Zwei Meldungen bestimmten heute, Mittwoch, die Schlagzeilen der italienischen Innenpolitik. Meldung Nummer eins: In den Meinungsumfragen schwächelt Matteo Salvini. Seine Lega liegt laut dem Institut Ixè unter 30 Prozent. Tendenz abnehmend.
Meldung Nummer zwei: Der italienische Senat hat die Immunität von Salvini aufgehoben. Damit ist der Weg für einen Gerichtsprozess gegen den rechtspopulistischen Ex-Innenminister frei.
Es geht um einen Fall im vergangenen Sommer. Salvini hatte es dem Rettungsschiff „Gregoretti“ drei Tage lang nicht erlaubt, einen italienischen Hafen anzulaufen. Das Schiff der italienischen Küstenwache hatte 131 teils kranke Migranten an Bord. Salvini hatte alle Häfen für Mittelmeer-Flüchtlinge schliessen lassen. Innert kurzer Zeit stiegen seine Zustimmungswerte von 17 auf bis zu 38 Prozent. Seine harte Politik gegenüber Flüchtlingen zahlte sich aus und trug wesentlich zu seiner Popularitätssteigerung bei.
Ein Gericht im sizilianischen Catania hatte ihn anschliessend des „Amtsmissbrauchs“ und der „Freiheitsberaubung“ bezichtigt. Die Mehrheit der Senatoren stimmte nun am Mittwoch für die Aufhebung der Immunität. Die Lega-Vertreter hatten den Saal vor der Abstimmung verlassen.
Sollte ein Gericht Salvini für schuldig befinden, drohen ihm eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 15 Jahren. Zudem könnten die Richter ihm verbieten, acht Jahre lang ein politisches Amt auszuüben.
Salvini reagiert auf seine Weise. Er habe „ein ruhiges Gewissen“, er stehe „erhobenen Hauptes“ da. „Ich habe für mein Volk gekämpft“, sagt er immer wieder. „Im Senatssaal rief er heute aus: „Die Verteidigung des Vaterlandes ist eine heilige Pflicht. Ich habe mein Vaterland verteidigt.“
Dann setzte er zu einer pathetischen Wahlkampfrede an. Der Richter solle entscheiden, ob er „ein gefährlicher Krimineller“ sei. „Jetzt ist der König nackt. Die Regierung kann einige Monate oder Wochen weiterregieren, doch in der Demokratie entscheidet das Volk.“ „Seit sechs Monaten seid ihr (Parlamentarier der Regierungsparteien) gelähmt und streitet über alles, ausser über den bösen Salvini.“ Und wieder: „Die Grenzen zu verteidigen, ist meine Pflicht.“
Salvini vor Gericht: Seine Gegner jubeln vorerst einmal. Doch vielleicht jubeln sie zu früh, denn jetzt kann er sich als Märtyrer produzieren – jetzt erst recht.
Er wird im und ausserhalb des Gerichtssaals keine Gelegenheit auslassen, seinen „Kampf für die Ehre Italiens“ zu unterstreichen, – „Italien, dieses wunderbare Land, das ich schützen will“. Das Verfahren wird lange dauern. In Italien dauern solche Prozesse oft Jahre. Es wird ein Hin und Her geben, ein juristisches Hick-Hack. Der Lega-Chef wird nicht müde werden, seine „Liebe zu seinem Volk“ ins Land hinauszuposaunen – sein Volk, und die italienische Kultur, die „er vor ausländischer Infiltration“ schützen will.
Keiner kann Salvini in Sachen Populismus das Wasser reichen. Er wird sich als Verfolgter geben, wie es sich für einen richtigen Populisten gehört. Er wird von einem politischen Komplott seiner Gegner sprechen. Und immer wird er im Scheinwerferlicht stehen.
Salvini hatte schnell gewittert (und getwittert), welche Bühne ihm ein Prozess bieten wird. Das Gerichtsverfahren könnte seiner lahmende Popularität wieder Auftrieb geben.