ist passiert. Ebenso wenig hat im Vorfeld der Abzocker-Initiative ein börsenkontiertes Unternehmen die verbindliche Abstimmung über die Vergütungssumme an die Verwaltungsräte eingeführt. Nun wird das dank der Minder-Initiative gesetzlich vorgeschrieben.