Kurz vor 16.30 Uhr traf die Rechtsaussen-Politikerin Georgia Meloni im Quirinal-Palast in Rom ein und wurde von Staatspräsident Sergio Mattarella mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Meloni legte daraufhin ihre Ministerliste vor. Das neue Kabinett ist am Samstagvormittag vom Staatspräsidenten vereidigt worden.
Gespannt war man, welche Funktion Matteo Salvini, der Chef der rechtspopulistischen «Lega» erhalten wird. Salvinis Partei hat bei den jüngsten Wahlen eine schwere Schlappe erlitten. Auch eine am Freitag veröffentlichtse Meinungsumfrage zeigt, dass der Lega-Chef, alles andere als ein Freund von Meloni, im Krebsgang ist. Noch am Freitagmorgen war spekuliert worden, dass ihn Meloni nur zum wenig bedeutenden Infrastrukturminister machen will. Doch jetzt die Überraschung. Salvini wird dazu auch stellvertretender Ministerpräsident.
Zweiter stellvertretender Ministerpräsident soll Antonio Tajani werden, der frühere Präsident des Europäischen Parlaments und Mitglied von Berlusconis Forza Italia. Er wird gleichzeitig Aussenminister. Im März 2019 sagte Tajani in einem Interview, Mussolini habe nicht alles falsch gemacht, er habe auch Strassen, Autobahnen und Schulen gebaut. Zuvor hatte er erklärt: «Es lebe das italienische Istrien und das italienische Dalmatien.» Istrien gehört zu Slowenien und Kroatien und Dalmatien zu Kroatien und Montenegro.
Draghis Wirtschaftsminister
Mit der Ernennung von Salvini und Tajani hat Meloni die beiden Juniorpartner ihrer Regierung eingebunden. Dass Berlusconi kein Ministerium erhielt, war von Anfang an klar. Er wird jetzt – sozusagen – von Tajani vertreten.
Minister für Wirtschaft wird Giancarlo Giorgetti, ein Lega-Mann, der bereits im Kabinett von Mario Draghi Wirtschaftsminister war. Er ist zudem stellvertretender Parteisekretär der Lega. Das Wirtschaftsministerium ist DAS Schlüsselministerium der Regierung. Dass es nun dem moderaten Giorgetti anvertraut wird, ist eine Niederlage für Lega-Parteichef Salvini. Die beiden sind sich spinnefeind. Die Ernennung Giorgettis ist ein geglückter Schachzug Melonis, um Brüssel zu beruhigen.
Ein Salvini-Mann im Innenministerium
Minister des Innern soll der wenig bekannte Matteo Piantedosi werden. Der 57-jährige Neapolitaner galt als «der andere Matteo» im Innenministerium. Während Salvini, der damalige Innenminister, an den Stränden Wahlkampf machte, führte Piantedosi das Ministerium als Beamter. Er steht Salvini auch in ideologischer Hinsicht sehr nahe.
Minister für Kultur wird Gennaro Sangiuliano, der Direktor von TG2, der Tagesschau des zweiten öffentlich rechtlichen italienischen Fernsehens Rai.
Vertrauensabstimmung im Parlament
Staatspräsident Mattarella hätte das Recht gehabt, diesen oder jenen von Meloni vorgeschlagenen Minister abzulehnen. Er tat das nicht.
Anschliessend müssen beide italienische Kammern, die Abgeordnetenkammer und der Senat der neuen Regierung das Vertrauen aussprechen. Erst dann ist die Regierung der ersten italienischen Ministerpräsidentin einsatzfähig.
Erst einmal: etwas Ruhe – und dann?
Es ist anzunehmen, dass nach den turbulenten letzten Tagen jetzt erst einmal etwas Ruhe einkehrt. Salvini ist mit seinem Posten als Vize-Regierungschef ruhig gestellt, auch wenn dieses Amt wenig einflussreich ist. Berlusconi musste in entscheidenden Punkten nachgeben. Vor allem scheiterte er daran, seine Kumpanin Liscia Ronzulli ins Kabinett zu bringen.
Beobachter in Rom glauben, dass der Burgfrieden nicht lange halten wird. Salvini und Berlusconi sind Alphatiere, die sich gerne in Szene setzen. Beide brauchen Spektakel und Klamauk, um zu zeigen, dass es sie und ihre serbelnden Parteien überhaupt noch gibt. Die Ansicht herrscht vor, dass Meloni es mit den beiden schwer haben könnte. Berlusconi war es, der 2008 Meloni zur jüngsten Ministerin in Italien gemacht hatte. Er erträgt es offenbar nicht, dass ihm nun sein «Ziehkind» den Marsch bläst.
Zankapfel Ukraine
Zu einer ersten Zerreissprobe könnte das Verhältnis Italiens zur Ukraine und zu Putin werden. Die letzten Tage und Monate haben gezeigt, dass Melonis Koalitionspartner eher Putin-freundlich sind – im Gegensatz zur neuen Regierungschefin, die sich klar und deutlich auf die Seite der Ukraine, der USA und der Nato geschlagen hat. Berlusconi behauptet, sein Freund Putin sei zum Krieg gezwungen worden. Und Matteo Salvini verlangt ein Ende der Sanktionen gegen Russland.
Nicht genug: In das Gerangel um Ministerposten platzte diese Woche die Nachricht, dass Berlusconi zu seinem 86. Geburtstat Ende September von Putin 20 Flaschen besten Wodkas geschenkt erhielt. Zudem nannte er Berlusconi den «ersten meiner fünf besten Freunde». Berlusconi war geschmeichelt und revanchierte sich mit 20 Flaschen besten Weines. Die beiden hätten «süsse Briefe» ausgetauscht.
Putin ist clever
Putin wusste genau, dass er mit seiner Wodka-Initiative einen Sturm der Entrüstung in Rom auslösen wird. Schon fragt man sich im Westen, ob denn die neue italienische Regierung weiterhin eine klare Pro-Ukraine- und klare Anti-Putin-Haltung einhalten wird.
Putin ist clever und Berlusconi ist ihm auf den Leim gekrochen. Meloni fauchte. Doch sie braucht Berlusconi, denn ohne ihn und Salvini kann sie nicht regieren.
Neun Minister und Ministerinnen gehören den Fratelli d'Italia der designierten Premierministerin an. Fünf sind Mitglieder von Berlusconis Forza Italia, fünf gehören der Lega an, weitere fünf sind sogenannte technische Minister und sind parteilos.
Die weiteren Minister und Ministerinnen
- Minister für wirtschaftliche Entwicklung: Adolfo Urso
- Justizminister wird Carlo Nordio. Der 75-Jährige ist Mitglied der Fratelli d'Italia.
- Verteidigungsminister: Guido Crosetto
- Minister für Gesundheit: Orazio Schillaci
- Minister für Reformen: Maria Elisabetta Alberti Casellati
- Minister für Arbeit: Marina Elvira Calderone
- Minister für Bildung: Giuseppe Valditara
- Ministerin für Universität und Forschung: Annamaria Bernini
- Minister für europäische Angelegenheiten: Raffaele Fitto
- Minister für öffentliche Verwaltung: Gilberto Pichetto Fratin
- Ministerin für Familie, Geburt und Chancengleichheit: Eugenia Roccella
- Ministerin für Tourismus: Daniela Santanché
- Minister für regionale Angelegenheiten: Roberto Calderoli
- Minister für Sport: Andrea Abodi
- Minister für den ökologischen Übergang: Paolo Zangrillo
- Minister für Meeres- und Südpolitik: Sebastiano Musumeci
- Ministerin für Behinderte: Alessandra Locatelli
- Minister für Landwirtschaft und Ernährungssouveränität: Francesco Lollobrigida
- Minister für die Beziehungen zum Parlament: Luca Ciriani